WIRTSCHAFT_UND_WEITERBILDUNG 06/2016 - page 64

grundls grundgesetz
Boris Grundl
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wirtschaft + weiterbildung
06_2016
Das perfekte Meeting: Kaum eitelkeitsgeschwän-
gertes Gequatsche. Jeder dient dem übergeord-
neten Ziel. Starke Persönlichkeiten akzeptieren
Kritik ohne Groll. Jeder erkennt überzeugende Vor-
schläge anderer an. Ein Traum? Ja, denn sicher ken-
nen Sie Meetings mit gegenläufiger Dynamik: Emo-
tional aufgeblasene Ausredenarien vertreiben das
Ringen um kraftvolle Ideen. Das Einzelmotiv „recht
haben“ dominiert das Gruppenmotiv „beste Lösung
finden“. Schließlich sind mehr Lustlosigkeit und Ver-
antwortungsverweigerung im Raum als Inspiration
und Zukunftsfreude. Keine Sorge. Dieses Trauma
teilen viele. Doch warum kommt es noch so oft vor?
„Menschen sind halt so“, höre ich voll Resignation
in Führungsseminaren. Das Schulterzucken ist ganz
schön heftig angesichts dieser Verschwendung von
Zeit, Energie und Geld. Ich bin da anderer Meinung.
Es gibt eine Brücke zwischen beiden Extremen.
Wenn man versteht, welche Motive eine Zusam-
menkunft zum Affenmeeting machen, kann man sie
beseitigen. Ja, sogar transformieren. Meeting-Kul-
turen spiegeln oft Unternehmenskulturen. Schauen
Sie sich die Typen an, die herumbrüllen, sich auf die
Brust trommeln und die Zähne fletschen: Dominanz
durch Aggressivität. Oder andere, die süffisant
stichelnd Unfrieden stiften. Sie laufen besonders
zur Hochform auf, wenn Dinge schiefgelaufen
sind. „Hätte man mich mal gefragt“, tönt dann ihre
Lieblingsselbstbeweihräucherung. Diese und viele
andere lähmende Verhaltensweisen entspringen
einer gemeinsame Quelle: mangelndem Selbstwert-
gefühl.
Der Wert, den ich mir selbst beimesse, ist idealer-
weise stabil und von einer gesunden Einschätzung
der eigenen Möglichkeiten und Grenzen getragen.
Wer um seinen tatsächlichen Wert weiß und ihn
anerkennt, kann über sich selbst hinausdenken und
Größerem dienen. Ohne Angst, dabei auf der Stre-
cke zu bleiben. Sogar beißende Kritik ist dann keine
Selbstwertnagelprobe mehr. Deshalb nannte Natha-
niel Branden das Selbstwertgefühl „Immunsystem
des Bewusstseins“ und beschrieb sechs Säulen,
auf denen es fußt:
1.
bewusst leben
2.
sich selbst annehmen
3.
eigenverantwortlich leben
4.
sich selbstsicher behaupten
5.
zielgerichtet leben
6.
persönliche Integrität besitzen.
Logisch einleuchtend zwar, aber sicher alles andere
als einfach zu leben. Menschen, die diese Säulen
mangelhaft entwickelt haben, kompensieren diesen
innerlichen Mangel auf vielfache Weise. Dominanz
kann förderlich oder hinderlich sein. Wird Dominanz
zum Zwang, spielt sicher Minderwert mit. Das gilt
auch für Aktivität (Aktionismus), Passivität (Ver-
meidungsverhalten) oder überzogenen
Ehrgeiz. Wer das Misslingen anderer
genießt, fühlt sich kurzzeitig größer als
die Gescheiterten. Jetzt kennen Sie den
Grund. Er kompensiert seinen gefühlten
Minderwert.
Spätestens jetzt wird klar, dass wir alle gelegentlich
in diese Selbstwertfalle tappen. Also fragen Sie sich
in ruhigen Stunden immer mal wieder: Wann kom-
pensiere ich mit welchem Verhalten? Und was kom-
pensiere ich? Wie kann ich mich daraus befreien?
Anschließend genießen Sie Ihren steigenden Selbst-
wert und die zunehmend positivere Wirkung auf
andere. Was für ein befreiendes Geschenk.
Paragraf 46
Steigere den eigenen
Selbstwert
Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden.
Grundl gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein neues Buch heißt: „Mach mich glücklich. Wie Sie das bekommen,
was jeder haben will“ (Econ Verlag 2014, 246 Seiten, 18 Euro). Boris Grundl beweist, wie leicht und schnell das Verschieben von Verantwortung in eine
zerstörerische Sackgasse führt und die persönliche Weiterentwicklung und damit Glück verhindert.
Das Einzelmotiv ‚recht haben wollen‘
dominiert in Meetings oft das
Gruppenmotiv ‚beste Lösung finden‘.
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