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RECHT
_ARBEITSZEIT
personalmagazin 09/17
Betriebe und Unternehmen kein taugli-
ches Flexibilisierungsmodell dar. Kann
man aufgrund des Skaleneffekts diese
Nachteile aber ausblenden, bieten Lang-
zeitkonten enorme Gestaltungsmög-
lichkeiten. So kann über weitgehend
arbeitnehmerfinanzierte Modelle sowie
Sondereinbringungen des Arbeitgebers
eine Grundlage geschaffen werden, um
langfristige, sozialversicherungsrecht-
lich geschützte und damit sehr attrakti-
ve Freistellungsphasen zu finanzieren.
Die Zwecke sind vielfältig und geben
dem Arbeitnehmer ein breites Einsatz-
spektrum, wenn dieses nicht vertraglich
eingeschränkt wird: Sie gehen von der
Zusatzfinanzierung einer Eltern- oder
Pflegezeit, über die Finanzierung von
Ausbildungs- und Weiterbildungs-
phasen hin zu freizeitorientierten
Sabbaticals oder der Gestaltung des
Vorruhestands. Aufgrund der längeren
Ansparphase bieten Langzeitkonten den
Arbeitgebern einen größeren Planungs-
vorlauf und binden zugleich Arbeitneh-
mer an ein Unternehmen. Zudem bietet
die Vertragsfreiheit in der Zweckgestal-
tung eine passgenaue Ausrichtung an
die Bedürfnisse des Unternehmens wie
auch an die Wünsche der Arbeitnehmer.
Im Gegensatz hierzu ist das Gleit-
zeitkonto auf kurzfristige Arbeits-
zeitschwankungen ausgerichtet. Dabei
bietet es aber ebenfalls Arbeitgebern wie
Arbeitnehmern große Vorteile. Es ermög-
licht einerseits kapazitätsorientiertes
Arbeiten und andererseits gewinnt der
Arbeitnehmer über selbstbestimmte
Ausgleichszeiträume Arbeitszeitsou-
veränität. Die auf einem Gleitzeitkonto
einzubringende Mehr- und Minderar-
beit in Kombination mit einem flexiblen
Gleitzeitrahmen schafft Freiräume, die
dem Arbeitnehmer mit Blick auf unter-
schiedliche Alltagsbedürfnisse sehr ent-
gegenkommen.
Nicht zu unterschätzen ist jedoch
die Notwendigkeit eines Arbeitszeitma-
nagements beim Einsatz von Gleitzeit-
konten: Es liegt offensichtlich in der
Natur der (deutschen) Arbeitnehmer,
das Gleitzeitkonto als Sparbüchse zu
nutzen und möglichst viele Plusstunden
anzusparen. Dies widerspricht jedoch
dem eigentlichen Ausgleichszweck. Ein
Gleitzeitkonto muss „atmen“ und sich
in relativ überschaubaren Abständen in
beide Richtungen bewegen.
Um diesen Zweck nicht zu verfehlen,
sind Ampel-Gestaltungen sinnvoll, die im
Sinne der Ampelfarbenlogik bestimmte
Höchst- und Mindesteinbringungen und
damit einhergehende Warnhinweise re-
geln. Da Papier geduldig ist, sollte das
Kontenmanagement auch immer mit
Transparenz über die Kontenstände für
Vorgesetzte und Eingriffsmöglichkeiten
bei Fehlentwicklungen einhergehen.
Zudem ist eine gewisse Zwangskontrol-
Führt der Arbeitgeber Vertrauensarbeitszeit ein, überlässt er dem Arbeitnehmer
teilweise oder vollständig die Festlegung der konkreten Arbeitszeit.
Bei der Vertrauensarbeitszeit ist die konkrete Arbeitszeit nicht vom Arbeitgeber vorge-
geben. In der Summe muss sie jedoch der vertraglichen Wochenarbeitszeit entsprechen.
Dabei gelten selbstverständlich sämtliche Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes, sodass
der Arbeitnehmer Pausen- und Ruhezeiten sowie Vorgaben zur Nachtarbeit und zur
Beschränkung der täglichen Höchstarbeitszeit beachten muss. Des Weiteren – und
das wird in der Praxis nicht selten übersehen – gelten auch bei Vertrauensarbeitszeit
uneingeschränkt die Aufzeichnungspflichten nach dem Arbeitszeitgesetz. Zudem hat der
Betriebsrat auf der Grundlage seiner Kontrollrechte nach § 80 Betriebsverfassungsgesetz
Anspruch auf Auskunft über Beginn und Ende der Arbeitszeiten sowie über die Einhal-
tung der Ruhezeiten (BAG vom 6.5.2003, Az. 1 ABR 13/02).
Mehr Freiheit bei gleichen Grenzen
VERTRAUENSARBEITSZEIT
Bei der Arbeit auf Abruf besteht eine große Flexibilität für Arbeitgeber, weil sie die
Arbeitnehmer je nach Bedarf abrufen können. Es sind jedoch auch einige gesetzliche
Vorgaben bei der Durchführung des Modells zu beachten.
Die Arbeit auf Abruf ist im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) geregelt und stellt
eine Sonderform der Teilzeitarbeit dar. Arbeit auf Abruf liegt vor, wenn der Arbeitneh-
mer seine Arbeitsleistung nur entsprechend dem jeweiligen Arbeitsanfall zu erbringen
hat (§ 12 TzBfG). Arbeit fällt insofern an, wenn aus Sicht des Arbeitgebers die Arbeits-
leistung benötigt wird. Besonderes Merkmal der Abrufarbeit ist das Recht des Arbeit-
gebers, entsprechend dem Arbeitsanfall die Lage und die Dauer der Arbeit bestimmen
zu können (BAG vom 7.12.2005, Az. 5 AZR 535/04). Dabei ist im Arbeitsvertrag eine
bestimmte (Mindest-)Dauer der wöchentlichen oder täglichen Arbeitszeit festzulegen
und der Arbeitgeber hat eine Mindestankündigungsfrist von vier Tagen zu beachten. Mit
Blick auf eine AGB-Kontrolle von Formulararbeitsverträgen begrenzt die Rechtsprechung
die Möglichkeit eines über die Mindestdauer hinausgehenden Abrufs von Arbeitszeit auf
25 Prozent – dies in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Widerruflichkeit von Lohnbe-
standteilen (BAG vom 7.12.2005, Az. 5 AZR 535/04).
Darf es bei Bedarf ein wenig mehr sein?
ARBEIT AUF ABRUF