Immobilienwirtschaft 10/2017 - page 10

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MARKT & POLITIK
I
HERAUSFORDERUNGEN
der einzubeziehenden Mietvertragsab-
schlüsse von vier auf acht Jahre für die
Mietspiegelerstellung und Sozialquoten
wirken investitionshemmend und damit
tendenziell kontraproduktiv zur Entspan-
nung derWohnungsmarktsituation. Auch
die Schaffung des neuen Gebietstyps „Ur-
banes Gebiet“ ist ambivalent zu werten.
Die eindimensionale Betrachtung ist
auffällig. Die Situation erinnert an die
klassische Schulmedizin. Es wird versucht,
das Symptom zu kurieren, aber der ganze
Mensch wird dabei außer Acht gelassen.
Immobilien sind ein sehr langlebiges
Wirtschafts- und Konsumgut. Langfris
tige gesellschaftliche Entwicklungstrends
müssen somit bei Entscheidungen zur
Entwicklung regionaler Räume und zur
Entwicklung von Immobilien berück-
sichtigt werden. In den weiteren Ausfüh-
Ü
ber Jahrzehnte fand der Wohn­
immobilienmarkt bei Investoren
wenig Beachtung. Der politische Fo-
kus war eindimensional auf den Rückbau
gerichtet. Der soziale Wohnungsbau kam
zumErliegen. Demografische (Fehl-)Pro-
gnosen bildeten ein Fundament für das
Verhalten. So wurde etwa im Jahr 2000 für
2020 ein Rückgang der Bevölkerung um
bis zu 29 Prozent für Leipzig und um bis
zu neun Prozent für Erfurt prognostiziert.
Tatsächlich verzeichnet Leipzig einen Zu-
wachs der Bevölkerung mit Hauptwohn-
sitz in nur 16 Jahren um 17,5 Prozent und
Erfurt um 4,8 Prozent.
Heute die 180-Grad-Kehrtwende.
Wohnimmobilien sind bei institutionellen
Anlegern ein interessantes Core-Produkt
im Portfolio und wecken die Aufmerk-
samkeit der Politik infolge von Nachfra-
geüberhängen in Metropolregionen und
Schwarmstädten. Kauf- und Mietpreise
steigen, was nicht allein dem Re-Urbani-
sationsprozess und der damit gestiegenen
Nachfrage geschuldet, sondern das Resul-
tat aus einer Vielzahl von Faktoren ist wie:
wirtschaftspolitische Rahmenbedin-
gungen, z. B. gestiegene Grunderwerbs-
steuer und steigende bauliche Anforde-
rungen (z. B. EnEV 2014)
stark gestiegene Preise für die Erschlie-
ßung mit Wasser, Abwasser und Strom
komplexere Planungs- und Genehmi-
gungsverfahren
steigende Kosten infolge von Bürgerbe-
teiligungen, Fassadenwettbewerben etc.
INVESTITIONSHEMMENDE INSTRUMENTE
Es wird mit Instrumentarien reagiert, die
nicht an denUrsachen ansetzen und somit
auch kaum zur Problemlösung beitragen.
Mietpreisbremse, Absenkung der Miet
erhöhungsmöglichkeiten zur Anpassung
an die ortsübliche Vergleichsmiete von
20 auf 15 Prozent, ggf. Absenkung der
Modernisierungsumlage von elf auf acht
Prozent, die Ausweitung des Zeitraums
So wirken gesellschaftliche Trends
auf den Wohnungsmarkt
Entwicklungsprozesse voll-
ziehen sich immer schneller.
Die Tendenz ist diametral
zum langlebigen Gut Wohn-
immobilie. Doch dieses wird
sich ändern müssen: Denn
die Anforderungen an eine
Wohnimmobilie werden
zunehmend von den Themen
Digitalisierung und Individua-
lisierung geprägt.
Bei Entscheidungen zur
Entwicklung von Immo-
bilien und regionalen
Räumen müssen lang-
fristige gesellschaftliche
Entwicklungstrends
berücksichtigt werden.
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