DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 5/2016 - page 54

durchgesetzt. So gerne wir von der großen GdW-Familie und der Allianz
der Willigen reden, so oft stelle ich doch in meinem geografischen Raum
fest, dass längst nicht alle Kollegen für Wohnungsneubau in den Bereichen
sorgen wollen, in denen tatsächlich eine Marktentlastung nötig ist, also im
Segment für Menschen mit kleinem und mittlerem Geldbeutel.
Als KSG Hannover leisten wir schon jetzt einen ganz konkreten Beitrag
zur Lösung des Problems. Wir sind das ehemalige kreiseigene Unterneh-
men und haben heute eine Gesellschafterstruktur, die aus den 20 Umland-
kommunen der Region Hannover besteht. Bereits 2014 entwickelten wir
gemeinsam mit der Gebietskörperschaft ein Modell für günstigen Woh-
nungsbau zur Unterbringung von Flüchtlingen. Mein Ansatzpunkt war,
keine Heime zu errichten und keine Container aufzustellen, sondern ein
richtiges Wohnprojekt für 50 bis 70 Menschen zu realisieren.
In Bezug auf die Nutzung denken wir in zwei Phasen: Für die ersten zehn
Jahre stellen wir den Wohnraum Flüchtlingen zur Verfügung; danach
bekommen wir von der Region eine Förderung, um das Objekt zu moderni-
sieren und dann dem öffentlich geförderten
Wohnungsbau zuzuführen. Dieses Modell
realisieren wir jetzt in unterschiedlichen
Kommunen insgesamt acht Mal, so dass
Unterbringungsmöglichkeiten für 700 bis
800 Menschen entstehen.
Dabei setzen wir nicht auf ein serielles Pro-
dukt, sondern ein Wohnprojekt, das wir mit
allen beteiligten Planern und einem Gene-
ralunternehmer gemeinsam entwickelt
haben. Ich bin kein Freund des seriellen Wohnungsbaus, über den jetzt so
viel gesprochen wird, weil ich befürchte, dass damit eine Absenkung von
Standards verbunden ist, die nicht in die nachhaltige Bewirtschaftungs-
stategie der KSG passt. Wir bauen unsere Häuser nicht irgendwo auf der
grünen Wiese, sondern in einem vernünftigen städtebaulichen Zusammen-
hang, der einen langfristigen wirtschaftlichen Erfolg verspricht.
Die Flüchtlingsfrage ist eine der größten
Herausforderungen für uns in Deutschland,
aber auch in ganz Europa geworden. Gefor-
dert sind nicht nur einzelne Segmente wie
die Wohnungswirtschaft, sondern wir alle.
Wir sollten das Thema allerdings versach-
lichen. Die Emotionen, die in den letzten
Monaten hochgeschossen sind, helfen nicht
dabei, die Herausforderung zu bewältigen.
Wir sollten die Hysterie herausnehmen und
gleichzeitig die Sorgen unserer Bürger nicht kleinreden.
Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs wird in Deutschland darüber diskutiert,
ob wir eine Begrenzung der Flüchtlingszuwanderung wollen. Ich bin der
Meinung, dass eine derartige Begrenzung keine Lösung ist, sondern bloße
Augenwischerei. Deutschland kann und darf eine Schließung der Grenzen
nicht wollen. Denn die offenen Grenzen sind nicht zuletzt ein Grund unserer
wirtschaftlichen Stärke, die wir gerade jetzt brauchen, um der Herausforde-
rung gerecht zu werden. Wenn die Höhe der Zuwanderung begrenzt werden
soll, dann kann das nur auf gesamteuropäischer Ebene passieren.
Was aber kann die Immobilienwirtschaft machen? Ich kann nur wiederho-
len: Die Flüchtlingsfrage ist eine gesellschaftliche Herausforderung, die
wir als Gesellschaft lösen müssen und können. Die Wohnungswirtschaft für
sich kann das monetär allein nicht leisten. Wenn man berücksichtigt, dass
die 1,5 Mrd. € des Sonderprogramms Flüchtlingsunterkünfte, das die KfW
aufgelegt har, innerhalb kürzester Zeit abgerufen wurden, zeigt das die
Größenordnung, über die wir hier diskutieren.
Wir dürfen nicht zulassen, dass bei der Schaffung von günstigem Wohn-
raum Flüchtlinge gegen die restliche Bevölkerung ausgespielt werden. Aus
diesem Grund müssen wir – zumindest für eine begrenzte Zeit – alte Struk-
turen aufbrechen. Das betrifft z. B. die Grundstücksfrage. Wenn wir keine
Ghettoisierung zulassen wollen, dann brauchen wir auch Grundstücke in
attraktiven Lagen, um eine Mischung der Bevölkerung zu erzielen und so
eine schnellstmögliche Integration zu ermöglichen. Integration kann nur
über das Wohnen erfolgen, nicht über ein Ausquartieren.
Wenn wir über eine Beschleunigung des Wohnungsbaus reden, dann reden
wir auch über eine Anpassung der rechtlichen Vorgaben. Außerdem brau-
chen wir eine Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung, wenn es um die
konkreten Bauvorhaben vor Ort geht. Hier brauchen wir auf allen politi-
schen und gesellschaftlichen Ebenen eine stringentere Vorgehensweise.
Zum Schluss: Ich glaube, dass wir es schaffen werden. Aber wir dürfen uns
nichts vormachen: Es wird länger dauern und deutlich mehr Ressourcen
benötigen, als wir es uns vorstellen.
Lars Ernst, Segmentbereichsleiter C/DL, Aareal Bank AG, Wiesbaden
Integration kann nur über das Wohnen erfolgen
Lukas Siebenkotten, Direktor, Deutscher Mieterbund e. V., Berlin
Keine Wohnungen ausschließlich für Flüchtlinge
Die Frage, was wir bei der Zuwanderung und gegenüber Flüchtlingen leis-
ten können, möchte ich nicht ausschließlich auf die Wohnungswirtschaft
beziehen, sondern auf die gesamte Gesellschaft. Dabei spielt die Woh-
nungsfrage aber eine entscheidende Rolle, denn diese betrifft mehrere
Gruppen: Zunächst einmal die Menschen, die schon lange hier leben und
bezahlbaren Wohnraum suchen. In diesem Bereich gab es im letzten Jahr-
zehnt erkennbare Versäumnisse der Politik auf Bundes- und Länderebene.
Dann haben wir die Gruppe der Zuwanderer, also der Menschen, die
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MARKT UND MANAGEMENT
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