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4|2015
NEUBAU UND SANIERUNG
Die Sanierung denkmalgeschützter Immobilien ist
ein großes Thema für die Berliner Genossenschaft
Reinickes Hof, denn von ihren 1.550 Wohnungen
in den Berliner Bezirken Reinickendorf und Ho-
henschönhausen stehen etwa 50% unter Denk-
malschutz. „Wir gehören aber nicht zu denen, die
über den Denkmalschutz klagen“, sagt der kauf-
männische Vorstand Wolfgang Lössl. Er findet es
nicht nur wichtig, die Wohnungen energetisch zu
ertüchtigen, sondern sieht es auch als wichtige
Aufgabe an, das architektonisch-historische Erbe
der Genossenschaft für zukünftige Generationen
zu erhalten.
Nach den Anfängen im Erwerbshausbau Anfang
der 1920er Jahre wird das Bauprojekt „Reinicken-
dorf-Ost“ im Becherweg, Ecke Humboldtstraße
1927 für die Baugenossenschaft zum ersten ge-
nossenschaftlichen Vorhaben auf gemeinschaftli-
cher Grundlage. Die Anlage entsteht innerhalb von
zwei Jahren in vier Bauetappen. Die 3-geschos-
sige Straßenrandbebauung mit Walmdächern
ist in ihrer Gestaltung traditionsbetont und dem
Landhausstil nachempfunden. Die Hauseingän-
ge sowie Teile der Erdgeschosszonen bekommen
durch Klinkerdekorationen eine zusätzliche Be-
tonung. Durch hervorgestellte Loggien werden
die Fassaden abwechslungsreich rhythmisiert.
Die Ausstattung der kleinen 1,5- bis 2,5-Zimmer-
Wohnungen ist für die damalige Zeit modern und
komfortabel: Innenbäder, Toiletten und Balkone
gehören hier zum Standard.
Erste Sanierungen
Ende der 1990er Jahre hat Reinickes Hof die Bäder
und Küchen, die noch gemauerte Herde besaßen,
saniert und im Innenhof ein Gasblockheizkraft-
werk aufgestellt. Zudemwurden die Hoffassaden
mit einem4 cmdickenWärmeverbundsystemver-
sehen. Die Doppelkastenfenster mit Sprossenwur-
den nicht verändert, sie wurden dann 1995 unter
Denkmalschutz gestellt und dürfen seither nicht
mehr ausgetauscht, sondern nur überarbeitet
werden. Das geschehe regelmäßig alle fünf Jahre
und man biete den Mietern an, den inneren Teil,
für den sie verantwortlich sind, gleich günstigmit
erledigen zu lassen. „Viele nehmen das Angebot
in Anspruch“, so Lössl.
„Obwohl das so ein altes Haus ist, haben wir eine
moderneWohnung“, findet Mieter Helmut Richter.
Mit demGrundriss ist er zufrieden, auchwenn das
halbe, nur 8m
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große Zimmer seiner Meinung nach
auch gerne etwas größer sein könnte. Er erzählt,
dass es nach der Wende die Möglichkeit gegeben
habe, gefördert durch die Investitionsbank Alu-
Fenster einbauen zu lassen. Rund 25 Mieter hät-
ten das gemacht und nun moderne Fenster und
Balkontüren. „Den Denkmalschutz gab es damals
erfreulicherweise noch nicht“, sagt er. Vor allem
seine Frau wollte lieber moderne Fenster haben,
weil die einfacher zu putzen sind undweil die alten
undicht waren. „Bei eiskaltem Ostwind war das
hier wie in der Sommerlaube, der Austausch hat
sich gelohnt“, betont er. Dass sein Wohngebäude
unter Denkmalschutz steht, das ist Helmut Richter
ziemlich egal. Ihm ist vielmehr wichtig, bei einer
Genossenschaft mit all den damit verbundenen
Vorteilen zuwohnen. DieMieten liegen imBecher-
weg im Schnitt bei 4,80 €/m
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, die Betriebskosten
betragen rund 3,20 €.
Für die straßenseitige Fassade war aus Denk-
malschutzgründen ein Vollwärmeschutz ausge-
schlossen. „Das wäre auch eine Sünde bei diesen
Bauten, die werden dann zu Bunkern und es kommt
kaum noch Licht rein“, sagt Wolfgang Lössl. Die
Straßenfront wurde deshalb lediglich mit einem
Wärmeverputz versehen. „Das Mauerwerk ist ja
ziemlich dick, das bietet schon so eine ganz gute
Isolierung“, erklärt er.
Außerdem wurden die Dächer gedämmt, nicht
aber die Kellerdecken. „Da führen alle Leitungen
durch und das bringt auch nur sehr wenig“, sagt
Lössl. Der Trend gehe wieder sowiesoweg von der
„Verdämmung“ undman erkenne, dass eine nach-
haltige Energieerzeugung und -versorgung viel
umweltfreundlicher sei. „Ich halte das Ranpappen
von 16 cmStyropor nicht für den zukunftsfähigen
Weg“, betont er. Mit Hilfe des eigenen Blockheiz-
kraftwerkes kann die Genossenschaft die Heiz-
und Betriebskosten im normalen Rahmen halten.
Nicht familien- und altengerecht
Die denkmalgeschützten Altbauten sind nicht
familiengerecht und auch nicht wirklich alten-
gerecht. Diesem Problem begegnete die Ge-
nossenschaft, indem sie den riesigen Hof 1999
bebaute. Dort sind 45 Neubauwohnungen ent-
standen sowie eine Tiefgarage und zwei Gewer-
beeinheiten. „Dadurch und durch Bauten aus den
1960er Jahren haben wir eine gute Mischung in
der Siedlung“, sagt Lössl.
Und das nächste Sanierungsvorhaben ist bereits
geplant: der 1928 entstandene, namensgebende
Reinickes Hof, wo sich gleichzeitig der Sitz der
Geschäftsstelle der Genossenschaft befindet. Er
ist ebenfalls ein bedeutendes Beispiel des Berliner
Reformwohnungsbaus der späten 1920er Jahre,
und soll nun in ähnlicher Form wie das Gebäude-
ensemble im Becherweg saniert werden. Da die
Anlage an einer Hauptverkehrsstraße liegt und
damit optisch noch prägender für das Stadtbild
ist, hofft Lössl auch hier auf einen Preis.
Die Baugenossenschaft Reinickes Hof
wurde 1921 gegründet und hat zunächst
Einfamilienhäuser errichtet, die heute in
Privatbesitz sind. Ab 1927 kam dann der
Siedlungsneubau mit mehrgeschossigen
Mietshäusern hinzu, in den Berliner Bezir-
ken Reinickendorf und Hohenschönhausen.
Die Wohnungen im Ostteil Berlins wurden
später enteignet. Die Genossenschaft hat
sie nach der Wende zurückbekommen. Sie
bewirtschaftet heute 1.550 Wohnungen.
Davon steht ungefähr die Hälfte seit 1995
unter Denkmalschutz. Die jüngsten Bauvor-
haben wurden im Jahr 2000 abgeschlossen.
BAUGENOSSENSCHAFT
REINICKES HOF EG
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Die Anlage im Becherweg nach der Sanierung (2011)