67
7|2015
Ballungsregionen versuchen Wohnungsunter-
nehmen, in ihren Beständen durch Anbauten,
Nachverdichtung oder Aufstockungen zusätzli-
che Wohneinheiten zu schaffen. Dies gilt insbe-
sondere für Liegenschaften aus den 1960er bis
1980er Jahren.
Welche Berechnungswege sind sinnvoll, sorgen
bei Wohnungsunternehmen und Planungsbüros
für Zufriedenheit und sind juristisch durchzuhal-
ten?
Drei häufige Konfliktherde
Mitzuverarbeitende Bausubstanz ist nach Defini-
tion der HOAI 2013 der Teil eines zu planenden
Objektes, der bereits hergestellt ist und durch Pla-
nungs- oder Überwachungsleistungen technisch
oder gestalterisch mitverwendet wird. Umfang
und Wert der mitzuverarbeitenden Substanz sol-
len nach der Vorstellung des Verordnungsgebers
schriftlich festgelegt werden. Die Schriftform ist
aber keine Voraussetzung dafür, dass sie bei der
Abrechnung in Ansatz gebracht werden kann.
Drei Konfliktherde sind in diesemZusammenhang
häufig anzutreffen:
• Ein mögliches Problem ist, dass die künftigen
Vertragsparteien sich schon zu Beginn nicht
über die Substanz-Berücksichtigung einigen
können.
• Oder zweitens, dass der Architekt denmitzube-
arbeitenden Bestand nicht in seine Honorarvor-
stellungen einfließen lässt. Oft meiden Planer
das Gespräch über diesen Honorarhebel, umdie
Geschäftsanbahnung nicht zu belasten.
• Problematisch wird es auch, wenn der Bauherr
einen zu berücksichtigenden Wert vorgibt, der
vertraglich fixiert wird, sich aber später als
nicht angemessen erweist. Der Architekt legt
dann in seiner Schlussabrechnung einen ande-
ren Wert als „angemessen“ im Sinn der HOAI
zugrunde.
Bestand im Vorfeld genau untersuchen
Die Vertragsparteien sind mit Blick auf die Ho-
norarseite gut beraten, bei einem Mix aus Neu-
und Altbau in der Grundlagenermittlung die Be-
standsflächen genau unter die Lupe zu nehmen.
Ergibt sich, dass vorhandene Bauteile einbezogen
werden, sollte der Umfang vor Vertragsschluss
einverständlich festgelegt werden. Auftraggeber
und Planer sollten ihre Berechnungen unbedingt
zum Vertragsbestandteil machen. Wegen der
Streitfälligkeit dieser Thematik landen Konflikte
nicht selten vor Gericht. Dies kann zu jahrelangen
Gutachtenverfahren führen.
Eine frühe Verständigung ergibt auch aus Auf-
traggebersicht Sinn, da der Auftraggeber den
Mindestsatz beachten muss. Bezogen auf die
Bausubstanz bedeutet dies, dass nur die ange-
messene Berücksichtigung eine Rechtssicherheit
dahingehend gewährleistet, dass die Honorar-
vereinbarung verbindlich ist und bleibt. Denn sie
muss sich am zwingenden Preisrecht der HOAI
messen lassen.
Verbreitetes Berechnungsmodell
Um die anrechenbaren Kosten aus der mitzu-
verarbeitenden Bausubstanz angemessen zu
bestimmen, sind die sogenannten Wert- und
Leistungsfaktorenmaßgeblich. Folgende Berech-
nungsschritte sind zu vollziehen: Zunächst wird
die Menge der mitzuverarbeitenden Bausubstanz
in Quadratmetern bestimmt (M). Dann wird der
Substanzwert nach ortsüblichen Preisen in Euro
ermittelt (W). Im dritten Schritt wird der effektiv
dem Erhaltungszustand entsprechende Wertfak-
tor angesetzt (WF), danach der Leistungsfaktor
in Form der Mitverarbeitung pro Leistungsphase
bestimmt (LF). Dieser hängt davon ab, inwieweit
beim Mitverarbeiten planerische und überwa-
chende Tätigkeiten anfallen. Die gängige Formel
lautet somit verkürzt: M x W x WF x LF (für ein
Rechenbeispiel siehe Kasten rechts).
