Immobilienwirtschaft 10/2017 - page 14

14
MARKT & POLITIK
I
HERAUSFORDERUNGEN
mittelt und ausgewertet werden. Klein-
städtische und ländliche Regionen rücken
zumindest medial zu Großstädten auf.
Möglicherweise wird damit ein erster
Schritt getan, um dem Urbanisierungs
trend und den damit verbundenen ein-
gangs geschilderten Problemen entgegen-
wirken zu können.
Natürlich muss parallel dazu in die
Verkehrsinfrastruktur, insbesondere in
den öffentlichen Nahverkehr investiert
werden. Ein Thema, das auch unter öko-
logischen Aspekten aktueller nicht sein
könnte. Hochverdichtete Ballungsräume,
die an ihre Grenzen bei der Bereitstellung
von bezahlbarem Wohnraum einschließ-
lich sozialer und Verkehrsinfrastruktur
stoßen, können damit entlastet werden.
Das setzt allerdings den politischenWillen
voraus, eine solche Entwicklung nachhal-
tig zu unterstützen.
Der eindimensionale Blick auf den
Wohnungsmarkt im engeren Sinne muss
zum mehrdimensionalen Blick auf ganze
Regionen mit ihrer Infrastruktur werden.
Immobilien für Kindertagesstätten, Schu-
len, Arztpraxen und Gaststätten würden
revitalisiert werden.
Möglicherweise schlägt das Pendel
auch mal wieder zugunsten suburba-
ner Räume aus. Wenn die Infrastruktur
stimmt, dürfte das eine interessante und
volkswirtschaftlich sinnvolle Alternative
sein. Wohnen könnte in dem Fall gleich-
zeitig Headquarter der Informationsge-
winnung undOase der Entspannung sein.
ANFORDERUNGEN AN INVESTOREN
Parallel
dazu sind mit den gesellschaftlichen Ent-
wicklungstrends Digitalisierung und In-
dividualisierung konkrete Anforderungen
an die Wohnimmobilien-Investoren ver-
bunden. Diese Trends erfordern, aus dem
langlebigen Gut Immobilie ein flexibles
Gut zu entwickeln. Das betrifftdie flexible
Nutzung von Räumen durch Vermeidung
hierarchischer Grundrisse. Sämtliche
Wohnräume sollten gleichermaßen Erho-
lungs-, Kommunikations-, Informations-
und Arbeitszwecken dienen.
Die Veränderbarkeit von Grundrissen
durch verschiebbare Trennwände erhöht
die Individualität in der Raumnutzung.
Alternativ kann dem durch Trennwände
in Trockenbauweise Rechnung getragen
werden. Die Option zur Trennung einer
großen Wohnung in zwei kleine kann bei
der Planung von vornherein berücksich-
tigt werden und natürlich auch die umge-
kehrte Variante.
Der barrierearme Zugang ist für alle
Nutzergruppen vorteilhaft. Erste Entwick-
lungstendenzen in diese Richtung lassen
sich bei Neubauvorhaben feststellen,
werden aber bei der Modernisierung von
Bestandsobjekten bisher wenig beachtet.
Damit verbundene höhere einmalige Kos
ten können durch nachhaltige Vermie-
tung bei veränderter Nutzeranforderung
kompensiert werden. Hinzu kommt der
ökologische Effekt, dass Umbauten infolge
veränderter Nutzeranforderungen weni-
ger Ressourcen verbrauchen.
Und trotz aller Individualisierung
unserer Gesellschaft sollte nicht verges-
sen werden, dass der Mensch ein soziales
Wesen ist. Halböffentliche Räume mit der
Schaffung von Vorgärten oder der Ge-
staltung von Innenhöfen bieten Möglich-
keiten für Kommunikation. Die trägt ganz
maßgeblich zur sozialen Stabilität von
Wohnquartieren bei. Mit einem solchen
Gebiet kann man sich identifizieren, für
ein solches Gebiet übernimmt man gerne
Verantwortung.
FAZIT:
Immobilien sind langlebige Ver-
mögenswerte, die wechselnden Nutzer
anforderungen entsprechen müssen.
Umso wichtiger ist es, bei der Planung von
Regionen, Städten und Gemeinden sowie
der einzelnen Immobilie langfristige Ent-
wicklungsperspektiven im Interesse der
Erhaltung und Mehrung der Vermögens-
werte zu berücksichtigen. Das setzt je-
doch einen mehrdimensionalen Blick auf
die gesamtgesellschaftliche Entwicklung
voraus und nicht die einseitige Fokussie-
rung auf einzelne Probleme ausgewählter
Wohnungsmärkte in Ballungsräumen.
«
Prof. Dr. habil. Kerry-U. Brauer, Leipzig
Prof. Dr.
habil. Kerry-U.
Brauer
ist Direktorin
der Staatlichen
Studienakade-
mie Leipzig.
AUTORIN
Durch eine ausreichende Versorgung mit
Breitbandinternet könnte der ländliche Raum
deutlich aufgewertet werden.
1...,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13 15,16,17,18,19,20,21,22,23,24,...116
Powered by FlippingBook