Die Wohnungswirtschaft 5/2019 - page 10

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5|2018
STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
Intelligente Verkehrskonzepte fürs Quartier
Mobilitätsverhalten an der Wohnungstür ändern
Bundesweite Verkehrsbefragungen zeigen: Sechs Siebtel aller Alltagswege beginnen oder enden an der
Wohnung. Wo und wie wir wohnen, schafft die Voraussetzungen für unser alltägliches Verkehrsverhalten.
Deshalb ist es so wichtig, in den Wohnquartieren die Voraussetzungen für ein multimodales Verkehrsver-
halten zu verbessern und die Orientierung auf das Auto im privaten Eigentum abzubauen.
Das Mobilitätsverhalten wird zum großen Teil
von Routinen bestimmt. Besitzer eines eigenen
Haushalts-Pkwbeispielsweise nutzen dieses Auto
gewohnheitsmäßig auch für viele Fahrten, für die
ebenso bequeme und umweltfreundlichere Alter-
nativen zur Verfügung stehen. Diese Routinen zu
durchbrechen ist eine wichtige Aufgabe von Quar-
tiersplanungen. Projektentwickler und Planer von
Immobilienprojekten sollten hier Hand in Hand
mit den kommunalen Verkehrsplanern ansetzen,
damit sowohl auf der privaten Grundstücksfläche
als auch im öffentlichen Straßenraum die Vortei-
le alternativer Mobilitätsangebote zum Tragen
kommen. Denn die Mobilitätsangebote vor der
Wohnungstür haben einen großen Einfluss da­
rauf, mit welchem Verkehrsmittel welche Wege
zurückgelegt werden.
Passgenaue Mobilitätskonzepte in
großen und kleinen Quartieren
Bei denMobilitätskonzepten von Neubauprojekten
ist zu unterscheiden zwischen integrierten Groß-
stadtarealen und Projekten in peripheren Lagen,
zwischen größeren Bauprojekten mit einem um-
fassenden Mobilitätskonzept und kleineren Bau-
vorhaben. Auch muss die Auswahl der angebote-
nen Dienste auf die erwartete Nutzerstruktur im
Quartier ausgerichtet sein.
Große Neubauquartiere sind derzeit hauptsäch-
lich auf wachsende Stadtregionen beschränkt,
in denen z. B. nicht mehr benötigte Bahnanlagen
oder Militäreinrichtungen in innenstadtnahen
Lagen überplant werden. Hier bestehen große
Potenziale für umfassende Mobilitätskonzepte,
die neben demAusbau von erschließenden ÖPNV-
Linien als Rückgrat des Verkehrskonzeptes auch
Mobilitätsstationen mit ergänzenden „geteilten“
Mobilitätsangeboten umfassen. An diesen Mobi-
litätsstationen werden Angebote wie Carsharing,
Fahrradverleihsysteme (Bikesharing) oder Las-
tenfahrräder bereitgestellt. Ergänzt wird dies in
manchen Projekten durch Paketannahmestellen
und andere Dienstleistungen. Solche größeren
Neubauquartiere mit umfangreichen Mobili-
täts- und Dienstleistungsangeboten entstehen
beispielsweise in München mit dem Domagkpark
und dem Prinz-Eugen-Park, in Darmstadt mit
der Lincoln-Siedlung und in Mannheim mit dem
Quartier Franklin-Mitte (siehe S. 13 in dieser DW).
Auch in Freiburg enstandmit demneuen Stadtteil
Vauban ein Quartier mit einem neuen Mobilitäts-
konzept. Hier erschließt beispielsweise eine neu
errichtete Straßenbahnlinie das Quartier auf einer
zentralen Achse. Viele Carsharing-Angebote sind
an extra reservierten Stationen im Straßenraum
lokalisiert, die für alle Bewohner im Quartier zu-
gänglich sind. Die privaten Pkwder Bewohner des
Stadtteils sind in zwei zentralen Parkgaragen am
Rand des Stadtteils platziert, sodass der Weg zum
eigenen Pkw i. d. R. länger ist als der Zugang zu
den anderen Verkehrsangeboten.
Kooperationen schaffen ein
vielfältiges Mobilitätsangebot
In vielen (weiteren) Städten Deutschlands werden
innovative Neubauprojekte von Wohnungsunter-
nehmen entwickelt, die jedoch nur ein kleineres
SpektrumvonMobilitätsangeboten vorhalten. Bei
vielen dieser Projekte ist eine Kooperation des
Bauträgers mit den örtlichen Carsharing-Anbie-
tern, den ansässigen Nahverkehrsbetreibern und
weiteren Dienstleistern Ausgangspunkt des Mo-
bilitätsangebotes. Stationsbasierte Carsharing-
Angebote beispielsweise üben einen Anreiz für
Menschen mit geringerem Autobedarf aus, ganz
auf ein eigenes Auto zu verzichten. Entsprechende
alternative Angebotemüssen imQuartier vorhan-
den sein, um den Bewohnern die Möglichkeit zu
geben, ihre Mobilität umweltfreundlicher und
dennoch bequem und paktikabel zu gestalten.
Notwendige Rahmenbedingungen
für die Verkehrswende
In großen Neubauquartieren ebensowie in kleinen
Bauvorhaben und Bestandsquartieren können ei-
nige übergreifende Rahmenbedingungen genannt
werden, die darauf hinwirken, dass beimUmzug in
solchemobilitätsoptimierte Quartiere das eigene
Auto abgeschafft und auf die Angebote im Quar-
tier vertraut wird.
1. Der Weg von der eigenen Haustür bis zu den
„geteilten“ Mobilitätsangeboten sollte so kurz
wie möglich sein. In großen Neubauvorhaben
sind die Angebote an einzelnen Mobilitätssta-
tionen in der Fläche verteilt.
2. Die geteilten Mobilitätsangebote sollten so
bequem wie möglich genutzt werden können.
Carsharing-Systemtechnik hilft dabei, auch
andere Fahrzeuge neben den bereitgestellten
Pkwoder übertragbare ÖPNV-Zeitkarten stun-
den- oder tageweise zu buchen. Elektronische
Zugangssysteme ermöglichen den Zugriff auf
die gebuchten Dienste 24 Stunden am Tag.
3. Die Errichtungskosten für notwendige Auto-
stellplätze –meist in Tiefgaragen auf demBau-
Willi Loose
Bundesverband CarSharing e. V.
Berlin
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