personalmagazin 5/2017 - page 82

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RECHT
_SOZIALVERSICHERUNG
personalmagazin 05/17
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
beim Urlaubsentgelt. Festgestellt wird
dann nicht selten, dass die Berechnung
zu gering ausgefallen ist und daher Bei­
träge aus Phantomlohn nachzuzahlen
sind. Grund dafür sind die Vorschriften
über die Berechnungsweise der Entgelt­
fortzahlungen. Insbesondere wird von
den Betriebsprüfern gerügt, wenn bei
der Entgeltfortzahlung im Krankheits­
fall nicht darauf geachtet wird, dass die
Arbeitszeit, die angefallen wäre, wenn
der Mitarbeiter nicht erkrankt wäre, zu
vergüten ist - also vom strengen Lohn­
ausfallprinzip des § 4 EntgFG abgewi­
chen wird. Ebenso wird aus Vereinfa­
Tarifvertragliche Öffnungsklauseln können eigentlich unabdingbare Lohnbestandteile
disponibel machen. Das bietet ein Trittbrett, um dem Phantomlohn zu entkommen.
Arbeitsrechtliche Gesetze legen häufig „unabdingbare“ Rechte fest und machen die
Nichtbeachtung dann zur Grundlage der Festlegung von Phantomlohn. Eine solche
grundsätzliche Unabdingbarkeit wird aber in zahlreichen Gesetzen durch sogenannte
tarifliche „Öffnungsklauseln“ durchbrochen. Gleichzeitig wird dabei aber meist auch
tarifungebundenen Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, durch individuelle Bezug-
nahme auf einen Tarifvertrag von einer solchen Öffnungsklausel zu profitieren, gewis-
sermaßen als legaler „Trittbrettfahrer“ auf einen Tarifvertrag aufzuspringen und damit
einen Phantomlohn zu verhindern. Insbesondere für eine vom Gesetz abweichende
Berechnungsweise der Entgeltfortzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall ist dies von
großer praktischer Bedeutung. Hier befinden sich in beiden einschlägigen Gesetzen
Tariföffnungsklauseln mit folgendem Inhalt.
Tariföffnungsklausel in § 13 Abs. 1 BurlG
„Von den vorstehenden Vorschriften mit Ausnahme der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 kann in
Tarifverträgen abgewichen werden. Die abweichenden Bestimmungen haben zwischen
nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen die-
sen die Anwendung der einschlägigen tariflichen Urlaubsregelung vereinbart ist ...“
Tariföffnungsklausel in § 4 Abs. 4 EntgFG
„Durch Tarifvertrag kann eine von den Absätzen 1, 1a und 3 abweichende Bemes-
sungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden. Im Geltungs-
bereich eines solchen Tarifvertrags kann zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern
und Arbeitnehmern die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung über die Fortzah-
lung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle vereinbart werden.“
Es kann sich also für ein nichttarifgebundenes Unternehmen durchaus lohnen, einen
Blick in den für ihn maßgeblichen Tarifvertrag zu werfen und auf für ihn günstige vom
Gesetz abweichende Regelungen im Arbeitsvertrag Bezug zu nehmen.
Auf Tarifverträge aufspringen
ÖFFNUNGSKLAUSELN
chungsgründen bei der Berechnung des
Urlaubsentgelts von der in § 11 BUrlG
vorgeschriebenen
„13-Wochen-Regel“
zugunsten anderer Berechnungsmodelle
abgewichen, was insbesondere bei Ar­
beitnehmern mit schwankenden Bezügen
zu einer Schlechterstellung führen kann.
Derartige Abweichungen, so die Argu­
mentation der Betriebsprüfer, sind aber
nur durch Tarifverträge möglich, sodass
auch Hinweise auf einvernehmliche Ver­
einbarungen für die Berechnungsweise
der Entgeltfortzahlung nicht greifen.
Tipp: An dieser Stelle kann der Phan­
tomlohnverbeitragung möglicherweise
mit einer gesetzlichen Öffnungsklausel
begegnet werden (siehe Kasten).
Phantomlohnfalle vier: Nachverbei-
tragung für nicht gezahlte Zuschläge
Phantomlohn entsteht auch dann, wenn
eine unabdingbare Pflicht zur Zahlung
von Zuschlägen besteht. Auch hier gilt,
dass dies bei tarifvertraglichen Zuschlä­
gen nur der Fall ist, wenn der Zuschlag
in einem allgemeinverbindlichen Tarif­
vertrag zwingend festgelegt ist. Einzige
Ausnahme ist die Pflicht nach § 6 Abs. 5
ArbZG, bei Nachtarbeit einen angemes­
senen Zuschlag zu zahlen. Hier handelt
es sich um einen unabdingbaren gesetz­
lichen Anspruch, sodass eine Nichtzah­
lung in jedem Fall Phantomlohn auslöst.
Einzige Ausnahme: Es gilt ein Tarifver­
trag und dieser legt „andere Ausgleichs­
regelungen“ für Nachtarbeit fest.
Phantomlohnfalle fünf: die Korrektur
steuerfreier Nachtzuschläge
Nachtzuschläge bewegen sich meist im
Bereich der steuerfreien Auszahlung. Dies
gilt aber nur dann, wenn sie für tatsächlich
ausgeübte Nachtzeiten gezahlt werden. An­
dererseits sind Nachtzuschläge aber auch
im Rahmen der Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfall zu berücksichtigen. An die­
ser Stelle zeigt sich eine Phantomlohnfalle,
aus der kaum zu entkommen ist. Steuer-
und beitragsfreie Nachtzuschläge wandeln
sich im Krankheitsfall damit in vollständig
steuerpflichtiges und damit auch beitrags­
pflichtiges Arbeitsentgelt um.
Auch hier gilt es, besonderes Augen­
merk auf Minijobs zu richten. Durch die
Pflicht, Nachtzuschläge in die Entgelt­
fortzahlung einzubeziehen und diese
dann wie normales Entgelt sozialversi­
cherungspflichtig zu behandeln, kön­
nen die Geringfügigkeitsgrenzen häufig
nicht mehr eingehalten werden.
THOMAS MUSCHIOL
ist
Rechtsanwalt mit Schwerpunkt
Arbeits- und Sozialversiche-
rungsrecht in Freiburg.
1...,72,73,74,75,76,77,78,79,80,81 83,84,85,86,87,88,89,90,91,...92
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