DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 2/2016 - page 64

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2|2016
RECHT
BGB § 535, ZPO § 253 Abs. 2
Unzulässige Saldoklage bei verschieden-
artigen Forderungen des Vermieters
Die Zahlungsklage ist unzulässig, wenn Ausstände aus Netto- und/
oder Bruttomieten für einen längeren Zeitraum geltend gemacht
werden, denen wiederum Gutschriften (Überzahlung Miete, Gutha-
ben Heizkostenabrechnung etc.) gegenübergestellt werden.
AG Hanau, Urteil vom 28.10.2015, 37 C 44/15
Bedeutung für die Praxis
Eine Klageerhebung ist unzulässig, wenn der Kläger den Streitgegenstand
nicht entsprechend den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO bestimmt
hat. Es muss sich also aus dem Klagevorbringen ergeben, welche von
mehreren dem Klagezeitraum unterfallenden Ansprüchen dem geltend
gemachten Betrag zugrunde liegen und worüber das Gericht somit
tatsächlich zu entscheiden hat, über welche Arten von Ansprüchen also.
So sich vorliegend die Klägerin auf die Grundsätze der sogenannten „Sal-
doklage“ beruft, sind diese nicht anzuwenden. Für die Geltendmachung
eines Gesamtbetrages aus – wie hier - mehreren Forderungsarten besteht
diese Möglichkeit nicht, da das Gericht in diesem Fall unterschiedliche
Prüfungen bzgl. der Forderungsvoraussetzungen oder deren Wegfall
vornehmen muss. Die Instanzrechtsprechung lässt auch nach dem BGH-
Urteil in Abgrenzung zu diesem eine Saldoklage nach Art der Klägerin bei
unterschiedlichen Forderungen ebenfalls nicht zu, da dieser Fall vom BGH
aufgrund der Forderung nach einer „einheitlichen“ Anspruchsart nicht der
Saldoklage unterstellt ist. Die Unzulässigkeit der Klage folgt hier daraus,
dass die Klägerin vier unterschiedliche Anspruchsarten in das Mietkonto
eingestellt hat, welches dem eingeklagten Saldo zugrunde liegt, nämlich
Nettomieten und Betriebskostenvorauszahlungen für mehrere Monate,
Heizkostennachzahlungen und eine Mahngebühr. Dass Gericht muss also
wissen, ob und inwieweit die Klägerin spätere Zahlungen auf die einzelnen
Mieten verrechnet hat (anders als bei den der BGH-Entscheidung zugrun-
verwalter nach § 152 Abs. 1 ZVG die Aufgabe, das verwaltete Grundstück
in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu
verwalten. Hieraus folgt als Teil des Rechts zur Verwaltung und Benutzung
des Grundstücks die Befugnis, eine Schmälerung der nach § 155 ZVG zu
verteilenden Nutzungen abzuwenden und wegen anderer als Miet- oder
Pachtforderungen Klage - auch gegen Dritte - zu erheben. Daher macht es
keinen Unterschied, ob sich die Kaution in den Händen des Schuldners oder
bei einer Hausverwaltung befindet, die sie für den Schuldner eingezogen,
aber noch nicht an ihn ausgekehrt hat. Um der Verpflichtung des Zwangs-
verwalters Rechnung zu tragen, den Gläubigern den möglichst ungeschmä-
lerten Erhalt der Haftungsmasse zu gewährleisten, ist es vielmehr geboten,
dass der Zwangsverwalter einer Eigentumswohnung die Kaution in diesen
Fällen auch vom Verwalter der Wohnungseigentumsanlage verlangen
kann. Beachtliche Eigeninteressen des Verwalters der Wohnungseigen-
tumsanlage sind nicht berührt, weil er bei Entgegennahme der Kaution für
den Vermieter nur als dessen Zahlstelle fungiert. Ihm kommt kein größeres
Schutzbedürfnis zu als dem Schuldner selbst, für den er tätig geworden ist.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
deliegenden Ansprüchen auf Nutzungsentschädigung), um überhaupt
prüfen zu können, ob noch Vorauszahlungsanteile dem Klageantrag
zugrunde liegen, weil diese nicht zuzusprechen wären. Erst dann kann
geprüft und festgestellt werden, ob der Anspruch noch besteht.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 314 Abs. 3, 550 S. 1, 578 Abs. 1, 578 Abs. 2 S. 1
Schriftform für den Gewerberaummiet-
vertrag; erhebliche Flächenabweichung
Es stellt einen Verstoß gegen die gesetzliche Schriftform dar, wenn
der Mieter vereinbarungsgemäß über die in der Vertragsurkunde
genannten 320 m
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im Gebäude hinaus mehr als 900 m
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um das
Gebäude herum nutzt, die für die Durchführung des Mietzweckes
durch den Mieter von erheblicher Bedeutung sind.
