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KANZLEIEN
_BIS ZU 20 ARBEITSRECHTLER
spezial Kanzleien im Arbeitsrecht 2017
Ihre Kanzlei hat Büros an verschiedenen
Standorten auf der Welt. Wie wichtig ist
Internationalität im Arbeitsrecht?
Volker Teigelkötter:
„Nationale“ Mandate, in
denen ausschließlich aus deutschem Blickwin-
kel beraten und gehandelt wird, gibt es nahe-
zu nicht mehr. So findet sich kaum eine Re-
strukturierung in Deutschland, anlässlich derer
nicht ein ausländischer Gesellschafter oder
ein sonstiger ausländischer Entscheidungs-
träger durch die Untiefen des deutschen Ar-
beitsrechts gelotst werden muss. Dies gelingt
nur dem anwaltlichen Berater, der sich in die
unterschiedliche Denk- und Sichtweise aus-
ländischer Mandanten hineinversetzen kann.
Dazu muss der Berater im Laufe der Jahre im-
mer wieder mit ausländischen Sachverhalten
in Berührung kommen und im regelmäßigen
Austausch mit den Kollegen in den weltwei-
ten Standorten der Kanzlei stehen. Auch im
Arbeitsrecht beschreibt das Merkmal „Inter-
nationalität“ daher einerseits die Fähigkeit
einer Sozietät zur reibungslosen Bewältigung
grenzüberschreitender Sachverhalte mit Hil-
fe des gut funktionierenden internationalen
Netzwerks und andererseits eine Qualifikation
des anwaltlichen Beraters selbst.
Ein Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit sind Re-
strukturierungen und Reorganisationen.
Worauf kommt es hier an?
Teigelkötter:
Der Erfolg einer Restrukturie-
rung steht und fällt mit dem unternehmeri-
schen Konzept. Je detaillierter und plausibler
die Erstinformation des Wirtschaftsausschus-
ses ausfällt, desto reibungsloser verlaufen im
Regelfall die Beratungen und Verhandlungen
mit den Arbeitnehmervertretern. In den Wo-
chen vor der ersten Bekanntmachung des
Konzeptes wird der Arbeitsrechtler im Ideal-
fall eng in die Planungen des Unternehmens
eingebunden, um bereits in diesem Frühsta-
dium falsche Weichenstellungen zu vermei-
den. Hinzukommen muss die verlässliche
Einschätzung des voraussichtlichen Zeit- und
Kostenrahmens durch den anwaltlichen Be-
rater. Notwendig sind ferner regionale und
branchenspezifische Kenntnisse über die Do-
tierung von Sozialplänen sowie über die übli-
chen Kandidaten für den Einigungsstellenvor-
sitz und deren Verhandlungsführung.
Das Arbeitsrecht war zuletzt oft von neuen
Entwicklungen geprägt – getrieben auch
durch neue Gesetzgebungsvorhaben. Was
waren im vergangenen Jahr wichtige ar-
beitsrechtlichen Fragen in der Beratung?
Was kommt 2017 auf Unternehmen zu?
Teigelkötter:
Aufgrund ihrer parteipolitischen
Brisanz werden Gesetzgebungsvorhaben auf
dem Gebiet des Arbeitsrechts lange in der Öf-
fentlichkeit diskutiert, bevor sie überhaupt das
Entwurfsstadium erreichen, geschweige denn
in Kraft treten. Beratungsrelevant werden
die Themen daher – wenn überhaupt – erst
deutlich später. Aktuelle Beispiele dafür sind
der Referentenentwurf zum Entgeltgleich-
heitsgesetz oder die vom Arbeitsministerium
angestoßene Diskussion zu Wahlarbeitszeitop-
tionen. Demgegenüber steht die überragen-
de praktische Bedeutung des „Gesetzes zur
Änderung des AÜG und zur Bekämpfung des
Missbrauchs des Einsatzes von Leiharbeit und
Werkverträgen“. Das Gesetz tritt zwar erst am
1. April 2017 in Kraft, die Unternehmen und
ihre anwaltlichen Berater stellen sich aber be-
Interview
mit Volker Teigelkötter, Leiter der Praxisgruppe Arbeitsrecht, Düsseldorf
Volker Teigelkötter
reits seit nahezu einem Jahr darauf ein. Der
gesamte Drittpersonaleinsatz wird auf den
Prüfstand gestellt, zweifelhafte Werkverträ-
ge werden nach umfassenden rechtlichen
„Screenings“ gekündigt sowie Alternativen zur
klassischen Arbeitnehmerüberlassung gesucht
und manchmal – etwa mit dem Gemein-
schaftsbetrieb – gefunden. Dieses Thema wird
uns auch 2017 erhalten bleiben, zumal die Ta-
rifverträge der Einsatzbranchen (zum Beispiel
der modifizierte TV LeiZ in der Metallbranche)
erst noch endverhandelt werden müssen.
Andere Themen bleiben dagegen dadurch be-
ratungsrelevant, dass es noch keine gesetzli-
che Regelung gibt. Berühmtes Beispiel ist der
Beschäftigtendatenschutz. Unverändert su-
chen gerade Konzerne nach Lösungen für den
konzerninternen Datentransfer trotz Fehlens
eines gesetzlich verankerten Konzernprivilegs.