personalmagazin 9/2017 - page 78

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RECHT
_MASSENENTLASSUNG
personalmagazin 09/17
sie dennoch in der Massenentlassungs-
anzeige anzugeben – sofern jedenfalls
der Zustimmungsantrag in den 30-Tage-
Zeitraum fällt.
Argumente gegen Vorverlagerung
Damit steht die Entscheidung des BAG
ausdrücklich im Widerspruch zum
Wortlaut des Gesetzes. In § 17 KSchG
ist ein Zeitraum von 30 Kalenderta-
gen erwähnt, in den „die Entlassung“
fallen muss. Bestimmt man diese (wie
der EuGH) als den Zeitpunkt des Aus-
spruchs der Kündigung, ist eindeutig,
dass eine Kündigung außerhalb des
30-Tage-Zeitraums – unabhängig von al-
lenmöglichen behördlichen Zustimmun-
gen oder Anträgen auf Zustimmung –
nicht in diese Massenentlassung fällt.
Die Entscheidung des BAG ist bereits
aus dem Grund systemwidrig, da eine
Entlassung durch den Antrag bei der
Behörde noch nicht veranlasst ist. Der
30 Tage – oder auch länger
URTEIL.
Erneut gibt es Zweifel bei Massenentlassungen, da das BAG an bislang klaren
Auslegungen und Fristen rüttelt. Eine Lösung kann der Abbau in Kleingruppen sein.
W
er sich mit Massenentlas-
sungen beschäftigte, war
bislang schon leidgeprüft.
Die Bundesagentur für Ar-
beit (BA) und die Rechtsprechung bauen
hier seit Jahren neue Hürden auf. Daher
war bereits in der Ausgabe 02/2017 des
Personalmagazins das neue Formular
der BA zur Massenentlassung sowie die
Widersprüche, die sich aus diesem erge-
ben, Thema.
Zumindest eine Grundfeste schien
jedoch durch den EuGH geklärt und
weiteren Neuerungen entzogen. So galt
seit der Junk-Entscheidung des EuGH
(27.1.2005, Az. C-188/03) der Zeitpunkt
der Kündigung oder des Abschlusses
eines Aufhebungsvertrags als entschei-
dend für das Vorliegen einer Entlassung
im Sinne des § 17 Kündigungsschutzge-
setz (KSchG). Kommt es also innerhalb
Von
Anne Dziuba
und
Kathrin Bürger
von 30 Kalendertagen zu Entlassungen
in diesem Sinne, deren Anzahl die Gren-
zen des § 17 KSchG übersteigt, so sind
die Vorgaben für Massenentlassungen
zu beachten.
An dieser Auslegung der Entlassung
hat das Bundesarbeitsgericht (BAG)
nach der Vorgabe durch das Bundesver-
fassungsgericht (BVerfG vom 8.6.2016,
Az. 1 BVR 3634/13) nun gerüttelt. Das
BAG stellt nämlich in seiner aktuellen
Entscheidung (Urteil vom 26.1.2017, Az.
6 AZR 442/16) auf den Zeitpunkt des
Antrags auf Zustimmung zur Kündigung
bei der Behörde ab. Im konkreten Fall
hatten die Erfurter Richter zur Kündi-
gung einer Arbeitnehmerin in Elternzeit
entschieden. Danach gilt: Auch wenn
sich der Ausspruch dieser Kündigung
aufgrund des vorher notwendigen Zu-
stimmungsantrags bei der jeweiligen
Behörde derart verzögert, dass sie nicht
mehr in den 30-Tage-Zeitraum fällt, so ist
Kleingruppen unterhalb der
gesetzlichen Schwelle bilden:
So können neue Hürden des
BAG umgangen werden.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
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