Bedrohung dar, weil sie den Gang der Dinge
bestimmen wollen und die Belange ihrer
Partner nicht ausreichend berücksich-
tigen. Aus diesem Grund halte ich es für
absolut notwendig, dass die Wohnungs-
wirtschaft technische Entwicklungen
vorantreibt und die damit verbundenen
rechtlichen Fragen aufgreift. Das darf
man nicht verwechseln mit geschäftspo-
litischen Entscheidungen, die immer von
Fall zu Fall getroffen werden müssen.
Als großer Verehrer von Prof. Franz Josef Radermacher, dem Vordenker
der Nachhaltigkeit, spreche ich mich für eine Doppelstrategie aus, die
sowohl lokal als auch global Verantwortung übernimmt. Auf lokaler
Ebene müssen wir gute, preiswerte und sozial funktionierende Wohnun-
gen bauen und erhalten. Alles, was wir tun, muss diesem Ziel dienen.
Deshalb müssen wir uns immer wieder überlegen, was wir sinnvoller-
weise mit dem uns anvertrauten Geld anstellen. Das könnte meines
Erachtens in Einzelfällen sogar dazu führen, dass wir darauf verzich-
ten, eine aufwändige Energiestation aufzubauen, und stattdessen eine
Waldaufforstung in einem anderen Landstrich finanzieren. Prof. Rader-
macher hat ja sehr deutlich dargestellt, dass das eigentlich der wir-
kungsvollste Beitrag zur CO
2
-Ersparnis ist.
Wir müssen uns eingestehen, dass viele Dinge, die wir tun, im Grunde
genommen den CO
2
-Ausstoß nicht wirksam verringern, dafür aber sehr
teuer und betriebswirtschaftlich höchst problematisch sind.
Deshalb bin ich der Überzeugung, dass die Energieversorgung tunlichst
bei den Profis bleiben soll. Kooperationen können sicher sinnvoll sein.
Aber es gehört nicht zu unseren Kernaufgaben, uns auf dem Feld der
Energieerzeugung weiter zu etablieren, zumal die Technik sich ja sehr
schnell weiterentwickelt.
Gewiss, wir müssen Anstöße geben, wir müssen unsere Belange einbrin-
gen, aber wir müssen nicht die Einzelfunktionen nachvollziehen bzw.
übernehmen. Dafür brauchen wir starke Partner aus der Energiewirt-
schaft, auch wenn wir diese zugegebenermaßen manchmal noch ein
bisschen disziplinieren müssen.
Hinzu kommt die Versorgungssicherheit. Wenn ich nur an das Problem
mit Heizungsausfällen denke, so sollte man sich schon sehr gut überle-
gen, ob man wirklich für die Stromversorgung einer großen Wohnan-
lage verantwortlich sein will. Deshalb plädiere ich dafür, mit starken
Energiespezialisten zu kooperieren, die das Know-how haben und die
Ressourcen absichern können.
Als Vertreter der Energiewirtschaft freue
ich mich über die zahlreichen Plädoyers
zur Partnerschaft in dieser Runde. Denn
für uns werden branchenübergreifende,
gleichberechtigte Partnerschaften immer
wichtiger – das war in der Vergangenheit in
unserer Branche nicht immer so.
Wir, MVV Energie, verstehen uns künftig
nicht mehr als reiner Versorger, sondern
als Energiedienstleister. Damit unterstrei-
chen wir, dass wir auf gleicher Augenhöhe mit der Wohnungswirtschaft
handeln wollen.
Viele Unternehmen in unserer Branche denken immer noch, die Energie-
wende bedeute lediglich, sich von Kohle und Kernkraft zu verabschieden
und nur noch große Photovoltaik- und Windanlagen zu betreiben. Die-
ser Technologiewechsel ist aber nur ein Baustein der Energiewende. Die
technologische Entwicklung, insbesondere die Miniaturisierung und Digi-
talisierung, verändern unser Geschäft stärker, als das noch vor wenigen
Jahren absehbar war. Dadurch ist es heute möglich, immer mehr Anlagen
miteinander zu vernetzen. Außerdem kommen neue gesellschaftliche
Gruppen mit auf das Spielfeld – Energieversorgung wird immer mehr zum
Konsumgut.
Als Energieunternehmen stehen wir vor der Herausforderung, unser
Bestandsgeschäft mit den neuen Themen zu verknüpfen. Für mich ist es
keine Frage, dass die Zukunft in der intelligenten Kombination der beiden
Welten liegt. Das ist eine große Aufgabe, zumal die technische Entwick-
lung sehr schnell weitergeht.
Wir richten uns danach aus, wie sich die Energiewelt wandeln wird und
wie wir die Möglichkeiten, die die Technik bietet, in Produkte und Dienst-
leistungen übersetzen, die künftig im Bereich der Wohnungswirtschaft
nachgefragt werden. Dabei gehen wir davon aus, dass das Stromnetz
immer mehr die Bedeutung einer Versicherung bekommt. Das bedeutet,
dass Verbraucher sich tendenziell regional oder sogar selbst versorgen
und dass das Netz nur dann einspringt, wenn diese kleinräumige Versor-
gung ausfällt oder Überschüsse produziert.
Für unser Geschäftsmodell heißt das, dass es nicht ausreicht, das
Bestandsgeschäft zu optimieren und effizienter zu machen. Vielmehr
müssen wir die Chancen nutzen, die sich aus dieser Entwicklung erge-
ben, und unser Geschäft mit Energiedienstleistungen ausbauen. Dabei
unterstützen wir diejenigen Kunden, die das Thema Energie selbst in die
Hand nehmen, und bieten ihnen an, die damit verbundenen komplexen
Aufgaben als Dienstleister zu übernehmen.
Dafür brauchen wir Partner, etwa in der IT-Technik, aber auch aus ande-
ren Bereichen, etwa bei Konzeption und Installation von kleinen Erzeu-
gungsanlagen. Das aber stellt eine völlig neue Herausforderung dar. Denn
bisher haben Energieversorger das, was sie verkauft haben, in der Regel
selbst produziert. Branchenübergreifende Partnerschaften auf Augen-
höhe bedeuten in unserer Branche einen grundlegenden Wandel. Wir
haben im November 2014 gemeinsam mit Partnerunternehmen das Joint
Venture BEEGY GmbH gegründet, ein Start-up, in dem Know-how für
die neue, dezentrale Welt mit der Expertise im bestehenden Energiesys-
tem zusammenkommen. Die Lösungen, die BEEGY entwickelt, haben die
Wohnungswirtschaft ebenso im Blick wie die Industrie und später auch
Privatkunden. BEEGY ist unsere Antwort auf die Komplexität der neuen
Energiewelt.
Vernetzung statt Polarisierung – das ist das Gebot der Stunde. Denn es ist
nicht so, dass alles Alte böse und alles Neue gut ist. Nein, richtig gut wird
es erst, wenn wir das Alte mit dem Neuen verbinden.
Ralf Klöpfer, Vorstandsmitglied, MVV Energie AG, Mannheim
Wir wollen die alte und die neue Welt verknüpfen
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4|2015
ENERGIE UND TECHNIK