übergreifen. Und der Prozess der Singularisierung begann, wie
gesagt, schon in den Siebzigerjahren.
Wenn also Kultur, Emotion und Einzigartigkeit unser Leben
zunehmend bestimmen: Sprechen wir daher auch in Unter-
nehmen lieber vom „Talent“ als vomMitarbeiter?
Das ist in der Tat so und bemerkenswert. „Talent“ ist ja ur-
sprünglich ein Begriff aus dem künstlerischen Bereich, etwa das
musische Talent. In der Industrieökonomie ging es um Leistung
und Qualifikation, da wäre Talent absurd gewesen. Nun in der
spätmodernen Ökonomie interessieren die Unternehmen aber
tatsächlich die einzigartigen Begabungen, auch das Potenzial,
das einer hat. Eben das, was einen Unterschied macht.
Und begeistern wir uns daher mehr für „Design Thin-
king“-Methoden und Kreativ-Workshops als für Planung
und Steuerung?
Design Thinking zeigt eindrucksvoll die Bedeutung, die der
Kreativität in Entwicklungsprozessen zugemessen wird. Hier
geht es nicht mehr nur um funktionale Güter, sondern um das
komplexe Design eines ganzen Konsumentenerlebnisses. Neben
den Zweck treten der Sinn und die Story. Übrigens ist auch das
Projekt eine Bühne für Singularisierungstendenzen. Da werden
einzigartige Skills und Individuen zusammengewürfelt, das
hat seine eigene Dramaturgie mit Anfang und Ende, das ist das
Gegenstück zur spezialisierten Routinearbeit auf Dauer.
Dann ist bald Schluss mit Fließband, Effizienz, standardi-
sierten Lebensläufen und Regelwerken?
So weit würde ich nicht gehen, aber diese rationalen Mechanis-
men stellen kaummehr etwas dar, mit dem sich Menschen iden-
tifizieren und dem sie Wert zumessen. Rationalisierung rückt in
den Hintergrund, Singularisierung und Kulturalisierung in den
Vordergrund. Es geht also nicht um eine totale Transformation,
sondern um eine Verschiebung der Gewichte. Nehmen Sie zum
Beispiel das Internet. Das ist einerseits eine rationalisierte In
frastruktur. Die Herrschaft des Allgemeinen, vor allem in Form
der Algorithmen. Und andererseits ist das Besondere das Data
Tracking. Es sorgt dafür, dass der Einzelne immer individueller
angesprochen wird, und die Plattformen im Netz ermöglichen,
dass Menschen sich in Blogs oder Onlinemedien als einzigartige
Individuen inszenieren. Also: im Hintergrund die Infrastruktur,
im Vordergrund die Singularitäten.
Menschen, die sich inszenieren? Da erhält der in der Wirt-
schaft gern verwendete Begriff der „Performance“ einen
ganz anderen Klang …
In der Tat. Leistung bemisst sich in der spätmodernen Öko-
nomie nicht mehr so sehr an formalen Skalen, sondern wie
performt wird. Damit meine ich, wie ein Mitarbeiter oder eine
Ware vorm Publikum (innerhalb der Organisation oder bei den
Konsumenten) „ankommt“. Der Performance wird von anderen
eine Qualität zugesprochen oder aberkannt. Diese Performance