Jürgen Steinert:
Meine Damen und Herren, Frau
Silberberg von der Chefredaktion der DW und ich
heißen Sie herzlich willkommen zum 21. Bran-
denburger-Hof-Gespräch. Wir treffen uns heute
erstmals nicht mehr im ehemaligen Hotel Bran-
denburger Hof, das unserer Gesprächsreihe den
Namen gegeben hat, sondern an einemneuen Ort,
nämlich im Hotel Stue in Berlin. Möglich macht
dies unser langjähriger Sponsor, die Aareal Bank
AG, der ich dafür und für die Begleitung in den elf
Jahren herzlich danke.
Unser Thema lautet: „Was können wir leisten bei
Zuwanderung und gegenüber Flüchtlingen?“ Wir
haben dieses Thema – es ist ein existenzielles The-
ma – schon vor einigenMonaten gewählt. In dieser
Zeit hat sich enorm viel getan. Und was sich in
nächster Zeit tun wird, ist sehr schwer vorherzu-
sagen. Es ist also viel Dynamik in diesem Thema
und deshalb nicht auszuschließen, dass die eine
oder andere Aussage bei Veröffentlichung dieses
Gesprächs schon wieder überholt sein wird.
Erlauben Sie mir zwei grundsätzliche Vorbemer-
kungen. Wenn man aus der Perspektive z. B. des
afrikanischen Kontinents auf Europa blickt, ist
es nicht verwunderlich, dass die Menschen nach
Europa wollen. Bei denmenschenunwürdigen Le-
bensverhältnissen und den existenzbedrohenden
Kriegsfolgen darf es niemanden wundern, wenn
diese Menschen Zuflucht suchen. Wer sagt, die
sollen gefälligst dort bleiben, wo sie sind, der ist
herzlos. Die Bundesrepublik Deutschland ist durch
die ökonomische Globalisierung reich geworden.
Jetzt erleben wir die Kehrseite dieser Globalisie-
rung imPolitischen undwir werden einen Teil des-
sen, was wir erwirtschaftet haben, mit anderen
Menschen teilen müssen.
Was mich bei der Debatte allerdings ärgert, ist
der Umstand, dass wir fast unvorbereitet in sie
hineingeschlittert sind. Wir haben die Grenzen ge-
öffnet, ohne zu wissen, wie wir mit dem Zustrom
der Flüchtlinge umgehen sollen. Darin steckt ein
ungeheurer Zündstoff für die Glaubwürdigkeit der
Politik. Nötig wäre es, dass die Politik mit geord-
neten Strukturen und Abläufen mit dem Problem
fertigwird, statt sichmühsamvoranzutasten. Au-
ßerdem– Frau Kern hat in ihremStatement darauf
hingewiesen –muss auch die Verwaltung befähigt
werden, diese gigantische Aufgabe zu bewältigen
und die politischen Ziele in angemessener Frist
umzusetzen.
Axel Gedaschko:
Den Kommunen ist es mit
Unterstützung vieler Freiwilliger fast überall in
nicht erwarteter Geschwindigkeit gelungen, die
unvorhersehbare Situation mit Unterbringung
und Versorgung in den Griff zu bekommen. Wäh-
rend die einen sich ins Zeug legten, lamentierten
anderen insbesondere in den neuen Medien wie
Facebook und Co. und beschworen apokalyptische
Situationen herauf. Und leider hat auch ein Teil der
Medien jegliche Neutralität fahren lassen. Statt
Erklärungen wurden Aufgeregtheiten verbreitet.
Lukas Siebenkotten:
Hier widerspreche ich Ih-
nen. In denMedienwird zwar die Bundeskanzlerin
kritisiert, aber ich erkenne noch nicht einmal in der
„Bild“-Zeitung, dass gegen Flüchtlinge gehetzt
würde. Nein, ich habe wirklich nicht den Eindruck,
dass in den Leitmedien über die Flüchtlinge her-
gezogen wird.
Prof. Dr. Herbert Ludl:
In Österreich ist das leider
anders. Wir haben eineMedienkonzentration, und
die Medien sind damit beschäftigt, alle Strafta-
ten von Afghanen oder anderen Migranten
21. Brandenburger-Hof-Gespräch
Umdenken und Zwischenlösungen ermöglichen
In der anschließenden Debatte um Baugrundstücke und Finanzierungsmöglichkeiten, Pro und Contra
seriellen Neubaus und den Gedanken, wieder große Wohnsiedlungen zu entwickeln, endete das Gespräch
mit dem Appell, ein Konklave für die Parteispitzen der großen Koalition einzuberufen ...
„Die Bundesrepublik Deutschland ist durch die ökonomische Globalisierung
reich geworden. Jetzt erleben wir die Kehrseite dieser Globalisierung im
Politischen und wir werden einen Teil dessen, was wir erwirtschaftet haben,
mit anderen Menschen teilen müssen.“
Jürgen Steinert
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5|2016