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01/18 personalmagazin
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Das Interview führte
Michael Miller.
sich manche Unternehmen Regelungen
für das Googeln von Bewerberdaten ge-
geben haben. Zum Beispiel kann man
sich darauf einigen, nur Informationen
aus dem Netz zu verwenden, die nicht
älter als fünf Jahre sind, oder solche,
die nicht diskriminierend sind. Oder es
werden nur Informationen verwendet,
wenn der Bewerber zuvor die Möglich-
keit zur Stellungnahme hatte. All das ist
ein sinnvoller Umgang, der prozessual
konkretisieren kann, wann eine Daten-
erhebung tatsächlich erforderlich und
wann sie verzichtbar ist. Diese Regelun-
gen können als Personalauswahlricht-
linie im Sinne des § 95 Betriebsverfas-
sungsgesetz gestaltet sein. Durch die
Beteiligung des Betriebsrats erhält das
Ganze nochmals eine zusätzliche Legi-
timation.
personalmagazin:
Gibt es Änderungen im
Bereich der Videoüberwachung?
Thüsing:
Prinzipiell ist der inhaltliche Un-
terschied zur aktuellen Rechtslage nicht
so groß. Allerdings haben die Landes-
datenschutzbehörden in jüngerer Zeit
deutlich gemacht, dass sie hier stärker
prüfen wollen als in der Vergangenheit.
Gerade nach neueren Skandalen, wie
zum Beispiel bei Lidl, ist da ein neues
Bewusstsein eingetreten – dass es auch
Aufgabe der Landesdatenschutzbehör-
den ist, hier für bessere Regelungen zu
sorgen. Daher ist man auch in der Praxis
bei der Videoüberwachung – sei es ge-
heim oder sei es offen – sensibler gewor-
den. Der Grundsatz der Erforderlichkeit
ist hier besonders ernst zu nehmen. Die
Rechtsprechung des Bundesarbeitsge-
richts, wonach eine dauerhafte Überwa-
chung unzulässig ist, gilt auch weiter-
hin. Nur wird man abgrenzen müssen:
Was ist eine dauerhafte Überwachung?
Und wann liegt zwar eine dauerhafte
Erfassung von Arbeitnehmerdaten, aber
eben keine dauerhafte Überwachung
vor – weil nicht dauerhaft ausgewertet
wird? Es ist insofern eine Verhältnis-
mäßigkeit zu suchen, mit der vielleicht
eine sehr breite Datenerhebung zum
Beispiel zum Schutz der Werksicherheit
zugelassen wird. Dann kann eine Aus-
wertung – aber eben auch nur zu diesen
spezifischen Zwecken – erfolgen. Es be-
darf also eines feinfühligen Vorgehens,
zumeist unter Beteiligung des Betriebs-
rats, um künftig den Anforderungen der
neuen Rechtsprechung und Gesetzge-
bung gerecht zu werden.
personalmagazin:
Was ändert sich beim Da-
tenaustausch innerhalb eines Konzerns?
Thüsing:
Hier versucht die DSGVO vor-
sichtig die Diskussion zu erweitern.
Einige Passagen in der DSGVO deuten
darauf hin, dass der Konzernverbund
ein Element bei der Beurteilung ist, ob
ein bestimmter Datentransfer legitim ist
oder nicht. Dennoch bleibt es bei dem
Grundsatz: Jeder Rechtsträger ist eine
eigenständige, verantwortliche Stelle,
sodass der Datentransfer zwischen ver-
schiedenen verantwortlichen Stellen –
und mögen es auch konzernangehörige
sein – gerechtfertigt werden muss. Die
Rechtfertigung mag jedoch künftig eini-
ge Pegelstriche leichter gelingen.
personalmagazin:
Sehen Sie weitere grund-
legende Unterschiede zwischen aktuellem
und neuem Datenschutz?
Thüsing:
Unterschiede sieht man als Ju-
rist bei näherem Hinsehen immer. Trotz-
dem: Nein, die Unterschiede zeigen sich
vor allem in den Folgen und weniger in
der grundlegenden Strukturierung der
Erforderlichkeit.
personalmagazin:
Inwieweit wirkt die DSGVO
neben dem Bundesdatenschutzgesetz?
Thüsing:
Die DSGVO schafft unmittel-
bar geltendes europäisches Recht. Der
Bürger braucht sich also nicht auf ein
deutsches Umsetzungsgesetz berufen,
sondern kann direkt europäisches Recht
für sich in Anspruch nehmen. Der deut-
sche Gesetzgeber hat aber von der Mög-
lichkeit der DSGVO Gebrauch gemacht,
spezifische nationale Regelungen im
Bereich des Beschäftigtendatenschut-
zes zu erlassen, die die Besonderheiten
des Arbeitsrechts berücksichtigen kön-
nen. Diese Vorschriften orientieren sich
weitgehend am vorangegangenen Recht,
enthalten jedoch – wie gesagt – auch
Klarstellungen, etwa im Hinblick auf die
Einwilligung oder darauf, dass ein Kol-
lektivvertrag eine eigenständige Grund-
lage der Datenverarbeitung sein kann.
personalmagazin:
Wie bewerten Sie das
neue Datenschutzrecht? Welche Bereiche
hätten klarer gefasst werden müssen?
Thüsing:
Ich glaube, der Gesetzgeber hat
hier gute Arbeit geleistet. Es gab eine
intensive Diskussion zwischen den
verschiedenen Ministerien, die zum
aktuellen Kompromiss geführt haben.
Durch die weitgehende Orientierung am
bisherigen Beschäftigtendatenschutz ist
eine Kontinuität gewährleistet. Gleich-
zeitig konnten wichtige Zweifelsfragen
ausgeräumt werden. Natürlich hätte
man deutlicher machen können, dass
zum Beispiel der Arbeitgeber nicht zum
Diensteanbieter im Sinne des Telekom-
munikationsgesetzes wird, wenn er
private Internet- und E-Mail-Nutzung er-
laubt. Man hätte auch spezifische Rege-
lungen im Hinblick auf die Verwendung
von Positionsdaten oder bezüglich der
Videoüberwachung machen können.
Dass man sich in diesen Fällen auf Gene-
ralklauseln beschränkt hat, zeigt jedoch
auch, dass man der Rechtsprechung zu-
traut, einen angemessenen Kompromiss
für den Einzelfall zu formulieren.
„Im Bewerbungsverhält-
nis werden Unterneh-
men ihre Praxis genau-
er überdenken müssen.
Es bleibt die Frage,
wann eine Erhebung der
Daten erforderlich ist.“