OLG Dresden, Beschluss vom 25.8.2015, 5 U 1057/15
Bedeutung für die Praxis
Zur Wahrung der Schriftform ist es erforderlich, dass die Vertragsurkunde
die wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere Mietgegenstand,
Mietzins sowie Dauer und Parteien des Mietverhältnisses, enthält. Im
schriftlichen Vertrag war der Mietgegenstand mit einer Gesamtfläche von
320 m
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zum Selbstausbau bezeichnet, wobei sich aus der Zusatzverein-
barung I ergab, dass eine Ersatzfläche für einen Biergarten von ca. 50 m
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angelegt werden könnte, wenn der Mieter mangels Genehmigung keinen
solchen auf einem Balkon errichten könnte. Infolge der mündlichen Ver-
tragsänderung nutzte die Beklagte aber weitere Flächen, die einen Um-
fang von über 900 m
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ausmachten. Berücksichtigt man, dass die Regelung
in der Zusatzvereinbarung I die potenzielle Nutzung einer Fläche in der
Größe von 50 m
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erlaubte, bleibt es bei einer von der Beklagten aufgrund
Zusatzvereinbarung genutzten Fläche von mehr als 900 m
2
. Eine solche
Abweichung der vereinbarungsgemäß genutzten Mietfläche von der im
schriftlichen Mietvertrag niedergelegten Fläche bedeutet einen Verstoß
gegen die gesetzliche Schriftform. Im vorliegenden Fall ist die im Verhält-
nis zum schriftlichen Mietvertrag zusätzliche Flächennutzung von Seiten
der Beklagten schon wegen ihres beträchtlichen Umfangs, der ein Mehrfa-
ches der im Mietvertrag bezeichneten Fläche ausmacht, wesentlich. Es
kommt hinzu, dass es sich nicht nur um Nebenflächen handelt, sondern
um Bereiche, die für die Durchführung des Mietzwecks nach eigenem
Vortrag der Beklagten erhebliche Bedeutung hatten. Die Beklagte wendet
ein, die Berufung der Klägerin auf den Schriftformmangel verstoße gegen
Treu und Glauben: Diese Voraussetzungen sind aber nicht gegeben, weil
es sich bei der Klägerin nicht um den Vertragspartner der Beklagten
handelt, durch dessen mündliche Vereinbarungen mit der Beklagten die
Schriftform verletzt wurde. Die Klägerin ist als Grundstückserwerberin in
das bestehende Mietverhältnis eingetreten. Der Einwand der Treuwidrig-
keit kann ihr gegenüber, die sich selbst dann auf den Formmangel berufen
kann, wenn dies dem ursprünglichen Vermieter nach § 242 BGB verwehrt
wäre, nicht gemacht werden – sonst würde der Schutzzweck des § 550
S. 1 BGB, der zwingendes Recht enthält, unterlaufen.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
1...,54,55,56,57,58,59,60,61,62,63 65,66,67,68
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