Die Wohnungswirtschaft 7/2018 - page 55

senden Abgabe der Bestandsbearbeitung an ein
Inkassounternehmen. Die internen Kräfte sollten
priorisiert auf den frischen Beständen arbeiten,
in denen noch höhere Potenziale stecken. Eine
Ressourcenbindung auf administrative Aufgaben
in den Altbeständen ist oft nicht mehr adäquat
umsetzbar und wirtschaftlich auch nicht sinn-
voll.
Von entscheidender Wichtigkeit für den Erfolg
der Zusammenarbeit mit Inkassounternehmen
ist die vertragliche Aufstellung. Der Inkassover-
trag muss die Vorstellung des Auftraggebers be-
züglich der Bestandsbearbeitung festlegen und
dem Auftragnehmer bindende Vorgaben geben.
Das können zum Beispiel KPIs (Key Performance
Indicator) sein, die eine Definition der Bearbei-
tungsintensität ermöglichen. Diese KPIs können
viele Bereiche des Forderungsmanagements ab-
decken, wie z.B.:
• die Anschreibenintensität (z.B. Anzahl Kunden-
anschreiben),
• die Telefonieintensität (z.B. Anwahlversuche),
• die Intensität der gerichtlichen Bearbeitung
(z.B. Titulierungsquote),
• die Personalintensität (z.B. Forderungen pro
Mitarbeiter),
• die Rechercheintensität (z.B. Anteil unbekann-
ter Adressen am Gesamtbestand) und
• die Bearbeitungsqualität (z.B. Beschwerden).
Solche Vorgaben stellen sicher, dass das Inkas-
sounternehmen die Bestände nicht aus eigenen
wirtschaftlichen Gründen vernachlässigt, z.B. bei
Neueingang eines attraktiveren Portfolios. Die
KPIs sollten auch durch das Vergütungsmodell
unterstützt werden, das erfolgsabhängig sein soll-
te und die Einhaltung der KPIs honorieren kann.
Dabei ist es wichtig, dass auch das Inkassoun-
ternehmen dauerhaft wirtschaftliches Interesse
an der Bearbeitung des Portfolios hat. Im Falle
der Zusammenarbeit mit mehreren Inkassoun-
ternehmen ist ein Wettbewerbsmodell möglich,
das deren Performance vergleicht und die beste
Leistung entsprechend belohnt.
Neben den Vorgaben zur Intensität und Qualität
der Bearbeitung gibt es einen weiteren wichtigen
vertraglichen Aspekt, der in der Praxis häufig Pro-
bleme bereitet. Insbesondere bei älteren Inkasso-
verträgen, aber auch bei vielen Gebührenmodel-
len mit Kostenabtretung gibt es Schwierigkeiten,
Bestände vom Inkassounternehmen zurückzuneh-
men. Eine solche Rücknahme kann nötig werden,
wenn die Performance des Inkassounternehmens
nicht zufriedenstellend ist oder aber die Forderung
verkauft werden soll.
Das Inkassounternehmen kann in diesen Fällen
häufig die Erstattung der verauslagten Kosten
oder sogar Gebühren nach dem Rechtsanwalts-
vergütungsgesetz vom Auftraggeber einfordern,
weil der Vertrag keine genauen Angaben zum
Rücknahmefall oder Vertragsende beinhaltet.
Jeder Inkassovertrag sollte daher eine Klausel
beinhalten, die eine kostenfreie Rücknahme des
Portfolios sicherstellt, zumindest im Falle eines
Vertragsauslaufes durch ordentliche Kündigung.
Forderungsverkauf
Der Forderungsverkauf hat sich im Markt als
wichtige Ergänzung der Werkzeugpalette im FM
etabliert. Neben der Vollzahlung stellt er die ein-
zige Möglichkeit dar, den Forderungsbestand zu
reduzieren und dadurch gezielt zu steuern und den
bestehenden Ressourcen anzupassen.
Die Abtretung der Forderungen im Rahmen eines
Forderungsverkaufs hat gegenüber der Langzeit-
überwachung durch Inkassounternehmen eini-
ge wesentliche Vorteile. Insbesondere entgeht
der Verkäufer damit dem Risiko, dass das Inkas-
sounternehmen nicht ausreichend intensiv auf
den Beständen arbeitet. Der gezahlte Kaufpreis
stellt die abgezinsten zukünftigen Erträge aus
dem Portfolio dar und übertrifft i.d.R. die Per-
formance der Langzeitbearbeitung unter Berück-
sichtigung der daraus entstehenden Kosten. Das
ist auch im Eigenantrieb des Käufers zur optima-
len Bearbeitung des Portfolios begründet, für
das er durch Kaufpreiszahlung ja sozusagen in
Vorleistung getreten ist.
Wirtschaftlich ermöglicht der Forderungsverkauf
signifikante Einmalerträge, insbesondere wenn
Bestände über Jahre angewachsen sind. Zudem
befreit sich der Verkäufer von administrativen
Aufwänden der Bearbeitung.
Typische Bestände, die für einen Verkauf selektiert
werden können, sind:
• Altbestände, die schon seit einiger Zeit ohne
Performance sind (ohne Zahlungen),
• Restbestände (Run-off-Portfolios), z.B. aus
Übernahmen,
• Erfolglos abgelegte Forderungen (z.B. Nach-
lässe, unbekannt verzogene Kunden oder
erfolglos vollstreckte und vermeintlich aus-
sichtslose Fälle) und
• Privatinsolvenzen.
Die Käufer sind i.d.R. deutsche Inkassounter-
nehmen, die für die Bearbeitung der gekauften
Bestände eigene Bearbeitungseinheiten einset-
zen. Insofern unterscheidet sich die Bearbeitung
der Bestände hinsichtlich der Qualität nicht von
der Bearbeitung im Treuhandinkasso. Reputati-
onsprobleme entstehen aus der Abtretung der
Bestände nicht, sofern alle Anforderungen an
einen ordentlichen Verkaufsprozess eingehalten
werden.
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