ImEinzelfall kann überlegt werden, ob der gemäß
HOAI 2013 vorgesehene Umbauzuschlag in Höhe
von maximal 33% als Kompensation auf die für
den Neubau erbrachten Leistungen dienen kann.
Die Praxis zeigt, dass es selten gelingt, einen Zu-
schlag jenseits von 20% auszuhandeln. Darüber
hinaus scheinen schriftliche Vereinbarungen unter
20% nach der HOAI 2013 auch zulässig zu sein.
Somit könnte eine bilaterale Erhöhung dieses Zu-
schlages auf den Maximalzuschlag von 33% für
Gebäude dazu dienen, den Parteien aufwändige
Ermittlungen der Bausubstanz zu ersparen. Auch
hier sind die Vertragsparteien gut beraten, die be-
absichtigte Kompensation schriftlich festzulegen.
Zudem ist eine Kompensation auf anderemWege,
etwamittels Anhebung des Mindestsatzes oder der
Honorarzone, denkbar.
Laut BGH-Urteil spielt es eine untergeordnete Rol-
le, über welche Honorarparameter der Architekt
die gebotene Entlohnung für die Mehrleistungen
aufgrund anrechenbarer Bausubstanz erreicht.
Entscheidend ist, dass er mindestens die nach
HOAI vorgesehene Gesamtsumme erreicht (BGH,
VII ZR 16/03 in BauR 2005, 735).
• Sie sollten sich auf die Berechnungsart verständigen und diese schriftlich festlegen. Gängige
Berechnungsformeln und Beispiele zu maßgeblichen Leistungsfaktoren sind hilfreich.
• Wurde im Vorfeld keine Vereinbarung getroffen, darf der Architekt ungeachtet dessen in
seiner Schlussrechnung einen angemessenen Wert für die tatsächlich mitberücksichtig-
te Bausubstanz zugrunde legen, um nach dem Preisrecht auf den Mindesthonorarsatz zu
gelangen.
• Wurde im Vorfeld eine Vereinbarung getroffen, deren Angemessenheit fraglich ist, muss
sich der Auftraggeber darüber im Klaren sein, dass sie aus preisrechtlichen Gesichtspunkten
angreifbar ist.
• Kommt es zu ernsthaften Meinungsverschiedenheiten, können die Vertragspartner als
Alternative zu einem langwierigen Gutachter-Rechtsstreit einen HOAI-Sachverständigen als
Schiedsgutachter beauftragen. Dessen Bestimmung im Rahmen eines Schiedsgutachterver-
fahrens ist grundsätzlich verbindlich.
WAS BAUHERR UND ARCHITEKT IN SACHEN
ANRECHENBARER BAUSUBSTANZ BEACHTEN SOLLTEN
Die gängige Formel lautet:
M x W x WF x LF.
Beispiel:
Eine Außenwand von 50 m
2
Fläche (M)
und einem Subtanzwert von 1.000 € (W)
soll bei einem Anbau angerechnet werden.
Gemäß ihrem Zustand (30 Jahre alt) wird
sie um den Wertfaktor 0,7 (WF), reduziert.
Der Architekt mit dem Auftrag über die
Phasen 1 bis 4 muss die Wand planerisch
berücksichtigen. Demnach ergibt sich un-
ter Berücksichtigung der Leistungsfaktoren
für die Objektplanung nach Locher/Koeble/
Frik (12. Aufl., 2014, Rn.66 ff.):
50 x 1.000 € x 0,7 x 0,9 = 31.500 €
als Anteil der in den Phasen 1 bis 4 mitzu-
berücksichtigenden Bausubstanz.
RECHENEXEMPEL FÜR
ANRECHENBARE BAUSUBSTANZ