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jeweilige Arbeitgeber kann sich selbst
bei einer Zustimmung entscheiden, von
der Kündigung abzusehen. Ganz abge-
sehen von den Fällen, in denen die ent-
sprechende Behörde eine Zustimmung
verweigert oder sich damit Zeit lässt.
Dann kann es auf lange Sicht nicht zum
Ausspruch einer Kündigung kommen.
Zudem erfolgt die Betriebsratsanhö-
rung nach § 102 Betriebsverfassungs-
gesetz (BetrVG) üblicherweise zeitnah
mit dem Antrag auf Zustimmung an
die Behörde. Um etwaige Einwände des
Gremiums in die Entscheidung über die
Kündigung noch einzubeziehen, darf der
Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt noch
gar nicht final entschlossen sein. Das
BAG definiert also einen Zeitpunkt als
„Entlassung“, zu dem die Entscheidung
über den Ausspruch der Kündigung
noch nicht abschließend gefallen ist.
Auch mit dem Sinn und Zweck der
Massenentlassungsanzeige lässt sich die
Auslegung nicht begründen. Denn BAG
und BVerfG argumentieren, dass der
individuelle Schutz der Massenentlas-
sungsanzeige dem Arbeitnehmer einen
zusätzlichen Unwirksamkeitsgrund für
die Kündigung eröffnen soll. Diese Ar-
gumentation verkennt, dass die Massen-
entlassungsanzeige in erster Linie nicht
demArbeitnehmerschutz dient, sondern
die Agentur für Arbeit frühzeitig über
künftige Arbeitssuchende in Kenntnis
setzen und so die Vermittlung erleich-
tern soll. Die Kündigung bestimmter
Arbeitnehmergruppen zu erschweren:
Das war nie Intention des Gesetzgebers.
Vielmehr ist die Argumentation des BAG
ersichtlich vom Bemühen geprägt, die
Vorgabe des BVerfG umzusetzen.
Wünschenswert wäre hier eine Über-
prüfung dieser Rechtsprechung durch
den EuGH an den Maßstäben der Junk-
Entscheidung. Die Vorverlagerung der
Entlassung auf einen Zeitpunkt vor dem
Ausspruch der Kündigung widerspricht
jedenfalls auf den ersten Blick den bishe-
rigen Festlegungen des EuGH.
Wirkung auf andere Zustimmungen
Auch wenn die Entscheidungen des
BAG und BVerfG nicht nachvollziehbar
erscheinen, so sind sie dennoch in der
Praxis zu beachten. Es bleibt daher die
Frage, auf welche weiteren – von be-
hördlichen Zustimmungen abhängige –
Kündigungen sie sich auswirken.
Pflegezeit und Mutterschutz betroffen
Möglich (und wahrscheinlich) ist eine
Übertragung der Rechtsprechung auf
die Kündigung von Arbeitnehmern,
die sich in Pflegezeit nach dem Famili-
enpflegezeitgesetz (FamPflG) befinden.
Schließlich ist § 9 FamPflG dem Kün-
digungsschutz nach § 18 Abs. 1 Satz 2
BEEG nachgebildet. Auch hier könnten
Gerichte davon ausgehen, dass vor-
nehmlich Frauen Pflegezeit nehmen
und damit eine mittelbare Benachteili-
gung wegen des Geschlechts vorliegt.
Ob sich die Thematik auch bei Ar-
beitnehmerinnen im Mutterschutz
stellt, hängt davon ab, ob man mit der
EuGH-Rechtsprechung auch reine Vor-
bereitungshandlungen während der
Schutzfrist als verboten ansieht (Urteil
vom 11.10.2007, Az. C-460/06). Nach der
Neufassung des Mutterschutzgesetzes,
nach der auch während des Mutterschut-