Auch das noch
Zugebissen
Ein vorwitziger Esel und ein zu schwacher Zaun waren die zentralen Punk-
te in einem Fall, den das LG Gießen auf dem Tisch hatte. Der Fahrer eines
Sportwagens aus dem Hause McLaren – Farbe: Möhren-Orange – wen-
dete sein sündhaft teures Gefährt in der Nähe einer Weide, auf der be-
treffender Esel graste. Just als sich der Wagen mit dem Heck unmittelbar
am Drahtzaun befand, lehnte sich das Tier über diesen, drückte den Zaun
nach außen und biss zweimal herzhaft in den Heckspoiler des Boliden.
Den Schaden von knapp 5.200 EUR wollte der PS-Freund nicht auf sich
sitzen lassen und zog gegen den Halter des Vierbeiners vor Gericht.
„Klarer Fall von Tierhalterhaftung“, sagte das LG Gießen (Urteil v. 8.5.2017,
4 O 110/17) und sprach den Schadensersatz zu. In den unvermittelten
Bissen habe sich gerade die tierische Unberechenbarkeit verwirklicht und
dieses unberechenbare Verhalten habe sich in dem Schaden am Fahrzeug
niedergeschlagen. Ein Mitverschulden des Sportwagen-Fahrers sah das
Gericht nicht. Vielmehr habe es der Esel-Halter versäumt, den Zaun so zu
gestalten, dass Dritte durch das Tier nicht gefährdet werden.
Ob der Esel den rasanten Flitzer für eine überdimensionale Möhre hielt
oder sich vom Motorenlärm gestört fühlte, blieb vor Gericht offen.
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IMPRESSUM
Der Verwalter-Brief
mit Deckert/Elzer kompakt
ISSN: 2190-4006
Best.-Nr.: A06436VJ
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Schlusslicht
Mat.-Nr. 06436-4090
Der nächste Verwalter-Brief erscheint am 13.05.2019.
Standpunkt
Dr. Dr. Andrik Abramenko, Idstein
Rolle rückwärts
Bislang hielt man die Frage, wer gegen Beein-
trächtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums vorgehen darf,
für höchstrichterlich entschieden: Ging es um Wiederherstellungs-,
insbesondere um Schadensersatzansprüche, war die WEG als Ver-
band zur Anspruchsdurchsetzung befugt, bei Unterlassungs- und
Beseitigungsansprüchen (vorbehaltlich einer Vergemeinschaf-
tung) jeder einzelne Wohnungseigentümer. Aber was sollte ge-
schehen, wenn eine Beeinträchtigung, im nun entschiedenen Fall
der Einbau von Dachflächenfenstern, sowohl als Beschädigung des
Gemeinschaftseigentums Schadensersatzansprüche wie auch Be-
seitigungsansprüche auslöste? Der BGH gab seine frühere Linie,
die Geltendmachung von Wiederherstellungsansprüchen immer
Zitat
Es hört doch jeder nur, was er versteht.
Johann Wolfgang v. Goethe (1749 – 1832), deutscher Dichter
und Naturforscher
Cartoon
der Gemeinschaft zuzuweisen, mit der Begründung auf, dass
hierdurch die an sich erwünschte Rechtsverfolgung des einzelnen
Wohnungseigentümers erheblich beeinträchtigt wäre.
Dieser Mut zur Neuorientierung verdient Anerkennung und Zu-
stimmung. Die Übertragung von Befugnissen auf die Gemein-
schaft nahm bisweilen schon ein beängstigendes Ausmaß an.
Endlich verdeutlicht der BGH wieder, dass auch das Gemein-
schaftseigentum den Wohnungseigentümern gehört und dass
diese zuallererst für seinen ordnungsgemäßen Zustand verant-
wortlich sind. Allerdings ist mit dieser Rolle rückwärts ein er-
hebliches Umdenken verbunden: Ansprüche auf Beseitigung von
Störungen des gemeinschaftlichen Eigentums (namentlich von
baulichen Veränderungen) werden üblicherweise mit Schadens-
ersatzansprüchen konkurrieren, da Beseitigung und Naturalresti-
tution eben sachlich zumindest teilweise dasselbe Ziel verfolgen.
Anders als der BGH annimmt, wird die Ausübungs- und Prozess-
führungsbefugnis des einzelnen Eigentümers nicht die Ausnah-
me bleiben, sondern zur Regel werden.