CONTROLLER Magazin 2/2018 - page 101

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Liebe Leserinnen und Leser,
In der Praxis der Unternehmen – selbst im
Bereich Risikomanagement – hört und liest
man immer wieder, Risiken sollten mini-
miert werden. Selbst in Fachtexten und
Lehrbüchern zum Risikomanagement findet
man noch immer eine derartige Zielsetzung
des Risikomanagements. Tatsächlich ist
das Ziel der Minimierung von Risiken öko-
nomisch unsinnig. Wenn ein Risikomanager
das Ziel „Risikominimierung“ gegenüber der
Geschäftsleitung nennt, schädigt er quasi
unmittelbar das Ansehen des Risikomanage-
ments, weil jeder Unternehmer weiß, dass
Risikominimierung nicht sinnvoll geht.
Bei einer nicht sicher vorhersehbaren Zukunft
ist jede unternehmerische Tätigkeit immer mit
Chancen und Gefahren (Risiken) verbunden.
Selbst wenn man sein Unternehmen in eine
Festgeld-Anlage umwandeln wollte, blieben –
wenn auch vergleichsweise geringe – Unter-
nehmensrisiken. Möchte man die Risiken
gegen Null bewegen, steigen zudem die dafür
notwendigen Kosten gegen unendlich. Wenn
ein Unternehmen beispielsweise versuchen
wollte, das Ausfallrisiko des erfolgskritischen
Rechenzentrums auf Null zu bekommen, wür-
den selbst mehrere redundante Rechenzentren
auf verschiedenen Kontinenten letztlich nicht
ausreichen. Es verbliebe ein kleines „Rest-
risiko“. Wenn man dies versteht, wird klar, dass
man für die Risikobewältigung zunächst einmal
ein sinnvolles Ziel formulieren muss. Unterneh-
men mit primär an wirtschaftlichen (finanziellen)
Zielen orientierten Eigentümern geht es
primär um die Optimierung des Ertrag-Risiko-
Profils (und damit des Unternehmenswerts).
Man kann dabei durchaus als Nebenbedingung
einen maximal akzeptieren Gesamtrisiko-
umfang vorschreiben, z. B. ausgedrückt in einer
maximal akzeptierten Insolvenzwahrscheinlich-
keit (oder Ratingnote). Auch die Insolvenzwahr-
scheinlichkeit kann allerdings nie Null sein.
In dem durch solche Vorgaben aufgesteckten
Rahmen müssen bei der Beurteilung z. B. von
Risikobewältigungsmaßnahmen zur Reduzie-
rung eines Risikos, die mit diesen verbundenen
Kosten gegen die Vorteile einer Reduzierung
des Risikoumfangs (und damit z. B. des Eigen-
kapitalbedarfs zur Risikodeckung) abgewogen
werden. Dieses Abwägen von Ertrag und Risiko
nennt man eine risikogerechte Bewertung, die
speziell bei der Beurteilung von Risikobewälti-
gungsstrategien (wie Versicherungspolicen)
in den sogenannten Risikokosten-Modellen
(Total Cost of Risk) zum Tragen kommt.
Dieses Vorgehen trägt dem Sachverhalt Rech-
nung, dass auch Unternehmen mit knappen
Ressourcen – Geld und auch Management-
kapazität – ausgestattet sind und entsprechend
immer ein Abwägen im Hinblick auf den
sachgerechten Einsatz dieser Ressourcen
erforderlich ist.
Fazit: Wer ernsthaft auf eine Minimierung des
Risikoumfangs zielt, hat die Grundintension
des Risikomanagements nicht verstanden.
Auch ein Anstieg des Risikos kann akzeptabel
sein, wenn dies mit einem überproportionalen
Anstieg der erwarteten Erträge verbunden ist.
Die „Risikominimierungsideologie“ in manchen
Unternehmen trägt sicherlich zur geringen
Akzeptanz des Risikomanagements bei
und fördert den Ruf des „Geschäfts- und
Chancen-Verhinderers“. Es ist von grund-
legender Bedeutung – auch im Rahmen der
Risikokultur – dieses Missverständnis zu
vermeiden und auch durch eine regelmäßige
Weiterbildung in fachlicher Hinsicht ein
adäquates Risikomanagementverständnis
im Unternehmen zu etablieren und Risiken
fundiert zu quantifizieren. Dazu trägt auch
wieder der in der aktuellen Ausgabe ab
Seite 66 befindliche Fachtext bei: Jörg Fuchs,
„Quantifizierung von schwankungsbehafteten
Sachverhalten im Risikomanagement – Risiken,
Chancen, Grundlagen und Umsetzung“ . //
Viel Spaß beim Lesen!
Ihr Prof. Dr. Werner Gleißner
TOP
EVENT
28. März 2018
– Roundtable RMA-Österreich an
der Donau-Universität Krems: „EU-Datenschutzgrund-
verordnung: Chancen und Risiken für den Schutz von
Daten und geistigen Eigentum
11. April 2018
– Start des nächsten Fortbildungs-
programms Enterprise Risk Manager (Univ.)
12. April 2018
– Sitzung des Arbeitskreises
„Risikoquantifizierung“ in der Fachhochschule für
die Wirtschaft (FHDW) in Hannover
12. Juni 2018
– 20. Münchener Risikomanager-
Stammtisch
Impressum
Ralf Kimpel
Vorsitzender des Vorstands der
Risk Management Association e. V.
V.i.S.d.P.
RMA-Geschäftsstelle
Risk Management Association e. V.
Englmannstr. 2, D-81673 München
Tel.: +49.(0)1801 – RMA TEL (762 835)
Fax: +49.(0)1801 – RMA FAX (762 329)
E-Mail:
Web:
Prof. Dr. Werner Gleißner
Tel.: +49.(0)711- 79 73 58 30
CM März / April 2018
Das unsinnige Ziel der Risikominimierung
Optimierung des Ertrag-Risiko-Profils ist das Ziel
Prof. Dr. Werner Gleißner
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