Verwalterbrief 4/2019 - page 9

Deckert/Elzer kompakt
Die Eigentumswohnung
Entscheidung
des Monats
Schadensersatz – Gemeinschafts-
bezogen, aber nicht immer!
Schadensersatzansprüche, die auf die
Verletzung des gemeinschaftlichen
Eigentums gestützt werden, kann ein
einzelner Wohnungseigentümer einkla-
gen, wenn und soweit sie in Anspruchs-
konkurrenz zu Beseitigungsansprüchen
aus dem Miteigentum an dem Grund-
stück nach § 1004 Abs. 1 BGB stehen.
BGH, Urteil v. 26.10.2018, V ZR 328/17
Der Fall:
Wohnungseigentümer B lässt eigenmächtig
im Bereich seines Sondereigentums Dach-
flächenfenster einbauen. Wohnungseigen-
tümer K klagt gegen B auf Beseitigung der
Dachflächenfenster und Wiederherstellung
des Daches. Nach Erhebung der Klage ver-
gemeinschaften die Wohnungseigentümer
per Beschluss ihre Rechte auf Störungsbesei-
tigung. Die Gemeinschaft der Wohnungsei-
gentümer geht dann allerdings nicht gegen
B vor. K behauptet, die Wohnungseigentü-
mer hätten ihre Rechte nur vergemeinschaf-
tet, um seine Klage zu vereiteln und einen
Rückbau zu verhindern.
Das Amtsgericht (AG) verurteilt B antrags-
gemäß. Auf die Berufung des B weist das
Landgericht (LG) die Klage hingegen als
unzulässig ab. Zur Durchsetzung eines auf
Naturalrestitution gerichteten Schadenser-
satzanspruches sei nur die Gemeinschaft
der Wohnungseigentümer prozessführungs-
befugt. Dies gelte auch für den konkurrie-
renden Anspruch auf Störungsbeseitigung
mit dem Inhalt der Beseitigung und Wieder-
verschließung des Dachs.
Das Problem:
Zentrales Problem des Falles ist die Frage,
ob ein Wohnungseigentümer individuell
neben der bloßen Störungsbeseitigung (=
Entfernung der Fenster) auch Naturalresti-
tution (= Wiederverschließung des Dachs)
verlangen kann. Dies wäre im Fall zum ei-
nen ausgeschlossen, wenn es sich bei dem
Anspruch auf Naturalrestitution um ein „ge-
meinschaftsbezogenes Recht“ handeln wür-
de, und zum anderen, wenn der Beschluss,
die Rechte der Wohnungseigentümer auf
Störungsbeseitigung zu vergemeinschaften,
wirksam wäre.
So hat der BGH entschieden:
1. Das Ergebnis
Ein Wohnungseigentümer kann neben der
bloßen Störungsbeseitigung (= Entfernung
der Fenster) auch Naturalrestitution (= Wie-
derverschließung des Dachs) verlangen, so
der BGH. Der (Gesamt-)Anspruch ist also
nicht „gemeinschaftsbezogen“. Um zu klä-
ren, ob der Beschluss, die Rechte der Woh-
nungseigentümer auf Störungsbeseitigung
zu vergemeinschaften wirksam ist, gibt der
BGH den Fall hingegen an das LG zurück.
Dieses soll klären, ob die Vergemeinschaf-
tung wirksam ist.
2. Kein gemeinschaftsbezogenes Recht
Im Grundsatz sei das Recht, Störungsbeseiti-
gung zu verlangen, nicht gemeinschaftsbe-
zogen, während das Recht, Schadensersatz
zu verlangen, gemeinschaftsbezogen sei.
Bestünde aber eine Anspruchskonkurrenz,
was der Fall sei, wenn ein Wohnungseigen-
Entscheidung des Monats:
WEG-Rechtsprechung kompakt
Schadensersatz – Gemeinschafts-
bezogen, aber nicht immer!
Liebe Leserin,
lieber Leser,
die WEG-Reform hat uns die sehr komplizierte
Bestimmung des § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG be-
schert. Sie lautet: „Sie (Die Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer, Anm. d. Autors) übt die
gemeinschaftsbezogenen Rechte der Woh-
nungseigentümer aus und nimmt die gemein-
schaftsbezogenen Pflichten der Wohnungsei-
gentümer wahr, ebenso sonstige Rechte und
Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit
diese gemeinschaftlich geltend gemacht wer-
den können oder zu erfüllen sind.“
Ich kenne niemanden, der auf den ersten Blick
versteht, was hier angeordnet ist, und der die
Regelung ohne Weiteres anzuwenden weiß.
Jedenfalls ist klar, dass es „gemeinschaftsbe-
zogene Rechte“ gibt. Welche das genau sind,
versucht die Rechtsprechung seit Jahren zu
klären. Dabei schlägt sie mitunter Kapriolen. In
dem Urteil, das wir diesmal zur Entscheidung
des Monats gemacht haben, kassiert der Bun-
desgerichtshof z. B. eine Rechtsprechung, die
erst seit Kurzem auf dem „Markt“ war. Jeder
Verwalter sollte die Entscheidung kennen und
beachten.
Herzlichst
Ihr
Dr. Oliver Elzer
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