personalmagazin 9/2017 - page 85

09/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
bewusst, können sie ihre Stärken in der
Verhandlung am besten ausspielen.
In unvorhergesehenen Situationen müs-
sen sich Introvertierte am stärksten
dehnen. Mit diesen Vorgehensweisen
können sie jedoch die Kontrolle behal-
ten und konstruktiv intervenieren:
• Von einem Vorgesetzten, Kollegen
oder Mitarbeiter mit einem Gespräch zu
einem wichtigen Thema überrumpelt zu
werden, ist für Introvertierte besonders
unangenehm. Sie benötigen Zeit, um
ihren Standpunkte zu entwickeln. Statt
das Gespräch jedoch einfach abzubre-
chen, können Introvertierte ihre Empa-
thie bewusst nutzen. Hören sie zunächst
zu und stellen intelligente Fragen, fühlt
sich der Gesprächspartner ernst genom-
men und verstanden. An diesem Punkt
kann ein Folgetermin zur Erarbeitung
konkreter Lösungen vereinbart werden.
• Für Introvertierte liegt es auch außer-
halb der Komfortzone, Kollegen spontan
bei einem Termin zu vertreten. Das Auf-
treten unvorhergesehener Situationen
lässt sich nicht gänzlich vermeiden. Der
Introvertierte kann jedoch im Anschluss
an solche Situationen Problembewusst-
sein bei seinem extrovertierten Kollegen
erzeugen. Dann kann der Extrovertierte
solche Situationen künftig entschärfen
– beispielsweise durch eine frühzeitige
Kommunikation seiner Verspätung oder
ein Kurzbriefing im Krankheitsfall.
Nicht zerreißen lassen
Dosieren introvertierte Personalmana-
ger die Intensität, mit der sie sich im
Businessalltag dehnen, wachsen sie
kontinuierlich an adäquaten Herausfor-
derungen. Persönliche Entwicklung ge-
schieht nicht in der Komfortzone, aber
auch nicht dort, wo Angst und Panik do-
minieren. Wenn es ein bisschen weh tut,
dann dehnen sie richtig.
Idealen, ergeben sich ganz neue Wege,
die sie typgerecht zum Ziel führen:
• Statt sich permanent von einem Be-
werberinterview zum nächsten zu han-
geln, können Introvertierte durch eine
ausgewogene Tagesplanung, bei der sich
Bewerbertermine und Schreibtischar-
beit abwechseln, leistungsfähig bleiben.
• Statt in jedem Gespräch selbst die
Führung zu übernehmen, können In-
trovertierte die Bewerber durch vorab
gestellte Präsentationsaufgaben mehr
in die Pflicht nehmen, um die eigenen
Energieressourcen zu schonen.
Vorbereitung für mehr Beweglichkeit
Extrovertierten fällt es leichter, mit we-
nig Vorbereitung in ein Gespräch, eine
Präsentation oder eine Verhandlung zu
gehen und nach Bedarf zu improvisie-
ren. Introvertierte fühlen sich hingegen
wohler, wenn sie ihre Beiträge in Ruhe
zu Ende denken können, bevor sie diese
kommunizieren. Sie wollen die Qualität
des Gesagten bestmöglich absichern.
Denkpausen wirken in der Interaktion
jedoch passiv, langsam und unsicher.
Vorbereitung ist daher der entscheiden-
de Trumpf, um in anspruchsvollen Si-
tuationen beweglich zu bleiben und an
Überzeugungskraft zu gewinnen.
Steht beispielsweise ein wichtiges Ge-
spräch mit einem extrovertierten Vorge-
setzten an, benötigen Introvertierte im
Vorfeld eine gute Strategie. Was ist das
bestmögliche Ergebnis, das bei einem
idealen Gesprächsverlauf erreicht wer-
den kann? Genau darauf zielt die rich-
tige Gesprächstaktik ab. Gehen beide
Seiten unvorbereitet in das Gespräch, ist
der Extrovertierte durch seine Improvi-
sationsstärke im Vorteil. Macht sich der
Introvertierte die mangelnde Vorberei-
tung seines Gegenübers jedoch zunutze,
kann er diesen Vorteil ausgleichen.
Es gelingt Introvertierten leichter, das
Gespräch in die eigene Richtung zu len-
ken, wenn sie das Thema zuvor prägnant
aufbereitet und für eine klare Struktur
gesorgt haben. ZusätzlicheBeweglichkeit
verschaffen sie sichmit der Vorbereitung
auf verschiedene Gesprächsszenarien.
Was wird der Vorgesetzte kritisieren?
Auf welche Gegenargumente und kri-
tischen Fragen muss reagiert werden? In
Gesprächen zwischen Vorgesetzten und
Mitarbeitern geht es immer wieder um
die gleichen Fragen, Themen und Ein-
wände. Personalmanager kennen diese
wiederkehrenden Muster bereits aus
standardisiertenMitarbeitergesprächen.
Auch in anderen wichtigen Business-
Situationen lohnt es sich, Zeit in die
Vorbereitung zu investieren – insbeson-
dere, wenn Introvertierte auf Augenhöhe
mit interaktionsstarken Extrovertierten
agieren wollen oder müssen:
• Introvertierten fällt es schwerer, ihre
Beiträge in Meetings zu platzieren. Ein
guter Zug kann es sein, vorab die Initi-
ative zu ergreifen und die eigenen The-
men auf die Agenda setzen zu lassen.
So wird der Einsatz im Meeting nicht
verpasst und kann vorbereitet werden.
• Während Extrovertierte leicht aus
Stichpunkten eine Rede formen, fühlen
sich Introvertierte bei einer Präsentati-
on vor Publikum mit einem geringeren
Maß an Improvisation wohler. Es ver-
leiht ihnen Sicherheit, die Rede vorab
zu schreiben und einzustudieren. Wer
zuvor übt, bekommt ein gutes Gefühl
dafür, ob die Wortwahl passt.
• In Verhandlungen fällt es Introver-
tierten leicht, die Motivation des Ge-
genübers zu verstehen und kooperati-
ve Lösungen zu entwickeln. Während
Extrovertierte zur Dominanz neigen,
verfügen Introvertierte häufig über di-
plomatisches Geschick. Sind sich Intro-
vertierte im Vorfeld über den Wert ihrer
Verhandlungsposition und die Grenzen
des eigenen Verhandlungsspielraums
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SIMONE RECHEL
ist Coach
und Trainerin für Introversion
im Business.
Lösen sich introvertierte
Personalmanager von
extrovertierten Idealen,
ergeben sich für sie
ganz neue Wege für
eine typgerechte Kom-
munikation.
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