personalmagazin 5/2017 - page 81

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05/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
hören, dass sowohl Arbeitgeber als auch
Arbeitnehmer in dem konkreten Monat,
in dem eine Unterschreitung des Tarif­
vertrags festgestellt wird, tarifgebunden
sind. Ist dies nicht der Fall, weil der Ar­
beitnehmer nicht oder nicht mehr in der
Gewerkschaft ist oder der Arbeitgeber
nicht oder nicht mehr im Arbeitgeber­
verband ist, so wäre es mangels norma­
tiver Tarifbindung durchaus möglich,
vom Tarifvertrag abzuweichen oder auf
tarifvertragliche Ansprüche zu verzich­
ten. Für die Praxis bedeutet dies: Auch
wenn sich ein Unternehmen grundsätz­
lich zu einem Tarifvertrag bekennt, wird
in den Betriebsprüfungen einem mög­
lichen Phantomlohn dann nicht nach­
gegangen, wenn eine beidseitige Tarif­
bindung nicht ohne Weiteres unterstellt
werden kann. Insbesondere sind inso­
weit auch Klauseln in Arbeitsverträgen,
in denen auf einen Tarifvertrag „Bezug“
genommen wird, „phantomlohnsicher“,
denn derartige Bezugnahmen können
von den Parteien jederzeit geändert
werden – sie stellen „dispositives“ Ver­
tragsrecht dar.
Phantomlohnfalle eins: der
Mindestlohntarifvertrag
Dass Phantomlohnfeststellungen auf­
grund von Tariflohnunterschreitungen
gleichwohl in der Prüfungspraxis eine
überragende Rolle spielen, liegt daran,
dass seit geraumer Zeit für viele Unter­
nehmen branchenspezifische allgemein­
verbindliche Mindestlohntarifverträge
gelten. Bei dieser Art von Tarifbindung
kommt es nicht darauf an, ob die Ar­
beitsvertragsparteien selbst durch Ver­
bands- oder Gewerkschaftszugehörigkeit
tarifgebunden sind; vielmehr hat der
Tarifvertrag durch die Allgemeinverbind­
lichkeitserklärung quasi Gesetzeskraft.
Mit der Einführung des Mindestlohnge­
setzes wurde die Möglichkeit, derartige
allgemeinverbindliche Mindestlohntarif­
verträge kurzfristig über den Weg des
Arbeitnehmerentsendegesetzes einzu­
führen, noch zusätzlich vereinfacht. Die
Feststellung eines Phantomlohns ist hier
für die Betriebsprüfer denkbar einfach
und bedeutet für die betroffenen Bran­
chen, dass eine penible ständige Infor­
mation, ob und welche unabdingbaren
Lohnbedingungen „monatsaktuell“ gel­
ten, unbedingt notwendig ist.
Phantomlohnfalle zwei: der sonstige
allgemeinverbindliche Tarifvertrag
Aber auch im Bereich der klassischen
allgemeinverbindlichen Tarifverträge,
die keine Mindestlöhne, sondern „nur“
allgemeine Bestimmungen zu den Ar­
beitsbedingungen enthalten, lauern vie­
le Gefahren, in eine Phantomlohnfalle
zu geraten. So sind in vielen dieser Ta­
rifverträge Ansprüche auf Urlaubsgeld,
Überstundenzuschläge oder auch Grati­
fikationsansprüche festgeschrieben, die
bei Nichtbeachtung per Phantomlohn­
feststellung Beitragsforderungen nach
sich ziehen.
Insbesondere bei der Überprüfung
vonMinijob-Abrechnungen schauen hier
die Betriebsprüfer genau hin. Gefunden
werden hier zwar oftmals nur Kleinbe­
träge, die dann aber als „Nebeneffekt“
zur Folge haben, dass der Minijob als
Ganzes hinfällig wird und rückwirkend
nach den Vorgaben für ein normales so­
zialversicherungsrechtliches Beschäfti­
gungsverhältnis abzuwickeln ist.
Phantomlohnfalle drei: die Nachbe-
rechnung von Lohnersatzleistungen
Vermehrt werden in Betriebsprüfungen
die Lohnabrechnungen für Zeiten, in de­
nen keine Arbeitsleistung erbracht und
Entgeltfortzahlung geleistet wird, unter
die Lupe genommen, beispielsweise bei
krankheitsbedingten Fehlzeiten sowie
ARBEITSHILFE
Allgemeinverbindliche TV zum Download
Ein Verzeichnis aller allgemeinverbindlichen
Tarifverträge finden Sie im Haufe Personal
Office. Internetzugriff für Abonnenten:
Unabhängig davon, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer Mitglieder der Tarifvertrags-
parteien sind, gilt ein Tarifvertrag dann zwingend, wenn er nach § 5 Tarifvertrags-
gesetz (TVG) für allgemeinverbindlich erklärt wurde oder als allgemeinverbindlicher
Mindestlohntarifvertrag nach § 7 Arbeitnehmerentsendegesetz ergangen ist.
Bei arbeitsrechtlichen, aber auch sozialversicherungsrechtlichen Streitigkeiten kann es
nicht nur um die Auslegung von Inhalten dieser Tarifverträge, sondern auch um deren
Anwendbarkeit gehen. Konkret wird dann meist darüber gestritten,
ob das Unternehmen überhaupt der Branche angehört, die von der Allgemeinver-
bindlichkeit erfasst ist. So kann beispielsweise ein Unternehmen erfolgreich anführen,
dass die in einem Tarifvertrag beschriebenen Tätigkeiten nicht oder nicht mehr zum
Schwerpunkt des Unternehmens gehören, es also von der Branchenzugehörigkeitsbe-
schreibung erst gar nicht erfasst wird, oder
ob die zugrunde gelegte Allgemeinverbindlichkeit überhaupt formell in richtiger
Weise zustande gekommen ist. Der Streit geht somit gewissermaßen „ans Eingemach-
te“ und stellt die Tarifbindung grundsätzlich in Frage, was dann natürlich auch einer
Phantomlohnfestsetzung entgegengehalten werden kann. Spektakuläres Ergebnis einer
solchen Rüge ist eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 21.
September 2016, 10 ABR 33/15), in der die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen der
Sozialkassentarifverträge im Baugewerbe für unwirksam erklärt wurden.
Streit über Tarifbindung wider Willen
ALLGEMEINVERBINDLICHKEIT
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