CONTROLLER Magazin 2/2018 - page 108

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Internationaler Controller Verein eV
In diesem, in Auszügen wiedergegebenen
Beitrag berichten Prof. Dr. Heinz-Jürgen
Klepzig und Dr. Hendrik Vater aus der letz-
ten Sitzung des ICV-Fachkreises Working
Capital Management zum Thema „WCM
und Niedrigzinsumfeld“.
Bei einem mittelständischen Unternehmen
klagte der Inhaber über zuviel Cash in seinem
Unternehmen: „Anlegen bringt nichts!“ Ande-
rerseits „Geld aufnehmen kostet (fast) nichts!“
Seine Entscheidung: das Lager aufbauen,
damit man schneller lieferfähig ist. Unter Spe-
kulationsgesichtspunkten erweist sich diese
Entscheidung vielleicht als individuell goldrich-
tig. Unter dem Gesichtspunkt „Wertorientie-
rung“ ist dieser Aufbau des Working Capital
(WoC) jedoch zweifellos abzulehnen.
Hätte man vielleicht den gleichen Effekt durch
eine Verbesserung der Prozesse erreichen
können? Tatsächlich wird in der derzeitigen
Marktsituation des „billigen Geldes“ das
Cash-Management in verschiedenen Unter-
nehmen laxer als bisher durchgeführt und
damit WoC-Management als weniger dringlich
angesehen. Cash ist derzeit für die Unterneh-
men in aller Regel kein Engpass.
Fazit:
Die derzeitige Marktsituation ist nicht
sonderlich WoC-motivierend.
Bevor man nun konsequentes WoC-Manage-
ment aufgrund niedriger Zinsen als aktuell
wenig relevant aufgibt, sollte man seine Wir-
kungen im Einzelnen untersuchen. WoC-
Gestaltung ist: Cash-, Ergebnis- und Bilanz-
relevant.
(Im weiteren Verlauf ihres Beitrages erläutern
die Autoren anschaulich, wie sich niedrige
Zinsen in diesen drei Dimensionen auswirken.)
Gemäß unserer Argumentation hat konse-
quentes WoC-Management ungemindert eine
hohe Bedeutung. Warum dann diese vielerorts
zu beobachtenden Ermüdungserscheinungen
im WoC-Management?
Gutes WoC-Management wird in den heutigen
zinslosen Zeiten augenscheinlich bestraft:
erarbeitete Überschussliquidität kann nur zu
negativen Zinsen vorgehalten werden; es
kommt faktisch zu „Parkgebühren“ für Cash.
Unternehmen werden von Banken und Kapital-
markt über negative Zinsen also quasi für ein
Vorhalten von Überschussliquidität „bestraft“.
Es liegt nahe, dass Unternehmen nun eher
bereit sind, gegen Leitlinien guten WoC-
Managements zu verstoßen, indem sie Lager-
bestände aufbauen, oder Kunden großzügigere
Zahlungskonditionen einräumen, während sie
eigene Zahlungsziele nicht ausreizen.
Cash-Konsequenzen:
Die gegenwärtige
wirtschaftliche Lage in D erscheint als stabil:
gute Auslastung und niedrige Refinanzie-
rungskosten der Unternehmen, niedrige
Arbeitslosenquote, gute Exportquote. Schön,
wenn’s so weitergeht. Wir leben aber in einer
volatilen Welt: die Lektion aus der Lehman-
Krise ist, dass Unternehmen in volatilen Märk-
ten „über Nacht“ außerordentlich hohen
Cash-Bedarf haben können. Liquidität in
Lagerbeständen zu bunkern kann also im
Krisenfall schnell zu Cash-Engpässen führen.
Denn Bestände sind selten in sofort verfüg-
bare Liquidität umzusetzen. Insbesondere in
Krisensituationen heißt es: Cash is King!
Wenn ein Unternehmen mit straffem WoC-
Management sich Überschussliquidität
erarbeitet hat, ist der Königsweg nicht, im
WoC wieder Fett anzusetzen. Es ist aktiv
nach alternativen Verwendungen für die
Überschussliquidität zu suchen: Skonto-Nut-
zung, Überarbeitung der Zahlungsbedingun-
gen, nullverzinste Kontokorrentkonten sind
Beispiele. Darüber hinaus sind im Unter-
nehmensumfeld massive Veränderungen
absehbar (z. B. Demographie, Digitalisierung,
Elektromobilität ... ), auf die Unternehmen
rechtzeitig mit Weiterbildung, Prozess- und
Produkt-Innovationen und / oder mit m&a-Akti-
vitäten reagieren müssen. Auch dafür braucht
es Cash. In all diesen Fällen ist gutes WoC-
Management unabdingbar vonnöten!
EBIT-Konsequenzen:
Die Vernachlässigung
schlanker Prozessgestaltung durch lässiges
WoC-Management führt schrittweise zu üppi-
geren Prozessen, damit zu höheren Funkti-
onskosten, damit zu einem niedrigeren EBIT.
Wie oben dargelegt, liegen aber genau hier für
viele Unternehmen besonders große Verbes-
serungspotenziale!
Bilanz-Konsequenzen:
Ein nicht-gepflegtes,
nicht fachmännisch zurechtgeschnittenes
WoC hat die Tendenz wild zu wachsen. Die
Auswirkungen zeigen sich in der Bilanzstruk-
tur, aber auch in einer Bilanzverlängerung.
Konsequenz ist – neben einem schlechteren
Rating – die ungünstigere Verzinsung des ein-
gesetzten Kapitals.
Conclusio:
Der derzeitige Betrachtungsfokus
der WoC-Wirkungen ist stark cash-orientiert.
Cash erscheint aktuell nicht als Engpass.
Allerdings vermittelt die momentane wirt-
schaftliche Lage eine Scheinsicherheit: Volati-
litäten können über Nacht einen besonderen
Cash-Bedarf hervorrufen, der – siehe einst in
der Lehman-Krise – nur durch Innenfinanzie-
rung mit gutem WoC-Management bedient
werden kann. Darüberhinaus muss die einsei-
tige Cash-Sicht der WoC-Wirkungen ergänzt
werden: WoC-Gestaltung wirkt weiterhin
breitbandig über die Prozesse auf den EBIT
und über die Bilanz auf den ROCE. Damit sind
drei zentrale KPI’s des Unternehmens ange-
sprochen, die jeweils bestens von gutem
WoC-Management profitieren. Niedrige Zin-
sen hebeln die hohe Bedeutung eines konse-
quenten WoC-Managements für diese KPI
nicht aus. Ermüdungserscheinungen im WoC-
Management sind daher überhaupt nicht
angebracht, sogar brandgefährlich. Ganz im
Gegenteil: Die WoC-Performance ist ein steter
Wachmacher! Und sollte – hoch dosiert –
regelmäßig wahrgenommen werden!
Q
(Der Beitrag in ganzer Länge auf der ICV-
Website
Bereich
„Controlling-Wissen“ über den Filter „Aus
(Branchen-) Arbeitskreisen, Fachkreisen, Ideen-
werkstatt“+„Controlling-Grundlagen“ aufrufen!)
„Niedrige Zinsen: Ermüdungserscheinungen im WoC-Management?“
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