Der Verwalter-Brief 10/2017 - page 10

entgegenstehen könnten, seien nicht ersicht-
lich. Mit der Formulierung, wonach die Räu-
me „nicht zu Wohnzwecken dienten“, werde
nicht festgelegt, dass die Räume lediglich
als Keller- oder Lagerraum genutzt werden
dürften. Und auch die Bezeichnung der Räu-
me als „Räume im Kellergeschoss“ erschöpfe
sich in einer räumlichen Beschreibung. Eine
Gebrauchsvereinbarung lasse sich auch nicht
aus der Bestimmung entnehmen, wonach die
Gewerbeflächen zu „baurechtlich zulässigen
gewerblichen Zwecken genutzt werden“ dürf-
ten. Zwar sei eine Nutzung des Teileigentums
als Aufenthaltsraum wegen des fehlenden
zweiten Rettungswegs bauordnungsrechtlich
unzulässig. Daraus ergebe sich aber nicht, dass
das Teileigentum generell nur als Keller- oder
Lagerraum dienen könne.
4. Keine Entscheidungsreife
Die Sache sei allerdings noch nicht zur Ent-
scheidung reif. Zwar stehe fest, dass K die
Schaffung eines zweiten Rettungsweges ver-
langen könne; auch könne er verlangen, dass
gegebenenfalls weitere brandschutzrechtliche
Vorgaben im Bereich des gemeinschaftlichen
Eigentums erfüllt werden. Der Negativbe-
schluss hätte aber eine bestimmte Ausführung
zum Gegenstand gehabt. Da den Wohnungs-
eigentümern bei der Schaffung des zweiten
Rettungsweges grundsätzlich ein Ermessen
zustehe, könnte K‘s Klage nur dann Erfolg ha-
ben, wenn die beantragte Herstellungsweise
die einzig mögliche Ausführung darstelle (Er-
messensreduktion). Ob es Alternativen gebe,
sei bislang nicht aufgeklärt.
Das bedeutet für Sie:
1. Anspruch auf Erfüllung öffentlich-
rechtlicher Anforderungen
Der BGH klärt erneut, dass jeder Wohnungsei-
gentümer nach § 21 Abs. 4 WEG einen – un-
verjährbaren – Anspruch auf die Erfüllung der
Anforderungen hat, die das öffentliche Recht
an das gemeinschaftliche Eigentum einer
Wohnungseigentumsanlage richtet.
Der Fall ist bereits der Dritte aus jüngerer
Zeit, in dem es darum ging, in einer Woh-
nungseigentumsanlage öffentlich-rechtli-
che Anforderungen zu erfüllen.
Im ersten Fall fehlte durch Verschulden
des Bauträgers ein Stellplatz. Der BGH
entschied, dass jeder Wohnungseigentü-
mer nach § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG
grundsätzlich verlangen könne, dass das
gemeinschaftliche Eigentum plangerecht
hergestellt werde, da unter Instandset-
zung auch die erstmalige Herstellung
des gemeinschaftlichen Eigentums zu
HINWEIS:
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Deckert/Elzer kompakt
2. Umsetzung
Der Fall ist ein Paradebeispiel dafür, dass ein
Wohnungseigentümer einen Anspruch haben
kann – hier auf Errichtung eines zweiten Ret-
tungsweges – und dennoch elementar auf die
anderen Wohnungseigentümer angewiesen
ist. Denn alle Eigentümer gemeinsam müs-
sen klären, wie dem Anspruch genügt wird.
Zu klären ist u. a. – am Beispiel Rettungsweg
– Folgendes:
Wann genau wird der Rettungsweg herge-
stellt?
Wer stellt den Rettungsweg her?
Wie wird der Rettungsweg hergestellt?
Welche Mittel werden für die baulichen
Maßnahmen eingesetzt?
Bedarf es vorher eines Gutachtens? Wer
erstellt das? Wer schließt mit dem Sach-
verständigen einen Vertrag? Welche Mittel
werden eingesetzt?
Sind die Interessen vermietender Woh-
nungseigentümer zu berücksichtigen? Müs-
sen die §§ 555b ff. BGB beachtet werden?
Für all diese Entscheidungen haben die Woh-
nungseigentümer jeweils ein Ermessen. Die
Ermessensausübung muss der Verwalter durch
Einholung von Angeboten begleiten. Er schul-
det aber auch Informationen und muss den
Prozess moderieren und begleiten.
