WIRTSCHAFT_UND_WEITERBILDUNG 06/2016 - page 60

messen und kongresse
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wirtschaft + weiterbildung
06_2016
ellen Boni deutlich über 50 Prozent lag,
modifizieren. Doch dann entschied sich
die Geschäftsleitung für eine radikale Um-
stellung: Der individuelle Bonus wurde
für alle 20.000 Führungskräfte weltweit
abgeschafft. Die Auszahlung der Bonus-
summe (die konstant blieb) wird jetzt an
die Erreichung der Unternehmens- und
der Geschäftsbereichsziele geknüpft.
„Hätte HR allein gehandelt, wären wir
diesen radikalen Schritt nicht gegangen.
Aber unser CEO, der inhaltlich mitdis-
kutierte, war hier viel entschiedener“, so
Schirmer. Die Leistungsdifferenzierung
zwischen den Führungskräften findet
im neuen System über die Grundgehäl-
ter statt. „Sonst hat jeder Chef nur gute
Mitarbeiter.“ Die individuellen Zielvorga-
ben, die weiterhin in den Mitarbeiterge-
sprächen verabredet werden, sollen sich
stärker an den größeren Geschäftszielen
orientieren.
Dass die DGFP einer der Treiber beim
Thema „Integration der Flüchtlinge in
den Arbeitsmarkt“ ist, wurde auf dem
Kongress deutlich. Raimund Becker, Vor-
standsmitglied der Agentur für Arbeit,
gelang es eindrucksvoll, ein Gesamtbild
der Situation zu zeichnen. 70 Prozent
der Flüchtlinge seien unter 30 Jahren, die
möglichst schnell in das Berufsbildungs-
system integriert werden müssten. Über
die Agentur für Arbeit wurden dazu be-
reits 230.000 Sprachkurse organisiert. Bei
der Qualifizierung der Flüchtlinge stehe
das Land aber vor neuen Herausforderun-
gen, da 80 Prozent über keinen formel-
len Abschluss verfügten. „Bei der Kom-
petenzfeststellung kann uns HR helfen“,
sagte Becker. Der Kongress diskutierte
über die unterschiedlichen Wege der In-
tegration in den Arbeitsmarkt, aber auch
über die Hürden. „Viele wollen keine
Ausbildung machen, sondern möglichst
schnell Geld verdienen, das sie an ihre Fa-
milien schicken können“, berichtete Ha-
rald Löhlein vom Paritätischen Gesamt-
verband. Ein weiteres Hindernis sei aber
auch der Förderungsdschungel. „Das ist
besser geworden, doch die Broschüre mit
den Programmen umfasst immer noch 90
Seiten“, so Löhlein.
Erneuerungskurs fortgesetzt
Mit dem diesjährigen Kongress setzte die
DGFP ihren Erneuerungskurs fort. Die
Locations waren gut gewählt, mit inter-
aktiven Formaten wie der Abstimmung
zum Leadership-Award oder auch dem
Sammeln von Publikumsfragen über die
Kongress-App (sehr gut!) präsentierte die
DGFP ihre digitale Kompetenz und den
Willen zur Modernisierung. Früher als
die Mitbewerber hat die DGFP jetzt die
Zukunftsthemen „Digitalisierung“ und
„Flüchtlinge“ besetzt. Die DGFP präsen-
tierte sich innovativ, konnte aber ihr alt-
backenes Image nicht ganz abschütteln.
Eine Schwachstelle war die Mobilisierung
der Mitglieder: An beiden Tagen wurden
nach Angaben des Veranstalters 300 Teil-
nehmer gezählt. Diese geringe Teilneh-
merzahl hat zwei Ursachen: Zum einen
ist die DGFP immer noch mit der Reorga-
nisation beschäftigt, sodass die Kongress-
planung nicht den notwendigen Vorlauf
hatte. Zum anderen haftet dem Verband
nach wie vor ein verstaubtes Image an,
obwohl man sich in Berlin überraschend
modern und innovativ präsentierte.
Reiner Straub
Der Diskussion um die Auswirkungen
der Digitalisierung gab Christian Illek,
Personalvorstand der Deutschen Tele-
kom, einen deutlichen Impuls. Und er
forderte die versammelten HR-Profis auf:
„Um auf Augenhöhe mit den Führungs-
kräften reden zu können, müssen wir das
Geschäft verstehen“. Die Geschäftsstrate-
gie der Telekom erfordere zwei ganz un-
terschiedliche Organisationsmodelle, die
nebeneinander existieren müssten. Dabei
lehnte er sich an das Modell der „Ambi-
dextrie“ an. Während das Bestandsge-
schäft mit den traditionellen Führungsin-
strumenten (Zielvorgaben und Kontrolle)
gemanagt werden müsse, brauche das
Innovationsgeschäft neue Führungssys-
teme. Selbstorganisation, Agilität oder
Inspiration seien dafür die Kennzeichen.
Neues Boni-System bei Bosch
Sehr gut kamen beim Publikum auch
die 14 Breakout-Sessions an, in denen
konkrete Fallbeispiele der HR-Arbeit
diskutiert wurden. Die Themen hießen:
Kompetenzmodelle, Agilität, Analytics,
Kulturwandel, Start-ups und Vergütung.
Uwe Schirmer, Leiter Grundsatzfragen
Personal bei Robert Bosch, gab beispiels-
weise einen Einblick, warum und wie
Bosch sein Vergütungssystem radikal um-
gebaut hat. Ausgangspunkt der Verände-
rung war die Beobachtung, dass in Mitar-
beitergesprächen kein offenes Feedback
stattfindet, da das Gespräch gleichzeitig
über den jährlichen Bonus entscheidet.
„Viele Führungskräfte neigten dazu, nur
gute und sehr gute Feedbacks zu geben.“
Die HR-Abteilung wollte das bestehende
System, bei dem der Anteil der individu-
DGFP besetzt aktuelle
Themen
DGFP.
Ende April 2016 fand in Berlin das diesjährige Jahrestreffen der Deutschen
Gesellschaft für Personalführung e.V. statt. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen „die
Führung in der Arbeitswelt von morgen“ und „die Integration von Flüchtlingen in den
deutschen Arbeitsmarkt“.
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