Immobilienwirtschaft 10/2017 - page 8

8 SZENE
Markt & Politik
Frank Peter Unterreiner
Unternehmen beklagen, ihre Mitarbeiter
fänden in den wirtschaftsstarken Städten
keinen Wohnraum mehr – es sei daher
immer schwerer, neue Mitarbeiter zu
bekommen. Beschäftigte müssen teils
aus dem Umland einpendeln, von der im
Wortsinne auf der Strecke gebliebenen
Lebenszeit ganz zu schweigen.
Der Bau von Mitarbeiterwohnungen
wird wieder diskutiert. Im Grunde nichts
Neues, das gab es schon, vor allem zu
Beginn der Industrialisierung und nach
dem Zweiten Weltkrieg. In den vergan-
genen Jahrzehnten haben sich viele Un-
ternehmen von diesen Beständen ganz
oder weitgehend getrennt. Sie haben die
Erlöse in ihr Kerngeschäft investiert und
argumentiert, dass das Bewirtschaften
von Wohnraum nicht dazu gehört.
Diese Argumentation hat nichts von
ihrer Richtigkeit verloren. Deswegen
wäre es klüger, statt eine Renaissance des
Werkswohnungsbaus zu fordern, über
eine Kooperation mit der Immobilien-
wirtschaft nachzudenken. Zum Wohle
beider Seiten. Und bei Mietwohnungen
ebenso wie bei Eigentumswohnungen.
Wenn beispielsweise ein renommiertes,
KOLUMNE
Kooperationen
statt Werks-
wohnungen
Grafik: Immobilienwirtschaft; Quelle: Eurostat / 2017 IW Medien / iwd
Single-Haushalte –
EU: Norden schlägt Süden
Im Schnitt der 28 EU-Länder gab es zuletzt 33 Prozent Einpersonenhaus-
halte, die meisten davon in Schweden. Rund 49 Prozent der Schweden
sind mit ihrer Wohnsituation sehr zufrieden – noch bessere Werte erzielen
lediglich die Finnen, Dänen und Österreicher. In Deutschland gab es 2016
rund 41 Prozent Singlehaushalte. Damit ist der Einpersonenhaushalt der
am häufigsten vertretene Haushaltstyp.
41
FINNLAND
Anzahl der
Singlehaushalte
Angaben in Prozent
52
SCHWEDEN
43
DÄNEMARK
38
ESTLAND
43
LITAUEN
41
DEUTSCHLAND
37
ÖSTERREICH
35
SLOWENIEN
37
NIEDERLANDE
36
LUXEMBURG
solides Unternehmen vom Plan weg das
gesamte Gebäude oder zumindest die
Mehrzahl der Wohnungen für zehn Jah-
re anmietet, dürfte die Bauträgerfinan-
zierung kein Problem und der Verkauf
an den Endinvestor zu einem etwas
höheren Preis möglich sein, schließlich
hat er Planungssicherheit für die Zeit
der Anmietung. Oft scheitert der Bau in
der Stadt an fehlenden oder zu teuren
Grundstücken. Wenn das Unternehmen
sich im Umland genügend Wohnraum
sichert, kann es einen Busshuttle zur
Arbeitsstätte organisieren. Das ist wirt-
schaftlicher, als wenn jeder Mitarbeiter
alleine im Stau steht, umweltfreundlicher
und bequemer. Im Silicon Valley ist das
üblich, die Arbeitszeit beginnt dann oft
schon im Bus mit dem aufgeklappten
Notebook.
Viele Mitarbeiter können sich heute
kein Wohneigentum leisten, weil ihnen
das Eigenkapital von 20 oder 30 Prozent
fehlt. Die monatliche Rate ist dank
niedriger Zinsen weniger das Problem.
Warum stellen Unternehmen kein Mit-
arbeiterdarlehen oder eine Bürgschaft
in Höhe des fehlenden Eigenkapitals zur
Verfügung? Es würde Mitarbeiter mo-
tivieren, binden und sich schon darum
rechnen. Eine Chance – die Wohnungs-
wirtschaft müsste sich nur kümmern.
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