Auch wenn das Entgelttransparenz-
gesetz (EntGTranspG) auf den ersten
Blick als Herausforderung für Unterneh-
men erscheint – es ist eine große Chan-
ce. Es lässt sich zum einen hervorragend
dafür nutzen, die eigenen personalpoli-
tischen Steuerungsinstrumente hinsicht-
lich der Entgeltgleichheit zu überprüfen
und weiterzuentwickeln. Und es kann die
Arbeitgebermarke stärken.
Die Skepsis der Unternehmen
Seit Inkrafttreten des Entgelttransparenz-
gesetzes hat die HR-Strategieberatung
Lurse AG zwei Studien zu dessen Wir-
kung in der Praxis durchgeführt. Bereits
nach der ersten Studie im Juli 2017 wur-
de deutlich: Der Weg der Unternehmen
hin zu einer erfolgreichen Umsetzung
würde ein langer werden – zu viele Hür-
den zeichneten sich gleich zu Beginn ab.
Vergleichsgruppen, Entgeltbestandteile,
Medianberechnung, Berichtspflichten,
Auskunftsanspruch, Kommunikation,
Prozessgestaltung – Unternehmen sahen
sich einer wahren Flut an Fragestellungen
gegenüber.
Mehr als 80 Prozent der Befragten be-
klagten dann auch den enormen Aufwand
in der betrieblichen Umsetzung. 75 Pro-
zent der Unternehmen schätzten darü-
ber hinaus, dass sie – basierend auf einer
Entgeltlücke zwischen weiblichen und
männlichen Beschäftigten – gar keinen
Handlungsbedarf haben. Der Start der
Unternehmen mit dem neuen Gesetz war
also nicht der Beste.
Unsicherheiten in der
praktischen Umsetzung
Ein knappes halbes Jahr später, im No-
vember 2017, wollte Lurse herausfinden,
welche Trends und Entwicklungen sich in
der Zwischenzeit ergeben hatten; sprich
wie weit die Unternehmen in der Um-
setzung des Entgeltransparenzgesetzes
gekommen waren. Dementsprechend
wurden erneut Unternehmen aller Bran-
chen und Größen befragt. Die Ergebnisse
spiegelten ein ähnliches Bild wie bereits
die Umfrage ein halbes jahr zuvor – wenn
auch mit einigen Lichtblicken.
So bestand zumindest in einigen
Punkten Klarheit. Bei dem Umgang mit
dem individuellen Auskunftsanspruch
wusste man beispielsweise nun, welche
Entgeltbestandteile bei der Medianbe-
rechnung des durchschnittlichen Brutto-
monatsgehalts Berücksichtigung finden.
Dies waren neben dem Grundgehalt in
der Mehrheit Zulagen, Urlaubsgeld und
Weihnachtsgeld. Nach wie vor besteht
jedoch eine große Herausforderung bei
der Berücksichtigung der unbaren Ent-
geltbestandteile wie Firmenwagen und
betriebliche Altersvorsorge.
Mehr Klarheit hatten die Unternehmen
inzwischen auch bei der Frage, nach wel-
chen Kriterien sie überhaupt gleichwer-
tige Tätigkeiten ermitteln sollten. Und
auch über die Beantwortung der Aus-
kunftsverlangen weiß man mehr: Sie soll
nur in Ausnahmefällen dem Betriebsrat
überlassen werden. Viele Betriebsräte be-
fürworten sogar eher, dass die Arbeitge-
ber selbst die Auskunftspflicht gegenüber
Mitarbeitern wahrnehmen. Zuguterletzt
ist auch klar, dass die Kommunikation
der Ergebnisse gegenüber Mitarbeitern
fast immer (zu 86 Prozent) über die Per-
sonalabteilung erfolgen solle - gerne
schriftlich und gegebenenfalls zusätzlich
im persönlichen Kontakt.
Als roter Faden blieb jedoch: In vie-
len Punkten hatte man noch keine ech-
te Orientierung gefunden. Unsicherheit
herrscht nach wie vor bei der Frage, wie
welche Anpassungen vorzunehmen sind,
falls denn Entgeltdifferenzen bestehen.
Genauso unentschlossen zeigten sich
die Studienteilnehmer bei der Frage, wie
weitreichend und auch wie umfangreich
die Informationen sein sollten, die man
den Mitarbeitern bei Auskünften zukom-
men lassen wollte.
Unterschiedliche Versorgungs-
ordnungen oder Sachbezüge
werden zum Praxisproblem
Wichtigste Erkenntnis aus den beiden
Studien: In den Unternehmen bestand
und besteht weiter Beratungsbedarf. Auf
der Austauschplattform „Lurse Dialog:
„Fragen, Chancen & Strategien zum Ent-
gelttransparenzgesetz“, die Anfang des
Jahres in verschiedenen Städten veran-
staltet wurde, konnten Unternehmen
ganz konkrete Fragen bearbeiten. Und
es zeigte sich schnell, dass bei fast allen
Fragestellungen die Herausforderungen
im Detail liegen. So verfügen beispiels-
weise Unternehmen, die gravierende
organisatorische Veränderungen wie Zu-
oder Verkäufe hinter sich haben, häufig
über keine klar abgrenzbaren Tätigkeiten
oder vergleichbare Vergütungsstruktu-
ren. Dieses Problemmuss dann möglichst
zeitnah über eine Harmonisierung der
Entgeltstrukturen gelöst werden. Fasst
man die aktuelle Situation zusammen,
so muss man konstatieren: Das Gesetz
ist in der momentan gültigen Fassung für
viele Unternehmen nicht mit vertretbaren
Aufwand umsetzbar.
Insbesondere die Berücksichtigung
von unbaren Leistungen beziehungswei-
se Sachleistungen wie beispielsweise der
betrieblichen Altersvorsorge basierend
Fasst man die
aktuelle Situation
zusammen,
zeigt sich: Das
Gesetz ist in
der momentan
gültigen Fassung
für viele Betriebe
nicht mit vertret
barem Aufwand
umsetzbar.
109
Entgelttransparenzgesetz