DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 2/2017 - page 25

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Entwurf von Hans Kampffmeyer, demGründer der
Genossenschaft: Freistehende Einfamilien- und
Doppelhäuser im „Landhausviertel“, Reihenhäu-
ser im „Kleinhausviertel“ bilden zusammen mit
einer Folge von Straßen und Plätzen eine Einheit.
Dank vor- und zurückgesetzter Gebäudezeilen und
durch Blickpunkte am Ende der Sichtachsen ist in
den vergangenen hundert Jahren eine abwechs-
lungsreiche Siedlung entstanden.
Organische Gesamtordnung
„Lange und gerade verlaufende Straßenzüge gibt
es hier nicht“, erklärt Wolfgang Gerstberger, ehe-
maliges Vorstandsmitglied der Baugenossenschaft
Gartenstadt Karlsruhe eG. Er kennt das Terrainwie
seineWestentasche. Gern erklärt er Besuchern die
Philosophie „seiner“ Gartenstadtsiedlung in Rüp-
pur. „Durch das Abknicken von Straßen oder einen
Bogenverlauf verliert sich das Auge des Betrach-
ters nicht in undefinierbarer Ferne, sondern bleibt
immer imUmfeld der räumlichen Gesamtordnung,
die Hans Kampffmeyer als eine organische Einheit
bezeichnet hat.“ Schon die Großeltern von Wolf-
gang Gerstberger folgten dem Ruf der Gründer
und sicherten sich das vererbbare Wohnrecht in
dem damals neuen, sozialreformerisch gepräg-
ten Projekt am Rande der aufstrebenden Stadt
Karlsruhe. Und sie gaben es an die nächste Ge-
neration weiter. Gerstberger wohnt heute mit
seiner Familie in dem freistehenden Haus, in das
seine Großeltern 1912 eingezogen waren. Seine
Frau und die Kinder können es sich, genau wie er,
„nicht vorstellen, jemals woanders zu wohnen,
als in dieser Gartenstadtsiedlung“. Doch es sind
nicht nur die Lage, das Ensemble, der Wechsel aus
Häusern und Gärten, die die Bewohner zum Blei-
ben animieren: „Sehr selten zieht jemand fort“,
bestätigt Gerstberger. Kein Wunder, dass in der
Gartenstadtsiedlung kaum Leerstand auftritt.
Gartenstadt-Historie
Die Gartenstadtbewegung nahm ihren Anfang in
England zumEnde des 19. Jahrhunderts. Aufgrund
der sozialen und hygienischen Zustände in den
immer größer werdenden Industriestädten ver-
öffentlichte der englische Kaufmannssohn und
Farmer Ebenezer Howard in seinem Buch „To-
Tomorrow: A Peaceful Path to Real Reform“ das
theoretischeModell einer eigenständigen Garten-
stadt mit Arbeitsstätten und landwirtschaftlichen
Flächen zur Selbstversorgung. 1903 entstand die
„Garden-City Letchworth“ bei London, bald folg-
ten mehrere Gartenvorstädte.
Sie waren Vorbilder für die 1902 gegründete
Deutsche Gartenstadt Gesellschaft (DGG), der
Persönlichkeiten wie Magnus Hirschfeld, Werner
Sombart, Ferdinand Avenarius („Dürerbund“) und
Pastor von Bodelschwingh angehörten. Gründer
der 1905 entstandenen DGG-Ortsgruppe Karls-
ruhe war Hans Kampffmeyer, der spätere Gründer
der Baugenossenschaft Gartenstadt Karlsruhe eG.
Er unterstützte die Bestrebungen der Wohnungs-
reformbewegungen, sich in gemeinnützigen
Baugesellschaften oder Baugenossenschaften zu
organisieren, um so den gemeinsam erworbenen
Grundbesitz der Bodenspekulation zu entziehen,
die Gebäude im Eigentum der Genossenschaft
zu behalten und nur an Mitglieder in Miete oder
Erbmiete abzugeben. Mietwucher und Kündigung
waren damit ausgeschlossen.
2.003 Wohnungseinheiten
, davon:
• 1.562 Wohnungen und gewerbliche
Einheiten in Rüppurr
• 66 Wohnungen in Bulach
• 148 Wohnungen und gewerbliche
Einheiten in Daxlanden
• 227 Wohnungen und gewerbliche
Einheiten in Grünwinkel
• 644 Garagen, Stellplätze und Wohn-
wagenstellplätze
Gesamtmietfläche:
154.306 m
2
Leerstand:
unter 1% (nur sanierungs-
bedingter Leerstand)
GARTENSTADT KARLSRUHE E.G.
Weitere Informationen:
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt undManagement
Stadtbauund Stadtentwicklung
Das Majolika-Schild am Geschäftssitz der Genossenschaft stammt aus dem Jahr 1926
Straßenansicht Resedenweg von 1932
Quelle: Festschrift 25 Jahre Gartenstadt, 1932
Quelle: Anja Steinbuch
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