Personalmagazin 8/2018 - page 91

GmbH-Geschäftsführer – gestützt durch
diverse Entscheidungen des Bundesso-
zialgerichts (BSG) – lediglich dann dem
Unternehmerlager zu, wenn sie 50 oder
mehr Prozent der Gesellschaftsanteile
besitzen. In den anderen Fällen gibt es
künftig nicht mehr die Möglichkeit, ei-
nen Gegenbeweis durch Darlegung und
Nachweis der tatsächlichen Verhältnis-
se zu führen. Ausnahmen werden nur
noch dann zugelassen, wenn sich die Ar-
gumente aus dem Wortlaut des Gesell-
schaftsvertrags selbst ergeben.
Für Betriebsprüfer ist dies ohne Frage
eine einfach zu prüfende Sachlage. Perso-
nalabteilungen von Unternehmen mit der
Rechtsform einer GmbH können sich da-
her sicher sein, dass bei einer Betriebsprü-
fung die Lohnunterlagen aller Geschäfts-
führer unter die Lupe genommen werden.
Zudem dürften bei einer darin vermerk-
ten Sozialversicherungsfreiheit die ge-
sellschaftsrechtlichen Unterlagen ange-
fordert werden. Ergibt sich daraus keine
Mehrheitsbeteiligung oder findet sich in
der GmbH-Satzung keine ausdrückliche
Bestimmung, nach der Weisungen an den
Geschäftsführer ausgeschlossen sind, ist
die Sache für die Betriebsprüfer klar: Al-
lein die theoretische Möglichkeit, dass
ein Minderheitsgesellschafter überstimmt
werden kann, macht diesen zum Beschäf-
tigten im Sinne der Sozialversicherung.
Das bestätigte unlängst das BSG (Urteil
vom 14.3.2018, Az. B 12 KR 13/17 R).
Es kommt also weder auf einen noch
so ausgefeilten GmbH-Anstellungsvertrag
an, noch ist es von Relevanz, wenn die
tatsächliche Durchführung des Vertrags-
verhältnisses ohne Weisungen erfolgt.
Beiträge für das Umlage-
verfahren: Das Arbeitsrecht
geht vor – vorläufig
Es liegt auf der Hand, dass die für die
Betriebsprüfer einfach zu handhabende
Rechtslage zu „Traumergebnissen“ auf
der Einnahmeseite der Sozialversiche-
rungsträger führt – zumal aus Geschäfts-
führergehältern meist Höchstbeträge bis
zu den jeweiligen Beitragsbemessungs-
grenzen resultieren. Aber nicht nur das
– bei zahlreichen Prüfungen wurde die
Gunst der Stunde genutzt und aus den
nachberechneten Geschäftsführergehäl-
tern auch noch Beiträge aus den Umlage-
verfahren U1 und U2 berechnet. Auf den
ersten Blick erscheint dies als logische
Folge der Einstufung als Beschäftigungs-
verhältnis.
Findige Juristen waren hier allerdings
anderer Meinung. Sie führten an, dass
für die Abgabepflicht nach dem Aufwen-
dungsausgleichsgesetz (AAG) nicht der
sozialversicherungsrechtliche Begriff des
Beschäftigungsverhältnisses, sondern
der arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbe-
griff maßgeblich sei – und verwiesen auf
die einschlägige BAG-Rechtsprechung.
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV)
musste zunächst einräumen, dass sie in
einigen Beitragsbescheiden zu weit ge-
gangen war und die Differenzierung zwi-
schen Arbeits- und Sozialversicherungs-
recht wohl übersehen hatte. Dies führte
dazu, dass die DRV – sogar ohne aus-
drückliche Rüge – in Widerspruchsver-
fahren auf dieses Problem eingegangen
ist und Beitragsbescheide bezüglich der
Umlagebeiträge zurückgenommen hat.
