Der Verwalter-Brief 10/2017 - page 9

Deckert/Elzer kompakt
Die Eigentumswohnung
Entscheidung
des Monats
Erfüllung öffentlich-rechtlicher
Anforderungen
Es gehört zum plangerechten Zustand
eines Teileigentums, dass die öffent-
lich-rechtlichen Anforderungen an
einen Aufenthaltsraum erfüllt sind.
Dafür erforderliche Maßnahmen am
gemeinschaftlichen Eigentum, etwa
die vorgeschriebene Herstellung eines
zweiten Rettungsweges, entsprechen
ordnungsmäßiger Verwaltung und
können gemäß § 21 Abs. 4 WEG bean-
sprucht werden.
BGH, Urteil v. 23.6.2017, V ZR 102/16
Der Fall:
K ist Sondereigentümer von Räumen im Kel-
lergeschoss, die nicht zu Wohnzwecken die-
nen. Die Räume werden im Aufteilungsplan
als „Keller“ bezeichnet. Weiter bestimmt die
Gemeinschaftsordnung, dass Teileigentum
„nur zu baurechtlich zulässigen gewerbli-
chen Zwecken genutzt werden“ darf. Bau-
ordnungsrechtlich ist es K verboten, seine
Räume zu Aufenthaltszwecken zu gebrau-
chen. K will das ändern. Dazu muss nach
der einschlägigen Landesbauordnung ein
zweiter Rettungsweg geschaffen werden.
K beantragt vor diesem Hintergrund auf
einer Versammlung u. a., diesen zweiten
Rettungsweg herzustellen. Der Antrag findet
keine Mehrheit. K greift diesen Negativ-
beschluss an. Die Klage hat bei Amts- und
Landgericht keinen Erfolg. Mit der Revision
verfolgt K seine Anträge weiter.
Das Problem:
Zentrales Problem ist die Frage, ob und wann
ein Wohnungs- oder/und Teileigentümer
verlangen kann, dass die Wohnungseigen-
tümer in das gemeinschaftliche Eigentum
eingreifen, um öffentlich-rechtliche Anfor-
derungen zu erfüllen.
So hat der Bundesgerichtshof
entschieden:
1. Das Ergebnis
Der BGH ist der Ansicht, dass grundsätzlich alle
Wohnungseigentümer verpflichtet sind, öf-
fentlich-rechtliche Anforderungen zu erfüllen.
2. Anspruch auf Herstellung des
zweiten Rettungsweges
Da die Bezeichnung „Teileigentum“ für die
Räume des K jede gewerbliche Nutzung
zulasse, sei dort ein Gebrauch erlaubt, der
– wie etwa ein Gebrauch als Büro – bauord-
nungsrechtlich nur in Aufenthaltsräumen zu-
lässig wäre, also in Räumen, die zum nicht
nur vorübergehenden Aufenthalt von Men-
schen bestimmt oder geeignet seien. Dem-
zufolge gehöre es (vorbehaltlich weiterer
vereinbarter Nutzungsbeschränkungen) zum
plangerechten Zustand eines Teileigentums,
dass die öffentlich-rechtlichen Anforderun-
gen an einen Aufenthaltsraum erfüllt seien.
Dafür erforderliche Maßnahmen am gemein-
schaftlichen Eigentum – wie die bauordnungs-
rechtlich vorgeschriebene Herstellung eines
zweiten Rettungsweges – entsprächen re-
gelmäßig ordnungsmäßiger Verwaltung und
könnten von einzelnen Wohnungseigentümern
gemäß § 21 Abs. 4 WEG beansprucht werden.
3. Keine entgegenstehenden
Gebrauchsvereinbarungen
Gebrauchsvereinbarungen der Wohnungs-
eigentümer, die dem Herstellungsanspruch
Liebe Leserin,
lieber Leser,
eine Vielzahl öffentlich-rechtlicher Vorschriften
richtet Anforderungen an eine Wohnungsei-
gentumsanlage. Vorschriften des Bundes- und
des Landesbaurechts (Bauplanungs- und
Bauordnungsrecht) gelten in der Regel dem
gemeinschaftlichen Eigentum, etwa Stell- oder
Spielplätzen, können aber auch Anforderungen
an das Sondereigentum richten. Öffentlich-
rechtliche Vorschriften zum Brandschutz gelten
in der Regel dem gemeinschaftlichen Eigen-
tum und dem Sondereigentum.
Verstoßen die Wohnungseigentümer gegen
öffentliches Recht, ist das rechtswidrig. Der
Staat kann dann durch einen Verwaltungsakt
anordnen, dass das öffentliche Recht befolgt
wird. Aber wie ist es umgekehrt? Kann ein
Wohnungseigentümer von den anderen die
Erfüllung der Bestimmungen des öffentlichen
Rechts verlangen? Etwa – wie im Fall, der der
Entscheidung des Monats zugrunde liegt – ein
Teileigentümer die Errichtung eines Rettungs-
weges? Und wie geht das? Und wer zahlt? Die
Antworten hierauf gibt der Bundesgerichtshof.
Seine Entscheidung sollte jedem Verwalter
bekannt sein.
Herzlichst
Ihr
Dr. Oliver Elzer
Entscheidung des Monats:
WEG-Rechtsprechung kompakt
Erfüllung öffentlich-rechtlicher
Anforderungen
1,2,3,4,5,6,7,8 10,11,12
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