STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
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8|2015
Weiterentwicklung großer Wohnsiedlungen
Großes Zukunftspotenzial, trotz erheblicher
Investitionsbedarfe
Mit der Studie „Weiterentwicklung großer Wohnsiedlungen“ liegt erstmals seit über 20 Jahren wieder
eine bundesweit repräsentative Untersuchung zum Investitionsbedarf und Handlungserfordernissen
in den großen Mietwohnbeständen des 20. Jahrhunderts vor. Sie belegt, dass die einst viel gescholtenen
großen Wohnsiedlungen eine Perspektive haben – die richtigen Investitionen vorausgesetzt.
Was war der Anlass, die Studie zu beauftragen? Die
Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen steigt.
Bau- und Wohnungswirtschaft sind an qualitativ
hochwertigen, rationellen und kostengünstigen
Lösungen sowohl beim Neubau als auch im Be-
stand interessiert. Die Potenziale in den großen,
im 20. Jahrhundert in Ost- wie Westdeutschland
errichtetenWohnsiedlungen sind dabei von beson-
derem Interesse. Dort befindet sich die Mehrzahl
dermit bauindustriellenMethoden errichteten und
von der organisierten Wohnungswirtschaft be-
wirtschafteten Wohnungen. Hier leben ca. 8 Mio.
Menschen in 4 Mio. Wohnungen.
Die Erneuerung und Weiterentwicklung dieser
Bestände ist eine Bauaufgabe mit immensem In-
vestitionsbedarf, der in der vom Kompetenzzen-
trum Großsiedlungen e. V. gemeinsam mit dem
Deutschen Institut für Urbanistik erarbeiteten
Studie bis 2030 mit insgesamt 90 Mrd. € bezif-
fert wird. Bauliche Standards, Alter und Qualität
der Bestände führen zu lokal spezifischem, in der
Regel erheblichem Erneuerungsbedarf. Dies be-
trifft Siedlungen in den neuen wie in den alten
Ländern, die allein schon aufgrund ihrer schieren
Dimension für die soziale Wohnraumversorgung
auf lange Sicht unverzichtbar sind. Die anstehen-
den Aufgaben sind sehr verschieden:
• In den Städten wachsender Regionen zieht die
Nachfrage nachWohnungen an, die Leerstände
gehen gegen null. Erforderlich ist bezahlbarer
Dr. Bernd Hunger
Vorsitzender Kompetenzzentrum
Großsiedlungen e. V.
Referent für Stadtentwicklung
GdW, Berlin
Die Studie zählt dazu:
• die nach dem Leitbild „Licht, Luft, Sonne“ erbauten mehrgeschossigen Sied-
lungen der 1920er und 1930er Jahre,
• die nach dem Leitbild der „aufgelockerten Stadtlandschaft“ errichteten
mehrgeschossigen Wohngebiete der 1950er und 1960er Jahre,
• die dem Leitbild „Urbanität durch Dichte“ folgenden, häufig vielgeschossigen
Wohnensembles der 1960er und 1970er Jahre in den alten Ländern,
• die in industrieller Bauweise zur Lösung der „Wohnungsfrage als soziales
Problem“ errichteten Wohngebiete der 1970er und 1980er Jahre in den
neuen Ländern.
Als „groß“ gelten in dieser Studie Siedlungen ab ca. 500 Wohnungen bzw.
1.000 Einwohnern.
WAS SIND „GROSSE WOHNSIEDLUNGEN“?
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FALLSTUDIEN
Abbildung 6:
Verteilung der Fallstudien
Quelle: Darstellung
Kompetenzzentrum Großsiedlu
FALLSTUDIEN
Im Anschluss an die Befragungen von Kommunen und Wohnungsunternehmen wurden ausge-
wählte Wohnsiedlungen vertieft untersucht. Die Fallstudien geben einen illustrativen Überblick
über die Vielfalt der Ausgangssituationen und Erneuerungskonzepte auf hoher Konkretheitsstufe.
Sie dienten zudem der ortskonkreten Einordnung der geschätzten Investitionsbedarfe sowie der
Schärfung der Handlungsempfehlungen.
Bei der Auswahl urde eine möglichst große Bandbreite übertragbarer typischer Fallkonstellatio-
n angestrebt. Auswahlkrit rien waren:
>
Siedlungsgröße und -struktur (verschiedene Epochen des Städtebaus),
>
Lagemerkmale:
-
ausgewogene territoriale Verteilung nach Bundesländern,
-
Lage in wachsenden oder schrumpfenden Regionen,
>
Eigentumsverhältnisse,
>
bauliche und soziale Rahmenbedingungen,
>
Entwicklungsstrat gien.
Die Auswahl ist weder eine Best-Practice-Sammlung, noch kann sie dem Anspruch typologischer
Vollständigkeit gerecht werden. Nach einheitlichen inhaltlichen sowie methodischen Vorgaben
erfolgte die Sekundäranalyse vorhandener Daten und Planungskonzepte, der sich Experteninter-
views und Vorortgespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des jeweiligen Wohnungsunterneh-
mens nschlossen.
Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht jeweils die Perspektive eines Wohnungsuntern hmens.
Aufgezeigt w rden die Vorgehensweisen und strategischen Überlegungen bei der Ern uerung der
Siedlungen. Zudem wird ablesbar, welche Schwerpunktthemen im Mittelpunkt stehen und welche
Schwerpunktverschiebungen es über die Jahre gegeben hat.
I Siedlungen der
1920/30er Jahre
II Siedlungen der
1950/60er Jahre
III a Siedlungen der
1960/80er Jahre
(West)
III b Siedlungen der
1970/80er Jahre
(Komplexer
Wohnungsbau Ost)
Bremen
Berlin
Dresden
Erfurt
Nürnberg
Köln
Potsdam
Lutherstadt
Wittenberg
Quelle: Kompetenzzentrum Großsiedlungen