DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 11/2017 - page 36

ENERGIE UND TECHNIK
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11|2017
Funktionskonzepte für Gebäude gedeihen unter
diesen Umständen nur schwer.
Einen großen Einfluss auf die Innovationen im Be-
reich der Nutzgebäudewerden interessanterweise
die Smart-Home-Technologien haben. Hierwerden
Internet-Technologien sehr konsequent eingesetzt,
imMittelpunkt der Aktivitäten steht der Nutzer des
Gebäudes; der hohe Kostendruck führt zu preis-
werten Lösungenmit hoher Funktionalität. Eswird
schwer werden, zu erklären, warum Funktionen,
die sich im Smart Home zunehmend etablieren, in
Nutzgebäuden nicht umsetzbar sind.
Der Prozess der Gebäudeplanung und vor allemdie
Umsetzung der Planung sind heute nicht so struk-
turiert, wie es demnotwendigen hohen Software-
Anteil in Gebäuden entspricht. Der Entwurfs- und
Bauprozess muss zukünftig die Anforderungen
des Software-Entwurfs integrieren. Dabei soll-
te in einem ersten Schritt der Beschreibung der
gewünschten Funktionalität eine ebenso große
Aufmerksamkeit gewidmet werden wie heute
der Auswahl von Komponenten. Wer erstellt die
Testprogramme, mit denen die konkrete Funktion
der implementierten Software überprüft werden
kann? Gibt es zukünftig Diagnosestecker und
-software wie beim Automobil, um auch schwer
zu erkennende Fehler oder Ineffizienzen schnell
zu identifizieren und abzustellen?
Die Automobilbranche hat sich in den letzten
Jahren sehr intensiv mit der Schnittstelle der
Technik zum Fahrer befasst und hat viele Assis-
tenzfunktionen entwickelt, die den Fahrer dabei
unterstützen, die Sicherheit zu erhöhen und nicht
zuletzt eine hohe Energieeffizienz bei einem gro-
ßen Nutzerkomfort zu erreichen. Gleiches ist auch
in Gebäudenmöglich: Auchwenn die Struktur, das
Aussehen des Gebäudes individuell ist, so muss
doch jedes Gebäude geheizt, klimatisiert werden.
Nutzer haben ähnliche Anforderungen undwürden
sicherlich zur Energieeffizienz beitragen, wenn
ihnen gut gestaltete Schnittstellen zur Gebäude-
technik die Möglichkeit dazu geben.
Der EBZ-Neubau
Am EBZ und an der EBZ Business School ist man
davon überzeugt, dass die Informationstechnik
zukünftig die Betriebsführung von Gebäuden auf
eine völlig neueGrundlage stellenwird. Die daten-
technische Integration als Grundvoraussetzung er-
möglicht einen gut abgestimmtenBetrieb einzelner
Anlagenteile, der sich an den Anforderungen der
aktuellen Gebäudenutzung orientiert. Der Faci-
litymanager erhält eine hohe Transparenz über die
Gebäudeperformance, die permanente Diagnose
erlaubt eine schnelleReaktion, wenn diese durch ei-
nenDefekt vonKomponenten sinkt. Hierzumüssen
Informationen schnell aufbereitet und in einer gut
zu interpretierenden Form zur Verfügung gestellt
werden. Das Smartphonewird für FacilityManager
zum wichtigsten Werkzeug für einen effizienten
Gebäudebetrieb. Änderungen an der Software im
Gebäudemüssen durch den Facilitymanager schnell
umgesetzt werden können, dieWirkung der Ände-
rung muss sich durch entsprechende Programme
schnell analysieren lassen.
Die größte Herausforderung besteht darin, den
Nutzer viel stärker als bisher für einen Beitrag zum
energieeffizientenGebäudebetrieb zu gewinnen. Er
muss verstehen, wie seinVerhalten die Effizienz des
Gebäudes beeinflusst, er braucht ein Feedback, in-
wieweit das aktuelle Raumklima seine Leistungsfä-
higkeit und die Energieeffizienz beeinflusst. Letzt-
lich geht es darum, eine hohe Zufriedenheit aller
Beteiligten zu erreichen und das Potenzial einer
modernen Gebäudetechnik erlebbar zu machen.
Auch hier wird das Smartphone als Schnittstelle
zum Nutzer eine wichtige Rolle spielen.
Eine gut strukturierte und von außen über das In-
ternet zugängliche Gebäudetechnik bildet somit
eine wichtige Voraussetzung, um neue Funktio-
nen, aber auch Dienstleistungen für den Gebäu-
debetrieb zu entwickeln. Der Neubau des EBZwird
dahingehend ausgestattet und als Forschungs-
und Demonstrationsplattform genutzt werden.
Indem die Ergebnisse in die vielfältigen Aus- und
Weiterbildungsaktivitäten des EBZ einbezogen
werden, ist ein schnelles Feedback von Praktikern
möglich und eine Grundlage für die Verbreitung
in der Immobilienwirtschaft gegeben.
Innovation Lab „Smarter Heizungskeller“
Ein erstes Projekt imNeubau des EBZ befasst sich
mit der Digitalisierung des Heizungskellers. Im
Fokus steht dabei die effiziente Wärmeerzeu-
gung und -verteilung im Gebäude. Es kommen
zwei Gaswärmepumpen und ein Spitzenlast-
Brennwertkessel für die Wärmeerzeugung zum
Einsatz. Dabei werden konsequent moderne IT-
Architekturen eingesetzt. Die datentechnische
Integration der Aggregate im Heizungskeller er-
folgt auf Basis des Lemonbeat-Protokolls, wel-
ches seinen Ursprung im Smart-Home-Bereich
hat. Das Gebäudemanagementsystembasiert auf
NiagaraAX, einer Middleware-Plattform, welche
es erlaubt, internetfähige Produkte und Anwen-
dungen zu entwickeln. Es bietet eine Vielzahl von
Vernetzungsmöglichkeiten und erlaubt es, neue
Funktionen einfach (z. T. auf Basis einer grafischen
Oberfläche) zu erstellen.
Sowohl Lemonbeat als auch dieNiagara-Plattform
gehören zu einer neuen Softwaregeneration, die
das Internet-of-Things (IoT) im Fokus haben. Ein
wesentliches Kennzeichen ist, dass dieGebäudema-
nagementprogramme in einer Anwendungsschicht
entstehen, von der aus ein umfassender Zugriff auf
alle standardisierten Kommunikationsobjekte in
der Anlage möglich ist. So wird der Aufwand der
Systemintegration reduziert, der Fokus liegt auf
der Entwicklung von Anwendungen, die über das
Internet erreichbar sind und sich prinzipiell auf
andere Gebäude übertragen lassen. Vorbild dieser
Architekturen ist das Smartphone, bei demsich zu-
sätzliche Funktionen in FormvonApps in das Gerät
bzw. hier in das Gebäude laden lassen. In einem
ersten Schritt werden umfangreiche Monitoring-
funktionen und Möglichkeiten zur Steuerung der
Anlagentechnik implementiert. Sie vernetzt den
Heizkessel, die Pumpen und die Sensorik/Aktorik im
Gebäude. Anschließendwerden Effizienzindikato-
ren entwickelt, die es erlauben, die Energieeffizienz
des Gebäudes schnell zu bewerten.
Das Projekt beschränkt sich nicht nur auf die Er-
richtung des „smarten Heizungskellers“, sondern
eswird vor allem in der Betriebsphase des Gebäudes
die Regelungstechnik kontinuierlich optimiert und
hinsichtlich der Diagnosemöglichkeiten sowie der
Anwenderschnittstelle erweitert. Nicht zuletzt die
Nutzung des „smarten Heizungskellers“ als fester
Bestandteil der Ausbildung und Forschung amEBZ
macht es zu einem in dieser Form bundesweit ein-
maligen Projekt.
Da die Informationstechnik künftig die Betriebsführung von Gebäuden auf eine völlig
neue Grundlage stellt, wird der Neubau u. a. einen smarten Heizungskeller aufweisen
Quelle: EBZ
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