IMMOBILIENWIRTSCHAFT 11/2016 - page 77

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die Jungen um 50 Prozent. Mit nochmehr
Training noch deutlich mehr.
DIE MERK-VORTEILE ÄLTERER MENSCHEN
Gerade beim Namenmerken etwa ist das
Vorwissen sehr nützlich. Da das Gedächt-
nis verknüpfend lernt, können Menschen
im Alter auch auf mehr Erfahrung und
Wissen zurückgreifen. Einfach deshalb,
weil schon viel mehr Menschen und Na-
men im Gedächtnis vorhanden sind. Ein
Weg beim Namenmerken (Sie erinnern
sich?) ist es, als Bild eine bekannte Person
zu nutzen.
In Vorträgen erkläre ich auch oft, wie
dieMethode zumNamenmerken bei Vor-
namen funktioniert. Im Prinzip genauso
wie bei Nachnamen. Zwei Dinge sind
etwas anders: Einerseits bedeuten Vor-
namen seltener etwas Konkretes. Ande-
rerseits wiederholen sich die Vornamen
dafür viel häufiger. Wenn ich mir einmal
für Thomas das Bild Tomate überlegt
habe, kann ich das natürlich wieder ver-
wenden, wenn ich noch einen Thomas
kennenlerne. Oder mir bei jedem Tho-
mas vorstellen, wie dieser andere Männer
gleichen Namens, Thomas Gottschalk
zumBeispiel, trifft. ZumBeispiel mit einer
Tomate mitten ins Gesicht.
Wie wäre das bei meinemNamen? Bo-
ris Nikolai Konrad. Das könnten alles drei
Vornamen sein. Bei mir ist Boris Nikolai
der Vorname, Konrad der Nachname. Bo-
ris, da können Sie an Boris Becker denken,
den ehemaligen Tennisspieler. Den ken-
nen Sie noch? Auch das ist nicht in jeder
Altersgruppe so.
Als ich einmal an einer Schule vortrug,
schaute ich bei dem Hinweis eher in fra-
gende Gesichter. Bis dann einer reinrief:
„Boris Becker? Das ist doch der, der den
Pocher gedisst hat!“ Hier läuft die Genera-
tionengrenze wirklich messerscharf. Und
ich dachte immer, man könnte es nur
daran festmachen, ob man noch VHS-
Kassetten kennt. Was ich Ihnen zeigen
will: Hier ist das ältere Gedächtnis sogar
imVorteil, weil schon viel mehr Verknüp-
fungspunkte da sind. Noch ein Beispiel:
Lernen Sie einen Herrn Köpcke kennen,
stellen Sie ihn sich sinnvollerweise bei
den Fernsehnachrichten vor zusammen
mit „Mr. Tagesschau“, Karl-Heinz Köp-
cke. Aber eben nur dann, wenn Sie diesen
Prominenten kennen. Ein Leser unter 30
mag jetzt denken: „Köpcke war doch die-
ser Torwart, wieso Tagesschau?“
DAS GEDÄCHTNIS MUSS BENUTZT WERDEN
Um sein Gedächtnis bis ins hohe Alter
fit zu halten, ist sowieso am besten, es zu
benutzen. Wird es nicht mehr verwendet,
weil man alles aufschreibt oder abspei-
chert, denkt es sich irgendwann: „Wenn
mich eh keiner mehr braucht, dann geh
ich schon mal.“ Geistige Betätigung kann
vielfältiger Natur sein und ein anspruchs-
voller Job oder Hobbys helfen da bereits.
Aber auch Gedächtnistraining kann ein
Weg sein. Dabei sind sich die Forscher
nicht einig, ob das Verwenden des Ge-
hirns wirklich dazu führt, das Gehirn zu
beschützen. Ein etwas anderes Modell ist
die „kognitive Reserve“. Wie beim Reser-
vetank soll diese helfen, zumindest für
einige Zeit die nachlassende Leistung zu
kompensieren. Vereinfacht: Wenn imGe-
hirnmehr Verbindungen vorhanden sind,
ist es weniger tragisch, wenn einzelne ver-
loren gehen.
So oder so bleibt festzuhalten: Sein
Gedächtnis zu benutzen und gegebenen-
falls auch zu trainieren ist der beste Weg,
es zu erhalten. Eine Garantie gibt es aber
leider nicht. Das ist mehr so wie beimkör-
perlichen Sport auch. Wer sein Leben lang
Sport treibt und sich gesund ernährt, hat
eine deutlich bessere Chance, gesund alt
zu werden. Leider trifft ein Herzinfarkt
auch mal den gesunden, erst 50-jährigen
Hobbyathleten. Es ist nur weniger wahr-
scheinlich. Ebenso gilt: Auch ein gut trai-
nierter Gedächtnismeister kann später an
Demenz oder Alzheimer erkranken. Es ist
nur weniger wahrscheinlich.
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Dr. Boris Konrad, Nijmegen
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