Personalmagazin 7-2018 - page 105

„Ein Blick ins Gesetz erleichtert die
Rechtsfindung“ Mit diesem Spruch wei-
sen Rechtsprofessoren mitunter süffi-
sant ihre Studenten darauf hin, dass sich
mancher Streit um die richtige Lösung
eines Rechtsproblems durch das Finden
des einschlägigen Gesetzes erübrigt.
„Gut, dass es hier ein Gesetz gibt“, mag
daher auch ein Gedanke sein, der sich
in vielen arbeitsvertraglichen Muster-
verträgen im Abschnitt „Urlaub“ ablesen
lässt. Dort findet sich regelmäßig der
lapidare Satz wieder: „Der Urlaub richtet
sich nach den gesetzlichen Vorschriften“.
Verwiesen wird damit auf das aus 16 Pa-
ragraphen bestehende Bundesurlaubs-
gesetz (BUrlG).
Allerdings zeigt sich gerade am Bei-
spiel dieses BUrlG: Dieser Verweis taugt
nicht dazu, die in einem Arbeitsvertrag
bewusst weggelassenen Einzelheiten im
Gesetz nachzuschlagen und vor allem im
Streitfall zu lösen. Mit einem „Blick ins
Gesetz“ allein lässt sich so gut wie kein
Problem im Zusammenhang mit dem
Urlaub unmittelbar lösen. Die Ursache
dafür liegt darin, dass das BUrlG auf ei-
ner Betrachtung der Arbeitsbedingungen
im Jahr 1963 basiert und seitdem nicht
an moderne Zeiten angepasst wurde.
Missverständlich: Der Werktag
als Ausgangspunkt
Starten wir dennoch den Versuch, un-
seren Verweis auf das BUrlG mit Leben
zu füllen, erleiden wir schon zu Beginn
Schiffbruch. Denn bereits die Ermittlung
des Mindesturlaubs als Untergrenze
kann schwerfallen, heißt es doch lapidar
in § 3 BUrlG: „Der Urlaub beträgt jährlich
mindestens 24 Werktage“.
Festgeschrieben und bis heute nicht
verändert ist damit die Vorstellung des
Gesetzgebers, dass an sechs Tagen in
der Woche gearbeitet wird und eine
Identität zwischen Werk- und Arbeits-
tagen besteht. Heutzutage ist dies jedoch
eine Irreführung des gutgläubigen An-
wenders. Dies hat die Rechtsprechung
schon frühzeitig mit der Feststellung
aufgeklärt, dass der Mindesturlaub in
der fünf-Tage-Woche abweichend vom
Gesetzeswortlaut 20 Tage betrage. Den
Anknüpfungspunkt „Werktag“ versuch-
te das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu-
nächst noch mit einer abenteuerlichen
Konstruktion zu retten. Die Richter
entschieden, dass der Samstag auch bei
einer fünf-Tage-Woche als Urlaubstag
mitzuzählen sei. Bei der Berechnung
des Urlaubsentgelts müsse der Samstag
jedoch ausgespart werden. Ein Beispiel
dazu: Ein Arbeitnehmer, arbeitet in ei-
ner fünf-Tage-Woche und nimmt zwei
Wochen Urlaub. Dafür bekommt er zwölf
Urlaubstage abgezogen, aber nur zehn
Tage vergütet.
Dieses Modell kann jedoch nur dann
funktionieren, wenn mindestens eine
komplette Woche Urlaub genommen
wird. Daher entschied sich das BAG
Als die Welt noch in Ordnung war: In den 60er- und 70er-Jahren passten die Wertungen des Urlaubsgesetzes mit der Realität
zusammen. Heute fällt die Anwendung der Normen schwerer.
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Bundesurlaubsgesetz
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