Als degewo haben wir das Selbstverständ-
nis, uns immer wieder zu fragen, welches
unsere zentrale Aufgabe ist. Unsere Ant-
wort darauf lautet, dass unsere Aufgabe
darin besteht, bezahlbaren Wohnraum
für breite Schichten der Berliner zur Ver-
fügung zu stellen. Dabei müssen wir die
Gesamtmiete – nicht nur die Kaltmiete –
in den Blick nehmen. Deshalb müssen wir,
auch wenn wir nicht Energieprofis sind, in
einigen Bereichen eben doch Innovationstreiber sein, um die Nebenkos-
ten zu begrenzen.
Dabei stehen unsere Innovationen auf zwei Fundamenten. Das eine Fun-
dament ist, dass die Innovationen unseren Kunden dienen müssen. Und
das zweite ist, dass wir als degewo einen Lernmehrwert haben müssen.
Wir wollen also nicht im Rahmen einer Marketingstrategie Leuchttürme
realisieren, sondern wir wollen etwas lernen.
Ganz aktuell untersuchen wir mit zwei großen Projekten, wie wir inno-
vative Lösungen auf den Bestand übertragen können. Das eine Projekt
ist unser Zukunftshaus in Lankwitz, mit dessen Realisierung wir Ende
2015 oder Anfang 2016 beginnen werden. Dort werden wir ein großes
Mehrfamilienhaus mit 64 Wohnungen so umbauen, dass es sich selbst
mit Energie versorgt. Das wird zwar nicht ganz gelingen, aber wir werden
den Energieverbrauch um voraussichtlich 86% reduzieren. Es handelt es
dabei um ein ganz normales Mehrfamilienhaus mit Baujahr 1955. Unseren
Berechnungen zufolge werden die Wärmekosten nach Realisierung der
Maßnahmen rund 3,50 €/m
2
und Jahr betragen. Das entspricht bei einer
100-m
2
-Wohnung ungefähr 350 € im Jahr, also etwa so viel, wie z. B.
zwei neue Fahrräder für die Kinder kosten. Ob das funktioniert, wissen wir
noch nicht; aber wir werden bei diesem Projekt auf jeden Fall wertvolle
Erfahrungen sammeln. Denn das Zukunftshaus gibt uns die Möglichkeit, in
Echtzeit zu lernen und zu testen, welche Maßnahmen sich auf den Bestand
übertragen lassen.
Unser zweites Pilotprojekt beschäftigt sich mit dem Thema Mieterstrom.
Dieses Vorhaben realisieren wir in der Joachimstraße in Köpenick, wo wir
in einem Neubau ein eigenes Blockheizkraftwerk errichtet haben. Dabei
wollen wir testen, ob es uns gelingt, eigenen Strom an die Mieter zu ver-
kaufen. Wir wollen herausfinden, wie wir durch eine kluge Kombination
aus BHKW, Zählern und Vertrieb unseren Kunden einen Vorteil verschaffen
und einen Mehrwert generieren können.
Unser erklärtes Ziel ist also, selbst Innovation zu treiben und sie in die
Fläche zu bringen. Leuchttürme gibt es ja wie Sand am Meer. Die wirkli-
che Herausforderung besteht darin, Elemente der Leuchttürme auf den
Bestand zu übertragen. Und da kann ich nicht erkennen, dass von den
Energiebetrieben etwas käme, mit dem wir flächendeckend unseren Her-
ausforderungen begegnen könnten. Den größten Hebel sehen wir in der
Quartiersentwicklung und damit in der Kombination von Bestand und
Neubau. Für diesen nachhaltigen Ansatz in den Quartieren, der Ökonomie,
Ökologie und soziale Verantwortung vereint, steht degewo.
Kristina Jahn, Vorstandsmitglied, degewo AG, Berlin
Die Herausforderung liegt im Bestand
Weiter geht es mit der Diskussion
Ein Grund, warum wir uns als Bank mit dem Energiethema befassen, liegt
in der Digitalisierung, und dieses Geschäftsfeld decken wir ja mit unserer
Tochtergesellschaft Aareon ab. Deshalb führen wir zahlreiche Gespräche
mit der Wohnungswirtschaft und mit Energieversorgern. Dabei fällt uns
auf, dass die Ziele oft noch nicht richtig definiert sind.
Für die Wohnungsunternehmen gibt es ja mehrere Motive, sich mit dem
Energiethema auseinanderzusetzen. Erstens können sie sich fragen, wie sie
die gesetzlichen Vorgaben in diesem Bereich möglichst effizient erreichen.
Zweitens können sie sich das Ziel setzen, die Prozesse zu optimieren und
die Zusammenarbeit mit den Versorgern effizienter zu gestalten. Drittens
besteht die Möglichkeit, ein neues Geschäftsfeld aufzubauen und so zusätz-
liche Ertragsquellen zum Sprudeln zu bringen. Und der vierte Punkt ist der
Reputationsgewinn, also das Bestreben, von Mietern und Öffentlichkeit als
innovatives Unternehmen wahrgenommen zu werden. Während die ersten
beiden Motive noch nah am bisherigen Geschäftsmodell der Wohnungsun-
ternehmen sind, bedeutet es für sie einen großen Schritt, in die Energiepro-
duktion einzusteigen. Er impliziert große Investitionen und den Aufbau von
Know-how – sei es im eigenen Haus oder in einem Kooperationsmodell.
Die zentrale Frage ist also, warum Wohnungsunternehmen überhaupt
auf die Energiethematik setzen sollen. Bei vielen Unternehmen fallen die
Antworten noch ziemlich diffus aus. Dabei hängt von der jeweiligen Ant-
wort sehr viel ab: Ein Unternehmen, das
zusätzliche Erlöse erzielen will, muss z. B.
einen klassischen Business-Plan aufstellen,
während ein Unternehmen, das seine Repu-
tation steigern will, sich fragen sollte, wie
hoch das entsprechende Marketingbudget
sein darf. Es geht also darum, sich klarzu-
machen, warum man etwas tun will, und
anschließend daraus die entsprechenden
Maßnahmen abzuleiten.
Auch wenn die Entwicklung des Ölpreises in unserer Diskussion nicht im
Vordergrund stehen soll, können wir die Rahmenbedingungen des Mark-
tes nicht ganz ausblenden. Der Energiemarkt ist zurzeit sehr volatil, und
das wird sich nach meiner Einschätzung so schnell auch nicht ändern. Für
die Wohnungsunternehmen stellt sich deshalb die Frage, wie sie sich von
diesen Einflüssen ein Stück weit unabhängig machen und eine bezahlbare
Energieversorgung sicherstellen können. Deshalb mein Petitum: Natür-
lich sind all die inhaltlichen und technischen Fragen, die in dieser Runde
angesprochen werden, wichtig. Aber ich plädiere dafür, erst einmal einen
Schritt zurückzugehen und ganz grundsätzlich zu überlegen, welches Ziel
man als Wohnungsunternehmen im Energiebereich verfolgen will.
Thomas Ortmanns, Vorstandsmitglied, Aareal Bank AG, Wiesbaden
Das Ziel muss am Anfang definiert werden
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4|2015
ENERGIE UND TECHNIK