von Auticon-Geschäftsführer Markus Schwind durch „entwaff-
nende Ehrlichkeit“. So sprechen sie etwa Schwachstellen ohne
Umschweife an. Damit sorgten sie bisweilen zwar für Irritation,
schärften aber auch „das Bewusstsein, aus Fehlern zu lernen
und den Blick immer wieder nach vorn zu richten“, so Schwind.
Ein „Single Point of Contact“ hilft Autisten im
Arbeitsalltag zurechtzukommen
Auticon beschäftigt in Deutschland rund 100 Mitarbeiter, davon
70 Autisten als IT-Consultants. Einige sind derzeit bei Infineon
im Einsatz, um Software zu testen. Damit das möglichst rei-
bungslos funktioniert, werden bestimmte Vorkehrungen getrof-
fen. Um im Interesse der Autisten eine möglichst hohe Stabilität
des Arbeitsumfelds zu gewährleisten, gibt es in jedem Team
einen „Single Point of Contact“, also einen festen Ansprechnpart-
ner. Selbst wenn dieser gerade sehr beschäftigt ist, können die
Autisten ihr Anliegen kurzfristig klären. Lange warten zu müs-
sen, bis die Führungskraft irgendwann einmal Zeit findet, würde
Autisten zu stark belasten.
Eine weitere zentrale Facette des Geschäftsmodells von Auti-
con ist der Job-Coach. Experten wie Sabine Koch betreuen etwa
sechs bis acht Autisten. An sie können sich die Consultants
jederzeit telefonisch, per Mail oder auch Whatsapp wenden.
Umgekehrt ist der Job-Coach regelmäßig bei den Kunden vor
Ort, um Teams und Führungskräfte in der Kooperation mit den
Autisten zu beraten. „Diese Unterstützung ist für uns sehr wert-
voll“, betont Severine Fiegler, im Personalbereich von Infineon
verantwortlich für das Talent-Netzwerk.
Grundsätzlich wird stets darauf geachtet, dass sich Autis-
ten an einem Einzelarbeitsplatz weitgehend ungestört auf ihre
Aufgaben konzentrieren können. Schneidet man zudem die
ihnen übertragenen Aufgaben individuell auf sie zu, wie Fiegler
erläutert, erzielten sie sehr gute Ergebnisse. „Immer wieder sind
Führungskräfte von dem analytischen Denkvermögen angetan,
für das Autisten bekannt sind.“ Offenbar zahlt sich das aus, denn
Infineon gilt als treuer Auticon-Kunde.
Der feste Job bleibt für die meisten Autisten
immer noch eine Ausnahme
Autisten in ein festes Angestelltenverhältnis zu übernehmen
bleibt Fiegler zufolge jedoch die Ausnahme. „Viele bevorzugen
die Anstellung über einen Dienstleister, weil sie von ihm speziell
betreut werden.“ Um keine falschen Hoffnungen zu wecken,
werde der Einsatz von Autisten auch nicht an die große Glocke
gehängt. „Lieber im überschaubaren Rahmen, dafür aber pro-
fessionell“, bringt Fiegler auf einen griffigen Nenner, warum
Infineon mit einem Dienstleister kooperiert statt wie SAP das
Heft selbst in die Hand zu nehmen.
Stabile Beziehungen, größtmögliches Vertrauen: Darauf
kommt es also an – in welcher betrieblichen Konstellation auch
immer. „Alle Kollegen unseres Teams sind für die Autisten
eine feste Konstante“, betont SAP-Personalerin Lawitzke. Zur
Seite stehen Experten vom Integrationsamt und Mentoren, die
sich unterstützt durch regelmäßige Supervision um die Autis-
ten kümmern. Auch das betriebliche Gesundheitsmanagement
bringt sich mit ärztlicher und psychologischer Expertise ein.
Bleibt zu fragen, warum sich nicht auch andere Unternehmen
mit vergleichbaren Ressourcen an die Inklusionsaufgabe heran-
wagen. Unbefriedigende Ergebnisse können es nicht sein: Beim
Vergleich, in welchem Maße konkrete Anforderungen erfüllt
werden, betont Auticon-Chef Schwind, „sind Autisten anderen
IT-Kräften nachweislich voraus“.
Diversity heißt auch, die Stärken des Einzelnen zu erkennen.
WINFRIED GERTZ ist freier Journalist in München.
Er hat sich während seiner Recherche sehr darüber gewundert,
dass so wenige Unternehmen überhaupt Auskunft zum Thema
Integration von Autisten geben wollten.
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Inklusion