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09/17 personalmagazin
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DR. BARBARA REINHARD
ist Fachanwältin für Arbeits-
recht und Partner bei Kliemt &
Vollstädt in Frankfurt am Main.
le aufgrund der Vorgaben des Mindest-
lohngesetzes nötig. Schließlich fordert
§ 2 Abs. 2 Mindestlohngesetz die Erfül-
lung des Mindestlohns innerhalb einer
Jahresfrist.
Praxismodell vier:
Die Flex- oder Wahlarbeitszeit
Über die Wahlarbeitszeit wird dem Ar-
beitnehmer letztlich in erweitertem Rah-
men das geboten, was politisch schon
lange gefordert wird: Der Arbeitnehmer
erhält die über das TzBfG hinausgehen-
de Möglichkeit, befristete Teilzeit zu
wählen. Das bedeutet konkret eine Ab-
senkung der Grundarbeitszeit für einen
befristeten Zeitraum, beispielsweise
für zwei Jahre. Zudem stellt die Teilzeit
insofern keine Einbahnstraße dar, als
die Grundarbeitszeit auch erhöht wer-
den kann. So können Arbeitnehmer je
nach Lebensphase und individuell eine
zeit- oder geldorientierte Auswahl tref-
fen. Und zugleich erhält der Arbeitge-
ber über Fristen- und Phasenvorgaben
Planungssicherheit. Kombiniert man
dieses Modell mit den vorgenannten Va-
rianten einer Gleitzeit oder der Zeitwert-
konten, so ist eine an den Betriebs- und
Unternehmensinteressen ausgerichtete
spezifische Ausgestaltung auf Basis von
Kollektivverträgen möglich.
Zu beachten ist jedoch, dass die ver-
tragliche Ausgestaltung einer detail-
lierten Regelung bedarf, zum Beispiel
zu den Auswahlbestimmungen und
Anspruchsvoraussetzungen, zu den An-
forderungen an eine Ablehnung einer
Mehr- oder Minderleistung durch den
Arbeitgeber sowie zu Abweichungen im
Einzel- oder Sonderfall. Zudem ist ein
solches Modell sicherlich planungsin-
tensiver als der Einsatz von Standard-
Arbeitszeiten. Mit den passenden
Planungstools und einem vertrauens-
vollen Umgang der beteiligten Partner
kann das Modell jedoch für hohe Zufrie-
denheit auf Arbeitnehmerseite und für
einen kapazitätsorientierten Personal
einsatz auf Arbeitgeberseite sorgen.
Arbeitszeitflexibilisierung:
Viele Optionen, keine Einheitslösung
Die Praxismodelle mit ihren Vor- und
Nachteilen zeigen: Nutzen Unterneh-
men die bestehenden Flexibilisierungs-
möglichkeiten, können sie bereits heute
in vielen Fällen den Spagat zwischen be-
trieblichen Bedürfnissen und individu-
eller Arbeitszeitsouveränität meistern.
Klar ist aber auch, dass nicht jedes Mo-
dell für jedes Unternehmen das richtige
ist. Zumal jede Form der Arbeitszeitfle-
xibilisierung unterschiedliche Arbeit-
nehmer- wie auch Arbeitgeberinteres-
sen bedient.
Es ist daher auch wenig hilfreich,
wenn der Gesetzgeber künftig Ein-
heitslösungen für alle vorgeben will,
insbesondere wenn es sich um reine
Arbeitnehmeransprüche handelt. Viel-
mehr sind es sind die Kollektivparteien,
in deren Händen eine solche interessen-
geleitete und punktgenaue Ausgestal-
tung verbleiben sollte. Sicherlich werden
ihnen am Verhandlungstisch weiterhin
gute und praxisorientierte Lösungen
gelingen. Dabei gilt das Motto: Nichts
muss, alles kann.
Ob nun Gleitzeit- oder Langzeitkonto: In beiden Fällen soll Mehrarbeit über ein Konto
aufgefangen werden, um spätere Freistellungen auszugleichen.
Bei Arbeitszeitkonten ist zwischen den Flexi- oder auch Gleitzeitkonten einerseits und
den Lebensarbeitszeit- oder Langzeitkonten andererseits zu differenzieren. Während
Langzeitkonten darauf ausgerichtet sind, längere Freistellungsphasen unter Fortbestand
des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu ermöglichen, ist das
klassische Gleitzeitkonto dazu gedacht, kurzfristige Schwankungen in der Auslastung
abzufangen und die wöchentliche Arbeitszeit im Rahmen einer Durchschnittsbetrach-
tung festzulegen. Die Modelle zeichnen sich dadurch aus, dass den Interessen beider
Seiten Rechnung getragen und Mehrarbeit über ein Konto abgefangen wird, um sodann
dem Arbeitnehmer verschiedene Möglichkeiten eines kurzfristigen oder längerfristigen
Ausgleichs zu gewähren. Flexi-Konten sind gesetzlich nur sehr rudimentär geregelt,
Langzeitkonten unterliegen dagegen einer detaillierten gesetzlichen Ausgestaltung im
Sozialgesetzbuch IV.
Sparbuch für Arbeitszeit
ZEITWERTKONTO
Die Flex- oder auch Wahlarbeitszeit ist eine neuere Form der Flexibilisierung, die
aus der betrieblichen Praxis, insbesondere aus der kollektivrechtlichen Gestaltung
der Arbeitszeit stammt.
Die Wahlarbeitszeit stellt eine Kombination aus verschiedenen Modellen dar: Einerseits
beinhaltet sie ein befristetes – und damit längerfristiges – Teilzeitmodell, da der Arbeit-
nehmer zwischen einer Grundarbeitszeit und befristeter Reduzierung oder Aufstockung
wählen kann. Andererseits kann dieses Wahlmodell kombiniert werden mit Gleitzeit-
konten, das heißt weiteren Schwankungsmöglichkeiten, und auch mit einem Langzeit-
konto zur langfristigen Einbringung von Mehrarbeit.
Kombination aus mehreren Modellen
WAHLARBEITSZEIT