EDITORIAL
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0.2017
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
heute kann man alles wissen. Der 45-Grad-Winkel-Blick aufs Phone macht
klug. Mein Sohn fragt, wozu eigentlich lebenslanges Lernen, wenn Siri und
Alexa alles beantworten? Um etwas Unerwartetes zu erleben, fuhren wir ohne
Hilfsmittel in Urlaub. Mit dem Wohnmobil durch Norwegen, ohne Wetter-
App, ohne Standort-Such-App, ohne Navi. Wir suchten viel, fragten, erlebten.
Wir kamen Offline ins Gespräch. Es scheint zu stimmen, das alte Hägar-
Bonmot: „Unwissenheit ist die Mutter aller Abenteuer.“
Sollte das Leben nicht wenigstens ein kleines Abenteuer sein? Wieder zu
Hause, lese ich oft, man solle die Mietpreisbremse (MPB), die, trotz Siri,
von Unwissenden entwickelt worden sei, abschaffen. Da ich, siehe oben, auf
Ignoranz nichts kommen lasse, forschte ich nach. Und fand heraus: MPB hat
Abenteuerpotential. Wer gelangweilt aus dem Urlaub zurückkommt – viel-
leicht war er mit Alexa unterwegs –, kann in der MPB das Kribbeln finden:
Die Suche nach einer Vergleichsmiete ist Abenteuer pur! Oder das Kreuzver-
hör, bei dem der Mieter vom Vermieter die frühere Miethöhe herauspressen
will! Kurzweil ist garantiert, wenn Mieter versuchen, zu viel gezahlte Miete
zurückzuverlangen.
Investieren gar Eigentümer nicht mehr in ihr Haus, weil sie die Miete kaum
noch erhöhen dürfen, hat das auch Vorteile. Droht der Putz erstmal nachhal-
tig zu bröckeln, werden Spaziergänger nicht mehr nur auf ihr Smartphone
starren, sondern öfter den Blick heben aus Sorge, etwas könnte herunterfallen.
Es ist ein viel geschmähtes Gesetz, das uns möglicherweise eine verloren ge-
glaubte Art der Kommunikation zurückbringt – und Sie sind dabei gewesen!
Ihr
Abenteuerurlaub zu Hause
„Das Landgericht Berlin hält die
Mietpreisbremse zwar für ver-
fassungswidrig. Aber sie hat das
Zeug zu Großem. Sie vermag die
Kommunikationskultur zu retten.
Zumindest in Deutschland ...“
Dirk Labusch
, Chefredakteur