DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 3/2015 - page 47

Vernetzung
Dialog und Personalisierung stehen im Vordergrund
Unsere Gesellschaft steckt in der digitalen Transformation: Pro Minute werden auf Youtube 100 Stunden
Videomaterial hochgeladen. Über WhatsApp verschicken monatlich 600 Mio. Menschen Nachrichten, und das
soziale Netzwerk Facebook verzeichnet in jedem Monat über eine Milliarde aktive Nutzer. Mehr als vier Stun-
den verbringt der durchschnittliche Deutsche täglich im Internet. Für die Zeitung bleiben nur noch ein paar
Minuten pro Tag. In dieser Welt muss Kommunikation auch in der Wohnungswirtschaft neu gedacht werden.
Durch das Internet und die sozialenMedien ändert
sich die Art, wie wir kommunizieren, massiv. Weil
Netzwerke wie WhatsApp oder Facebook von hie-
rarchiefreier Interaktion leben, erwartenwir auch
bei allen anderen Kommunikationserlebnissen,
dass wir in den Dialog gehen können. Zugleich
haben wir gelernt, dass unsere engsten Freunde
uns besser informieren als Medien oder Unterneh-
men. 80%der Menschen in Deutschland vertrauen
inzwischen den Empfehlungen von Freunden. Den
Versprechen der TV-Werbung schenken dagegen
nur noch 4% der Menschen unbedingt Glauben.
Wir holen uns also die Informationen dort, wo wir
uns gut informiert fühlen. Und ignorieren zuneh-
mend, was man uns ungefragt vorsetzt. Wir sind es
außerdemgewohnt, dass wir sofort und passgenau
die Informationen bekommen, die wir brauchen
– egal, wo wir sind. Denn Information wird heute
mobil verarbeitet. 4 Mrd. Menschen haben welt-
weit ein Smartphone. Zum Vergleich: Eine Zahn-
bürste nutzen 3,8 Mrd. Menschen auf der Welt.
Mehr als 40% aller Netznutzer in Deutschland
surfen mobil – Tendenz steil ansteigend.
Die Veränderungswellen werden spürbar
Für die Wohnungswirtschaft sind erste Ausläufer
dieser Veränderungswellen inzwischen spürbar:
Die Digital Natives sind in demAlter, in dem sie als
Mieter zu Kunden werden. Zugleich schreitet die
Digitalisierung der Wohnungen und der Immobi-
lienbestände in Richtung des Smart Home voran –
nicht zuletzt durch den Vorstoß von Internetunter-
nehmenwie Googlemit seinen Nest-Thermostaten
oder Facebookmit seinen 3-D-Brillen von Oculus.
Wenn Unternehmen aus der Wohnungswirtschaft
zeitgemäß kommunizieren wollen, dann müssen
sie dies dialogorientierter und passgenauer tun
als bisher.
Die klassische Kundenzeitschrift hat nach wie vor
einen Sinn, umältere Kunden anzusprechen. Digi-
tal Natives aber erreiche ich nicht mit bedrucktem
Papier, sondernmit strukturierten Service- und In-
formationsangeboten, die ich aufrufe, wenn ich sie
brauche. Undwo ich schnell Antworten bekomme.
Apps und neue Netzwerke bieten Chancen
Wenn ich als Anbieter proaktiv Informationen ver-
breiten will, dann idealerweise so, dass die ver-
schickten Nachrichten direkt auf demSmartphone
des Mieters landen. Ich weiß, wer der Empfänger
ist, und kann die Inhalte auf bestimmte Kunden-
segmente abstimmen oder sie sogar individuell
zuschneiden. Die intelligente Smartphone-Um-
gebung ermöglicht es, direkt aktiv zuwerden und
zu antworten.
Allerdings muss sich die Wohnungswirtschaft
darauf einstellen, dass auf diesen Kanälen der
(mitunter auch öffentliche) Dialog gefragt ist.
Organisatorische Vorbereitungen sind nötig,
um schnellere Antwortzeiten bei Anfragen zu
liefern. Auf einen Brief ein bis zwei Tage zu war-
ten, ist akzeptabel. Eine Mail dagegen muss, um
die Etikette einzuhalten, binnen 24 Stunden und
ein Facebook-Post bereits nach etwa drei Stun-
den beantwortet werden. Schulungen und die
Einführung von CRM-Systemen, bei denen nicht
nur nach Themen, sondern auch nach Kanälen
priorisiert wird, können eine Antwort sein. Und
natürlich muss ein Unternehmen auch intern
mobiler und agiler kommunizieren, um schnell
Antworten zu finden.
Wer mutig ist, wird belohnt
Der Schritt in die neue Kommunikationswelt er-
fordert Mut und die Bereitschaft, neue Formen
der Kommunikation auszuprobieren. Dafür bietet
sich für die Unternehmen die Chance, neue, inten-
sivere Beziehungen zu den Kunden zu entwickeln.
Informationen, die dabei hin und her fließen, er-
möglichen es, personalisiert zu kommunizieren
und – geschickt ausgewertet – bessere Entschei-
dungen zu treffen und attraktivere Angebote zu
machen.
Vielleicht gelingt es dann auch in Deutschland,
Kunden so zu begeistern, wie es ein US-Immo-
bilienanbieter vor kurzem tat: Er organisierte
Besichtigungstermine über Facebook und ver-
netzte sich mit Interessenten. Dann nutzte er
die öffentlich einsehbaren Informationen in den
Profilen der Besucher, um z. B. Bilder von deren
Freunden in digitale Bilderrahmen zu integrieren.
Im Wohnzimmer wurden die Besucher von ihrer
Lieblingsmusik empfangen, auf dem Fernseher
liefen die Lieblingsfilme. So machte der Anbieter
den Besichtigungstermin unvergesslich. Die Ap-
partements gingen weg wie warme Semmeln ...
Europa ist anders als das Silicon Valley
Zuletzt glaube ich – bei allem Enthusiasmus für
das Silicon Valley –, dass Deutschland ein digitales
Selbstbewusstsein entwickeln muss. Wir können
nicht alles unreflektiert von Technologiekonzer-
nen übernehmen. Wir müssen entscheiden, wie
wir als Gesellschaft lebenwollen. Stichworte sind
hier Datenschutz oder Sicherheit.
DieWohnungswirtschaft kann definieren, wie gro-
ße Teile der Bevölkerung sich in Zukunft zu Hause
fühlen. Das setzt voraus, dass sich die Entscheider
der Wohnungswirtschaft aktivmit neuen Techno-
logien auseinandersetzen, sie in den eigenen vier
Wänden ausprobieren.
Und sie müssen sich mit deutschen Unternehmen
vernetzen, um zu verstehen, was heute möglich
ist. Um Lösungen zu entwickeln, die konform mit
unseren europäischen Wertvorstellungen sind.
Dr. Willms Buhse
Geschäftsführer
doubleYUU GmbH & Co. KG
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