te Christoph Bornschein, CEO der Di-
gitalagentur TLGG. „Die Welten fallen
auseinander“, sagte er und machte das
am Thema Scheinselbstständigkeit deut-
lich. Wenn die Beschäftigung von hoch
qualifizierten IT-Consultants nach den-
selben Kriterien wie die Beschäftigung
von Reinigungskräften beurteilt werde,
könne das nicht funktionieren. Die einen
bräuchten Freiheitsräume, die anderen
Schutzräume. Er plädierte deshalb für
eine „Zwei-Speed-Organisation“, ohne da-
für den rechtlichen Rahmen skizzieren zu
können. Die New Worker, auch das wurde
auf der Tagung deutlich, haben bislang
Lösungen zum Aufbrechen von Mustern
anzubieten, aber noch keinen neuen Rah-
men für die Gesamtorganisation.
Wie das Zusammenspiel von Alt und
Neu gelingen kann, konnte man am Zu-
sammenspiel von Fabian Kienbaum und
Walter Jochmann ablesen. Fabian Kien-
baum, der seine CEO-Rolle im Sinne eines
„Chief Empowerment Officers“ interpre-
tiert, brachte eine frische, neue Kultur in
die Tagung, die zentralen inhaltlichen
Impulse lieferte Walter Jochmann. Der
erfahrene Berater plädierte bei seiner
Rede dafür, alte und neue Welt nach un-
terschiedlichen Prinzipien zu organisie-
ren. Die Matrixorganisation sei überholt,
Ambidextrie oder Schwarmorganisation
seien bessere Antworten auf die Heraus-
forderungen der Unternehmen, was auch
für HR gelte. „In der klassischen Welt
brauchen wir unsere HR-Business-Part-
ner, in der neuen Welt People Coaches.“
Für das Zusammenspiel von Alt und Neu
seien die Konzerne besser gerüstet als der
Mittelstand, meinte Jochmann. Der Hype
um die Start-ups flache ab, die Stärke der
Konzerne käme zurück.
Das Organisationsmodell der Ambidex
trie, das ein Nebeneinander unterschied-
licher Führungsmodelle vorsieht, ist eine
starke Idee, die aber nicht alle Probleme
löst, wie man auf der Tagung erleben
konnte. Als die Tagungsmoderatorin
Tijen Onaran bei der Fragerunde den CEO
von EnBWmit „Frank“ ansprach, war die-
ser leicht irritiert – eigentlich ist auf Ma-
nagementkonferenzen ja das „Sie“ üblich,
doch auf der People Convention hatte
sich das „Du“ als Tagungsanrede einge-
schlichen. Spätestens an diesem Punkt
wurde allen klar: Ambidextrie alleine
reicht nicht aus. Wenn sich alte und neue
Welt begegnen, braucht man einen ge-
meinsamen Rahmen.
Start-up-Kultur neben dem klassischen
Konzernumfeld geschaffen hat. Mit sei-
nem Vortrag erreichte er nicht nur die
Herzen der HR-Fachleute („In HR muss
man die besten Leute im Unternehmen
versammeln.“), sondern er präsentierte
auch einen Lösungsansatz, der breite Zu-
stimmung fand: Als CEO müsse man neue
Geschäftsfelder mit einer neuen Kultur
voranbringen, aber gleichzeitig die Mitar-
beiter aus dem klassischen Geschäft wert-
schätzen. Mastiaux: „Ich sage den Leuten
in unseren Innovationseinheiten immer,
dass die Mitarbeiter aus dem klassischen
Geschäft sie finanzieren.“
Eine neue Welt voller Konflikte
Wie intensiv die Konzerne über Alt und
Neu nachdenken, wurde an zahlreichen
Beispielen deutlich. Anne Walther, Vice
President Corporate HR von der DPDHL
Group, setzte sich damit auseinander,
ob und wie man in einem Großkonzern
auf hierarchische Strukturen verzichten
kann. „Am Ende muss es Leute geben,
die für Ergebnisse verantwortlich sind“,
resümierte Walther. Ursula Schwarzen-
bart, die das Projekt Leadership 2020 bei
Daimler mit vorantreibt, berichtete über
oft schmerzliche Rollenveränderungen:
„Die Führungskräfte haben das Gefühl,
sie verlieren an Macht. Und das stimmt.
Aber wenn wir Positionsmacht durch
Sinn und Freude an der Arbeit ersetzen,
kann das ein fairer Deal werden.“
Das Zusammenführen von neuer und
alter Arbeitswelt sei voller Konflikte, die
sich oft nicht auflösen ließen, berichte-
„Die Zukunft
gehört den
Konzernen. Die
Wettbewerbs
fähigkeit des
Mittelstandes
nimmt ab.“
Walter Jochmann, Geschäftsführer
Kienbaum
Die Kienbaum-Jahrestagung ist ein
bedeutendes Ereignis im Jahreskalender
der HR-Manager. Der Unternehmensbera-
tung gelingt es seit vielen Jahren, Kunden
und Interessierte in der altehrwürdigen
Malteser-Kommende in Ehreshoven zu
versammeln. Ein Höhepunkt des Events
war immer die Rede von Walter Joch-
mann, dem langjährigen Geschäftsführer
von KienbaumManagement Consultants,
die in der Szene als „Rede zur Lage der
HR-Nation“ gehandelt wird. Daran hat
sich auch im Jahr 2018 nichts geändert,
auch wenn Jochmann in diesem Jahr
zu Beginn seiner Rede eine Anmerkung
fallen ließ, die seinen Zwiespalt im Um-
gang mit dem Zeitgeist deutlich machte.
„Meine Folien haben in diesem Jahr mehr
und größere Bilder, weniger Tabellen“,
erklärte der Berater, der für seine detail-
lierten Analysen bekannt ist. Am Anfang
der Präsentation hielt Jochmann Wort, im
weiteren Verlauf nahm die Tabellendichte
dann aber doch merklich zu.
Die Personifizierung der Zeitenwende
bei Kienbaumwar der Auftritt von Fabian
Kienbaum, der in der Start-up-Szene so-
zialisiert ist und erstmals die Tagung
eröffnete. Seit er Anfang des Jahres die
Geschäftsführung der Unternehmensbe-
ratung übernommen hat, bleibt dort kein
Stein auf dem anderen. Bei der Tagungs-
eröffnung trat er nicht im klassischen Be-
raterdress mit Anzug und Krawatte auf. Er
hatte sich stattdessen eine spacig-silbrige
Astronautenjacke angezogen, die zum
Motto der diesjährigen Tagung passte –
„Exploring New Dimensions“. Für die Mo-
deration der Tagung hatte er Tijen Onaran
engagiert, die ebenfalls den Neuanfang
signalisierte, als junge Frau aus der Ber-
liner Digitalszene.
Die Dualität von alter und neuer Welt
war bei der Tagung allgegenwärtig. Auf
der einen Seite traten etablierte Unter-
nehmen wie Daimler, Lufthansa und DHL
auf, auf der anderen Seite New-Work-Un-
ternehmen wie TLGG, Einhorn Solutions
und Tandemploy. Doch wie passen diese
beiden Welten eigentlich zusammen?
Wertschätzung des
Bestehenden
Frank Mastiaux, CEO der EnBW Energie
Baden-Württemberg AG, schilderte bei
seiner Keynote eindrücklich, wie er den
einstigen Atomkonzern zu einemmoder-
nen Energieversorger umgebaut und eine
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Kienbaum People Convention 2018