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4.2015
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Die Studiengangreform im
Zuge des Bologna-Prozesses
erhöht einseitig die Attraktivi-
tät akademischer Ausbildung.
Aufgrund dieser Aktivität wird
sich die Branche mit einem sich
verschärfenden Wettbewerb um
Absolventen auseinandersetzen
müssen: Die Ausbildung zum
Facharbeiter konkurriert mit der
Hochschulausbildung. So vermel-
dete die IHK Berlin im August
2014, dass in der Bundesrepublik
Deutschland im Jahre 2013 erst-
mals die Zahl der Studienanfänger
die der Ausbildungsanfänger
überstieg.
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Eine Studie des Marktfor-
schungsinstitutes GfK Enigma
zum Thema „Digitalisierung des
Mittelstandes“ im Auftrag der DZ
Bank hat festgestellt, dass für 51
Prozent der großen deutschen
Betriebe die Digitalisierung im
Herstellungs- oder Wertschöp-
fungsprozess keine Relevanz hat.
Die Zahl scheint erwähnenswert,
da die Digitalisierung der Wirt-
schaft voranschreitet und unsere
Gesellschaft an der Schwelle zu
einem neuen Zeitalter steht. Der
Übergangszeitraum in ein neues
Wirtschaftssystem, so Jeremy Rif-
kin, wird etwa 40 Jahre umfassen.
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Stichwort „Betriebliche
Ausbildung“:
Nach wie vor setzt
die Branche auf die betriebliche
Ausbildung. Hiervon wird sie auch
in den kommenden Jahren nicht
einfach abrücken können. Somit
stellt sich für alle Beteiligten die
Frage: Wie stark wertet die Bran-
che den Bereich der betrieblichen
Ausbildung weiter auf, um die
betriebliche und die akademische
Ausbildung in der Waage zu halten
oder perspektivisch für eine en-
gere Verknüpfung von betrieblicher
und akademischer Ausbildung zu
sorgen?
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Stichwort „Akademisierung“:
Die von der Politik geforderte
Akademisierung wird dazu führen,
dass die Branche die sich aus den
Höherqualifizierungen ergebenden
Chancen sukzessive nutzen muss,
um im Wettbewerb um die Köpfe
zu bestehen. Hier wird aber ein
Übergangszeitraum benötigt.
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Stichwort „Digitalisierung“:
Im Gegensatz zu anderen Wirt-
schaftszweigen verfügt die Bran-
che noch nicht über die Möglich-
keit, in der Wertschöpfungskette
den Faktor Mensch beliebig durch
den Faktor Maschine zu ersetzen.
Somit stellt sich die Frage: Wie
geht die Branche mit dem verhal-
tenen Votum zur Digitalisierung
von Bildungsangeboten in dem
Wissen um, dass die Digitalisierung
die Zukunft darstellt?
Damit tritt die Sichtweise der Unternehmer in den Fokus,
die durch die Umfrage auch noch einmal verdeutlicht wurde.
Die Ergebnisse der Umfrage mündeten in drei weitere Fragestel-
lungen, die zeigen, dass mittelfristige politische Vorgaben der
Europäischen Kommission und der Bundesregierung nicht immer
mit den unternehmerischen Realitäten übereinstimmen.
nicht darum, im Sinne eines Kulturpes-
simismus oder einer möglicherweise exi-
stierenden Technikfeindlichkeit auf die
Dinge zu schauen, sondern darum, nach
Lösungsmöglichkeiten für die Zukunft
zu suchen. Da die Immobilienwirtschaft
einer der größten Wirtschaftszweige in
Deutschland ist, hat sie auch eine Verant-
wortung. Die damalige Diskussion zeigte,
dass es in einer technisierten Welt den
Vertretern der Branche um die Sicherung
oder auch die Rettung des „Ich als ein frei
denkendes Subjekt“ ging. Übertragen auf
die Aus- undWeiterbildung heißt das, Ziel
jeglicher Bildungsvermittlung muss es
sein, das Individuum vor jeder möglichen
Manipulation durch sogenannte Zwänge
zu schützen, die sich aus der Digitalisie-
rung ergeben könnten.
summary
»
Durch die Digitalisierung
werden sich Prozesse in der Immobilienwirtschaft
radikal verändern. Die Branche muss dennoch weiterhin mit gutem Personal „versorgt“ werden.
»
Das Ziel der Bildungsvermittlung
muss es sein, das Individuum vor jeder möglichen
Manipulation durch sogenannte Zwänge zu schützen, die sich aus der Digitalisierung ergeben
könnten.
der emeritierten Professorin der Harvard
Business School Shoshana Zuboff vom30.
April des Jahres 2014 erinnert. In beiden
Artikeln wird vor einem neuartigen Mo-
nopol gewarnt mit der Folge, dass diese
Konzerne Realitäten kennen, sie kontrol-
lieren, manipulieren und bei Bedarf „in
kleinste Stücke schneiden“ können.
Kontrolle und Manipulation
Verhar-
ren wir noch für einen Moment bei den
Stichwörtern „Kontrolle und Manipulati-
on“. Die Branche muss im Zuge der 4. In-
dustriellen Revolution und der Digitalisie-
rung adäquat mit Personal „versorgt“ wer-
den. Dieses muss zum einen urteils- und
handlungsfähig sein. Zum anderen muss
sich dieses Personal an Werten orientie-
ren, die ökonomische und soziale Belange
im Sinne des Unternehmens und der den
Unternehmen anvertrauten Menschen in
der Balance halten. Hierbei geht es nicht
«
Dr. Hans-Michael Brey, Geschäftsführender Vorstand,
BBA - Akademie der Immobilienwirtschaft e.V., Berlin
um Parteipolitik. Vielmehr muss bei je-
dem Mitarbeiter die innere Überzeugung
geweckt werden, dass Ökonomie und
Technik dem Menschen zu dienen haben
– und nicht umgekehrt. An dieser Stelle
sei anHerrnDr. Schirrmacher, ehemaliger
Herausgeber der „Frankfurter Allgemei-
nen Zeitung“, der 2014 starb, erinnert.
Herr Schirrmacher sprach im Kreis der
Teilnehmer der Managementakademie
der BBA – Akademie der Immobilien-
wirtschaft (BBA) 2012 über die seinerzei-
tigen Entwicklungen bei der EU und – im
Sinne eines erweiterten Kulturbegriffs –
über die Auswirkungen der Technisierung
beim Hochgeschwindigkeitshandel an
der Börse und die damit einhergehenden
gesellschaftlichen Veränderungen – aus-
gelöst durch die Digitalisierung. An den
Reaktionen von damals war leicht zu er-
kennen, dass es Diskussionsbedarf bei den
Vertretern der Branche gab. Hier ging es