Umlagepflicht: Das neue
Mutterschutzgesetz sorgt für
eine Kehrtwende
Der Einwand war bezüglich der U2-Pflicht
jedoch nicht von Dauer. Schließlich hat
sich mit Inkrafttreten der Neufassung des
Mutterschutzgesetzes (MuSchG) zum 1.
Januar 2018 die Rechtslage geändert.
Daher wurden die Rücknahmebescheide
für ungerechtfertigte U2-Umlagebeiträ-
ge mit folgendem Hinweis „aufgerüstet“:
Über § 1 Abs. 2 AAG ergibt sich für das
U2-Verfahren eine Änderung für Gm-
bH-Geschäftsführer, die ihre Tätigkeit
im Rahmen einer abhängigen Beschäf-
tigung ausüben – zum Beispiel Fremd-
geschäftsführer oder Minderheitsgesell-
schafter-Geschäftsführer. Für diesen
Personenkreis besteht seit dem 1. Januar
2018 Umlagepflicht im U2-Verfahren.
Die neue Rechtslage soll sich aus der
Neufassung des MuSchG ergeben. Dort
heißt es unter anderem: „Dieses Gesetz
gilt für Frauen in einer Beschäftigung im
Sinne von § 7 Absatz 1 des Vierten Buches
Sozialgesetzbuch.“ Mit anderen Worten:
Die herkömmliche Unterscheidung von
Arbeitnehmern und Beschäftigten wird
bezüglich des Mutterschutzgesetzes auf-
gehoben. Das bedeutet, dass somit auch
GmbH-Geschäftsführer – also Beschäf-
tigte nach der neuen Rechtsprechung –
grundsätzlich in den Schutzbereich des
MuSchG einzubeziehen sind. Sie sind da-
mit potenzielle Leistungsempfänger und
deren Gehälter folglich – jedenfalls nach
der Logik der Rentenversicherungsträger
– generell umlagepflichtig.
Außer Konkurrenz: Die
Ausnahme für Kleinbetriebe
Gänzlich zurückrudern muss die DRV le-
diglich für den Bereich der Kleinbetriebe,
die abgabepflichtig für das U1-Verfahren
sind. Hier räumt die DRV ein, dass weiter-
hin der arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbe-
griffmaßgeblich ist. Eine U1-Verpflichtung
kann sich damit nur dann ergeben, wenn
ein GmbH-Geschäftsführer an kurzer Lei-
ne gehalten wird und konkreten Weisun-
gen seiner Gesellschafter unterliegt. Ob
die Betriebsprüfer jedoch ohne weitere
Nachfrage unterstellen werden, dass der
Geschäftsführer auch Arbeitnehmer ist,
bleibt abzuwarten Das Unternehmen wird
sich wohl zumindest durch Vorlage von
Arbeitsverträgen und Beantwortung eines
Fragebogens erklären müssen.
Als Fazit bleibt: Die Sozialversiche-
rungspflicht von GmbH-Geschäftsfüh-
rern, die keine Gesellschaftsanteile oder
nur solche unterhalb von 50 Prozent be-
sitzen, ist kaum zu vermeiden – weder
durch arbeitsvertragliche Gestaltung
noch durch tatsächliche Handhabung.
Allenfalls Eingriffe in das Gesellschafts-
recht selbst können den GmbH-Ge-
schäftsführer sozialversicherungsrecht-
lich zumUnternehmer machen. Aufgrund
der Änderung des Mutterschutzgesetzes
folgt aus der Sozialversicherungspflicht
auch die Pflicht zur Hereinnahme der
Gehälter von Geschäftsführern in die Um-
lagepflicht U2. Lediglich die Umlage-
pflicht U1 kann entfallen, wenn der ar-
beitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff nicht
erfüllt wird.
THOMAS MUSCHIOL ist Rechtsanwalt
mit Schwerpunkt im Arbeits- und
betrieblichen Sozialversicherungsrecht
in Freiburg.
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Sozialversicherungspflicht
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