arbeitet und dass auch das Bundesamt für Bau-,
Stadt- und Raumforschung (BBSR) Visionen einer
Gartenstadt 21 entwickelt. Gerade für kleine Un-
ternehmen ist es allerdings nicht einfach, die für
den Neubau nötige Kompetenz aufzubauen. Des-
halb plädiere ich dafür, Typenhäuser – vielleicht
auch in serieller Bauweise – zu entwickeln, dieman
schlüsselfertig zu einemFestpreis bestellen kann.
Genau so hat man es in Schweden gemacht, wo die
Unternehmen jetzt aus dem Katalog solche Häu-
ser bestellen können. Diese werden mittlerweile
in ganz Schweden gebaut. Wir sollten das neue
serielle Bauen nicht schlechtreden. Es ist einfach
eine andere Art und Weise des Bauens.
Karl Heinz Range:
Ich wollte mich nicht gene-
rell gegen das serielle Bauen aussprechen. Es gibt
sicherlich gute Ansätze, um den Bauprozess zu
verschlanken, schneller zu werden und günsti-
gere Gestehungskosten zu erreichen. Aber als
Architekt habe ich die Sorge, dass wir, wenn wir
dieses Thema zu weit in den Vordergrund rücken,
das nächste Märkische Viertel und die nächste
Plattenbausiedlung errichten. Was das von Ihnen,
Herr Gedaschko, erwähnte Modell aus Schweden
betrifft: Auch wir haben unser Konzept ganz be-
wusst offen gestaltet, um eine hohe Durchdrin-
gung zu erreichen. Wir teilen unsere Erkenntnisse
gern mit anderen Unternehmen.
Axel Gedaschko:
Praktisch ist das leider oft gar
nicht so einfach. Es gibt z. B. eine Gesellschaft
in Bielefeld, die ihre Entwürfe weitergibt. Das
Dumme ist nur, dass der Bielefelder Entwurf im
benachbarten Landkreis Gütersloh nicht mehr
genehmigt wird, weil dort andere Brandschutz-
vorgaben gelten. Dieses Beispiel unterstreicht,
dass wir in Deutschland ein Umdenken benötigen.
Maren Kern:
Dabei ist es doch so wichtig, dass
es schnell geht! Je länger wir brauchen, um
Wohnungen zu schaffen, desto höher wird der
Druck im Kessel. Einzelne Nachfragegruppen
am Wohnungsmarkt dürfen nicht gegeneinan-
der ausgespielt werden. AlleMenschen – sowohl
Ortsansässige als auch Flüchtlinge mit Bleibe-
perspektive – müssen mit gutem und bezahl-
barem Wohnraum versorgt werden. Je knapper
der Markt wird, desto stärker wird das Ganze
brodeln. Gott sei Dank berichtet die Presse im
Moment noch sachlich.
Axel Gedaschko:
Wir brauchen neue Ideen. Ei-
nen interessanten Vorschlag habenMitglieder des
VNWVerband norddeutscher Wohnungsunterneh-
men e. V. in Hamburg gemacht. Ihre Überlegung:
Da wir gar nicht so viel bauen können, wie nötig
wäre, müssenwir alle Reserven ausschöpfen – also
z. B. Einliegerwohnungen, deren Eigentümer diese
eigentlich nicht an Flüchtlinge vermieten wollen,
weil sie befürchten, mit den neuen Mietern nicht
angemessen umgehen zu können. Deshalb kam
die Idee auf, vor Ort eine Agentur zu gründen,
die Mietinteressenten mit Vermietern zusam-
menbringt und gleichzeitig den Vermietern die
Garantie gibt, dass sie von der Kommune bei der
Betreuung unterstützt werden.
Karl Heinz Range:
Wir benötigen die Unter-
stützung der Politik aber auch noch in anderer
Hinsicht. In Hannover sitzen wir gerade mit dem
Rat der Stadt und demStadtplanungsdezernenten
amTisch, umüber ein Bündnis für das Wohnen zu
sprechen, wie es schon in anderen Großstädten
existiert. Dabei vertreten wir die These, dass es
ein solches Bündnis eigentlich nur geben kann,
wenn Partner am Tisch sitzen, die wechselseitig
etwas zu geben haben. Derzeit ist die Kommune
aber noch dabei, die Wohnungswirtschaft bei-
spielsweise durch hohe Anforderungen an die
energetische Qualität zu knebeln. Gleichzeitig
ist sie nicht in der Lage, durch die Bereitstellung
von ausreichend Grundstücken dafür zu sorgen,
dass die angestrebte Zahl vonWohnungen gebaut
werden können.
Jürgen Steinert:
Hüten sollten wir uns vor all-
gemeinen Rezepten. Bei der Residenzpflicht z. B.
müssen wir differenziert argumentieren. Sicher,
wir haben in der Vergangenheit gute Erfahrun-
gen damit gemacht. Aber die Residenzpflicht
darf nicht dazu führen, dass man Menschen dazu
zwingt, in einer Region zuwohnen, in der sie keine
Chance haben, in absehbarer Zeit eine Arbeit zu
finden. Manmuss ihnen eine Perspektive eröffnen,
an die sie sich heranarbeiten können. Natürlich
gibt es in extrem strukturschwachen Regionen
Leerstände; aber wir dürfen nicht Flüchtlinge
auf Nimmerwiedersehen dorthin abschieben und
dort vereinsamen lassen. Der politische Zündstoff,
denwir damit in Teile der Republik transportieren
würden, wäre gigantisch.
Axel Gedaschko:
Aber die Residenzpflicht ist
doch immer noch besser, als wenn ich die Flücht-
linge in irgendwelchen Notunterkünften und ohne
Aussicht auf minimalste Integrationschance zwi-
schenparke!
Jürgen Steinert:
Mag sein, aber ich habe dameine
Zweifel, insbesondere wenn ich daran denke, in
welches Umfeld die Menschen versetzt werden.
Prof. Dr. Herbert Ludl:
Was die meisten nicht
gerne hören, ist, dass sich im Prozess der Inte-
gration auch die Einheimischen ändern werden.
Integration ist keine Einbahnstraße. Es müssen
sich beide Teile verändern, die einen ein bisschen
mehr, die anderen ein bisschenweniger, aber beide
werden am Ende des Weges, also z. B. nach zehn
Jahren, nicht mehr dieselben sein.
„Was die meisten nicht gerne hören, ist, dass sich im Prozess der Integration
auch die Einheimischen ändern werden. Integration ist keine Einbahnstraße.“
Prof. Dr. Herbert Ludl
Axel Gedaschko
Jürgen Steinert
Maren Kern
58
5|2016
MARKT UND MANAGEMENT