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2|2016
WEG §§ 12, 21, 23 Abs. 1, 23 Abs. 3
Veräußerungszustimmung der
„Mehrheit der Wohnungseigentümer“
Die Bestimmung einer Teilungserklärung, dass zur Ver-
äußerung eines Wohnungseigentums die Zustimmung der
„Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer“ erforderlich
ist, ist dahin auszulegen, dass als zustimmungsberechtigt die
Eigentümerversammlung bezeichnet wird, die darüber im
Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung mit der dafür in der
Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Mehrheit zu entschei-
den hat.
OLG Hamm, Beschluss vom 16.7.2015, 15 W 294/15
Bedeutung für die Praxis
Üblicherweise bestimmt die Teilungserklärung, dass der WEG-
Verwalter einer Veräußerung generell oder in bestimmten Fällen
zustimmen muss. Dieser kann dann vom Veräußerer Auskünfte über
den Erwerber verlangen, die Auskünfte prüfen und bei fehlendem
wichtigem Grund für die Versagung die Zustimmung erklären. In
schwierigen Fällen darf der Verwalter auch die Eigentümerver-
sammlung um eine Weisung oder das Ersetzen seiner Zustimmung
angehen.
In dem obigen Fall des OLG Hamm wurde qua Teilungserklärung eine
Zustimmung in Form eines Mehrheitsbeschlusses kreiert.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 16 Abs. 3, § 25 Abs. 2
Änderung des Kostenverteilungs-
schlüssels für Betriebskosten
Sieht die Gemeinschaftsordnung abweichend von dem gesetzlichen
Kopfprinzip des § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG ein anderes Stimmgewicht
(z. B. Miteigentumsanteil, Einheiten oder Wohnfläche) vor, so kommt
dies auch für die Berechnung der Stimmenmehrheit beim Beschluss
über die Änderung des Kostenverteilerschlüssels gemäß § 16 Abs. 3
WEG zum Tragen (andere Auffassung jedenfalls bisher Häublein, ZfIR
2012, 249, 250; Merle in Bärmann § 25 Rn. 30).
BGH, Urteil vom 10.7.2015, V ZR 198/14
Bedeutung für die Praxis
Der BGH hat einen praxisrelevanten Streit im Sinne der herrschenden
Meinung entschieden. Im Gegensatz zur doppelt qualifizierten Mehrheit
(vgl. §§ 16 Abs. 4, 22 Abs. 2 WEG) ist die einfache Mehrheit bei der Än-
derung des Verteilerschlüssels für Betriebskosten (vgl. § 16 Abs. 3 WEG)
nach dem Stimmkraftprinzip der jeweiligen Gemeinschaftsordnung und
nur subsidiär – wenn die Gemeinschaftsordnung/ Teilungserklärung im
weiteren Sinne keine abweichende Regelung aufweist – nach Köpfen (§ 25
Abs. 2 WEG).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 10 Abs. 2 S. 2, Abs. 6 S. 3 Halbs. 2, 15 Abs. 1,
Abs. 3, BGB § 242
Unterlassungsklage wegen zweckwidri-
ger Nutzung einer Teileigentumseinheit
„Laden“ als Gaststätte
1. Wird ein Mehrheitsbeschluss gefasst, wonach bestimmte ge-
meinschaftsbezogene Individualansprüche der Wohnungseigen-
tümer (für die eine geborene Ausübungsbefugnis des Verbands
nicht besteht) im Wege der Klage durchgesetzt werden sollen,
wird im Zweifel eine gekorene Ausübungsbefugnis des Verbands
begründet.
2. Klagen die Wohnungseigentümer, obwohl für deren geltend
gemachte Rechte gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG eine alleinige
Ausübungsbefugnis des Verbands besteht, kann die Klage dadurch
zulässig werden, dass der Verband im Wege des gewillkürten
Parteiwechsels in den Prozess eintritt; der Parteiwechsel ist als
sachdienlich anzusehen und kann noch in der Revisionsinstanz
erfolgen.
3. Die Verwirkung eines Unterlassungsanspruchs wegen der zweck-
widrigen Nutzung einer Teileigentumseinheit schützt deren
Eigentümer davor, dass er das bislang geduldete Verhalten ändern
oder aufgeben muss, vermittelt ihm jedoch nicht allgemein die
Rechtsposition, die er innehätte, wenn die Nutzung von der Tei-
lungserklärung gedeckt wäre.
4. Eine Teileigentumseinheit, die nach der Teilungserklärung als Laden-
raum dient, darf nicht als Gaststätte mit nächtlichen Öffnungszeiten
genutzt werden, wenn das maßgebliche Landesrecht die nächtliche
Öffnung von Verkaufsstellen untersagt.
5. Für die schuldrechtliche Änderung einer in der Teilungserklärung
enthaltenen Zweckbestimmung ist erforderlich, dass jeder Son-
dereigentümer Kenntnis sowohl von dem Inhalt der Teilungserklä-
rung als auch von der Rechtswidrigkeit der derzeitigen Nutzung
hat und allseitig der rechtsgeschäftliche Wille besteht, für die
Zukunft eine verbindliche Änderung vorzunehmen; eine schlichte
Duldung reicht keinesfalls aus.
BGH, Urteil vom 10.7.2015, V ZR 169/14
Bedeutung für die Praxis
Das Unterlassen einer zweckbestimmungswidrigen Nutzung kann als
Individualanspruch von jedem Wohnungseigentümer geltend gemacht
werden; und zwar mit Erfolg, wenn diese Nutzung bei typisierender Be-
trachtungsweise mehr stört als die teilungserklärungsgemäße Nutzung.
Soweit öffentlich-rechtliche Beschränkungen später wegfallen, kann
ein Begriff wie „Laden“ einem Bedeutungswandel unterliegen. Bis dahin
muss der Betreiber einer Gaststätte im „Laden“ zumindest die noch
geltenden Ladenöffnungszeiten einhalten, wenn es ihm nicht gelingt,
eine großzügigere Regelung mit den übrigen Eigentümern – einstimmig –
zu vereinbaren. Wenn die Gemeinschaft diese Individualansprüche durch
Beschluss „vergemeinschaftet“, muss der einzelne sein bereits laufendes
Gerichtsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklären.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT