breit auszuwalzen. Es ist ein Sisyphos-Kampf:
Wir werben jeden Tag um Verständnis für die Zu-
wanderer und am nächsten Tag wird wieder eine
solche Meldung veröffentlicht, und dann müssen
wir wieder von vorne beginnen. Wir haben einen
deutlichen Rechtsruck. Wobei man differenzieren
muss: Vielfach sind die Leute nur verunsichert.
Sie sehen die Ordnung zerbrechen, an die sie sich
klammern, und fordern von der Politik Taten statt
Worte. Wer schon lange verzweifelt eineWohnung
sucht, greift irgendwann zum Stimmzettel und
sagt: Jetzt reicht es. Deshalb muss die Politik
endlich etwas tun.
Lukas Siebenkotten:
Unsere Bundeskanzlerin
zeigt Haltung und sagt: Aus meiner Grundüber-
zeugung heraus möchte ich, dass unser Land
denjenigen hilft, die von Krieg, Mord und Folter
bedroht sind. Ich bin der Meinung, dass wir diese
Haltung nicht aufgeben dürfen. Wir dürfen nicht
einknicken undmüssen diese innere Grundeinstel-
lung, die wir hier wahrscheinlich alle haben, vor
uns hertragen. Wir dürfen auch nicht aus Angst
davor, dass Parteien am rechten Rand immer stär-
ker werden könnten, unsere Haltung verstecken.
In der Frage der Umsetzung haben wir Defizite,
das ist richtig. Aber es geht für mich nicht um die
Frage des Ob, sondern nur um die Frage des Wie.
Dabei bin ich der Auffassung, dass die bayerische
Verwaltung die nötigen Maßnahmen in einer be-
merkenswerten Professionalität umgesetzt hat,
als in München so viele Flüchtlinge ankamen.
Karl Heinz Range:
Auch ich mache beim Ver-
waltungsbashing nicht mit. Gefühlt arbeitet die
Verwaltung ja zu 90% nur noch an der Flücht-
lingsthematik und sie versucht wirklich, die damit
verbundenen Herausforderungen zu bewältigen.
Was aber tatsächlich eine Katastrophe ist, ist die
Kommunikation. Es ist erschütternd, was z. B. in
der Bundespressekonferenz kommuniziert wird.
Von unseren politischen Protagonisten hören wir
nur noch repressive Aussagen.
Es wird nicht mehr deutlich gemacht, was wir al-
les geleistet haben, und es gibt schon gar keinen
konstruktiven Blickmehr nach vorne. Wer so kom-
muniziert, öffnet den ganz einfachen Antworten
Tür und Tor.
Maren Kern:
Da gebe ich Ihnen Recht, Herr Ran-
ge. Das Positive, das erreicht worden ist, wird zu
wenig nach außen getragen. Es geht immer nur
um das Negative. Und ich teile auch die Ansicht,
dass wir Haltung zeigen und Haltung bewahren
müssen. Wir sollten die Diskussion nicht angst-
getrieben führen. Was die Leistung der Verwal-
tung betrifft, so muss man differenzieren: In
Berlin, dabei bleibe ich, war die Verwaltung bis
zum Jahreswechsel überfordert. In Bayern und
auch Nordrhein-Westfalen läuft es viel besser.
Allerdings müssen wir uns und der Verwaltung
auch Zeit geben. Es wurde sehr früh geschimpft,
die Behörden würden die Lage nicht in den Griff
kriegen. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass
wir uns in einer Situation befinden, die es seit der
Zeit nach demZweitenWeltkrieg nicht mehr gege-
ben hat. Da braucht es Zeit und Raum, damit sich
bestimmte Dinge einpendeln können.
Axel Gedaschko:
Völlig richtig. Wir sind in einer
Situation, die es noch nicht gegeben hat und die
man auch nicht vorausahnen konnte. Den Schlau-
meier, der behauptet, er habe das alles gewusst,
machenwir zumBundeskanzler. Aber mittlerweile
läuft es Gott sei Dank sehr viel besser, als es in der
Öffentlichkeit dargestellt wird.
Gerade die Wohnungswirtschaft zeigt, was mög-
lich ist. Ich möchte ein vorbildliches Beispiel aus
Sachsen anführen, und zwar von der kommuna-
lenWohnungsgesellschaft in Pirna. Diese hat ganz
am Anfang die eigenen Mitarbeiter mitgenom-
men. Denn auch sie sind Bürger, die dem medi-
alen Sturm ausgesetzt sind. Ich halte es für die
Aufgabe der Wohnungsunternehmen, intern für
Struktur und Ordnung zu sorgen, die Mitarbeiter
zu überzeugen und ihnen deutlich zu machen,
was vor dem Hintergrund der mit den Flüchtlin-
gen verbundenen Herausforderungen der Auftrag
des Unternehmens ist. Den Verbänden stellt sich
die Aufgabe, diesen Prozess zu unterstützen.
„Wir sollten endlich akzeptieren, dass wir ein Zuwanderungsland sind. Die
Zuwanderung löst ja auch ein Stück weit unser demografisches Problem, weil
gerade viele junge Menschen zu uns kommen. Darüber hinaus müssen wir
uns auf unsere Kernaufgabe besinnen. Und die sehe ich in der dauerhaften
Unterbringung von Flüchtlingen. Dabei kommt uns eine Schlüsselrolle bei der
Integration zu.“
Maren Kern
Lukas Siebenkotten
Prof. Dr. Herbert Ludl
56
5|2016
MARKT UND MANAGEMENT