3. Ansprüche gegen den Bauträger
Bestand eine Anforderung des öffentlichen
Rechts bereits bei Errichtung der Anlage
durch einen Bauträger – so war es bei allen
drei bislang vom BGH entschiedenen Fällen
– besaßen die Wohnungseigentümer als Er-
werber Mängelrechte aus den Bauträgerver-
trägen. Die aktuellen Fälle zeigen, dass den
Wohnungseigentümern diese Ansprüche wohl
nicht bewusst waren oder sind.
Der Verwalter sollte die Fälle zum Anlass neh-
men, den Wohnungseigentümern bei einer
vom Bauträger errichteten Wohnungseigen-
tumsanlage vorzuschlagen, gleich nach Bezug
durch einen Bausachverständigen auf Kosten
der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
klären zu lassen, ob der Bauträger den Anfor-
derungen des öffentlichen Rechts genügt hat.
Stellt sich heraus, dass dies nicht der Fall ist,
sollte gemeinsam mit einem versierten Rechts-
anwalt näher geklärt werden, was zu tun ist.
4. Kosten
a) Grundsatz
Grundsätzlich müssen sämtliche Wohnungs-
eigentümer die Kosten für die Erfüllung der
bauordnungsrechtlichen Anforderungen an
das gemeinschaftliche Eigentum nach dem
Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile tragen
(§ 16 Abs. 2 WEG).
b) Vereinbarung
Etwas anderes kann vereinbart sein. In aller Re-
gel wird aber ein einzelner Wohnungseigentü-
mer nicht gezwungen sein, die Kosten dafür zu
tragen, dieWohnungseigentumsanlage erstmalig
in einen ordnungsmäßigen Zustand zu versetzen.
Eine anfängliche Mängelbeseitigung ist grund-
sätzlich von sämtlichen Wohnungseigentümern
zu leisten. Eine entgegenstehende Vereinbarung
meint in der Regel nur Fälle nach erstmaliger
mangelfreier Herstellung des gemeinschaftlichen
Eigentums. Nur eine Mindermeinung vertritt die
Ansicht, dass ein Wohnungseigentümer bereits
für eine Beseitigung der anfänglichen Baumän-
gel zuständig sein kann.
verstehen sei (BGH, Urteil v. 26.2.2016,
V ZR 250/14). Der ordnungsmäßigen
Instandhaltung des gemeinschaftlichen
Eigentums dienten auch Maßnahmen
zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher An-
forderungen. Die Erfüllung der öffent-
lich-rechtlichen Anforderungen an den
Stellplatznachweis sei Aufgabe aller
Wohnungseigentümer.
Im zweiten Fall begehrte ein Wohnungs-
eigentümer die Klärung, was zu tun ist,
um einen bauordnungsgemäßen Zu-
stand des gemeinschaftlichen Eigentums
herbeizuführen. Der BGH entschied, dass
die Klärung in Bezug auf das gemein-
schaftliche Eigentum Sache sämtlicher
Wohnungseigentümer sei (BGH, Urteil v.
9.12.2016, V ZR 84/16). Anders sei es
allerdings für das Sondereigentum. Es sei
grundsätzlich Sache des jeweiligen Son-
dereigentümers, etwaige das Sonderei-
gentum betreffende bauordnungsrecht-
liche Vorgaben auf eigene Kosten zu
erfüllen. Für Maßnahmen am Sonderei-
gentum – z. B. ein vorgeschriebener Ein-
bau einer Toilette und einer Badewanne
bzw. Dusche – bestehe generell keine
Beschlusskompetenz; dies gelte auch
dann, wenn öffentlich-rechtliche Vor-
schriften die Maßnahmen erforderten.
In aller Regel dürften die Wohnungseigentü-
mer nicht wissen, dass der Bauträger bei Er-
richtung der Anlage dem öffentlichen Recht
nicht genügt hat. Es ist daher vorstellbar, dass
auch nach längerer Zeit – nicht länger als zehn
Jahre nach der Abnahme des gemeinschaft-
lichen Eigentums – noch Mängelansprüche
bestehen. Bevor die Wohnungseigentümer
die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforde-
rungen auf eigene Kosten beschließen, sollte
daher auch in älteren Wohnungseigentums-
anlagen geprüft werden, ob der Bauträger
noch einklagbare Pflichten hat.
HINWEIS: MÄNGELANSPRÜCHE PRÜFEN
1,2,3,4,5,6,7,8,9 11,12
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