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RECHT
_ARBEITSZEITKONTEN
personalmagazin 05/16
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
308 Nr. 1 BGB. Danach ist eine Bestim-
mung in Allgemeinen Geschäftsbedin-
gungen (AGB) unwirksam, durch die
sich der Verwender eine unangemessen
lange Frist für die Erbringung einer Leis-
tung vorbehält. Nach einer Entscheidung
des LAG Niedersachsen vom 6. Mai 2015
(Az. 17 Sa 70/15) ist eine vorformulierte
einer solchen unwirksamen Klausel ist
nach § 306 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, dass
der Vertag im Übrigen zwar wirksam
bleibt, sich der Inhalt aber nach den ge-
setzlichen Vorschriften richtet, in diesem
Fall also nach § 614 Satz 2 BGB. Der Ar-
beitnehmer kann mithin beanspruchen,
dass die monatlich geleisteten Überstun-
den mit der jeweiligen Monatsabrech-
nung ausgezahlt werden.
Losgelöst hiervon müssen die Regelun-
gen zum Arbeitszeitkonto dem Transpa-
renzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB
entsprechen, also hinreichend klar und
verständlich sein. Die in der Praxis ins-
besondere in Schichtbetrieben nicht sel-
ten anzutreffende arbeitsvertragliche
Regelung, wonach pro Kalendertag des
Urlaubs ein Zeitäquivalent in das Arbeits-
zeitkonto des Arbeitnehmers eingeht,
das der durchschnittlich vereinbarten
Arbeitszeit pro Kalendertag innerhalb ei-
nes Kalenderjahrs entspricht, entspricht
diesem Gebot nach Auffassung des BAG
(vom 19.6.2012, Az. 9 AZR 712/10) nicht.
Denn – so das BAG – diese Regelung sei
nicht so durchschaubar gestaltet, dass
ein Arbeitnehmer typischerweise nach
seinen Verständnismöglichkeiten und Er-
wartungen ohne besondere Erläuterung
erkennen könne, dass Urlaubsschichten
dem Arbeitszeitkonto mit einer gerin-
geren Stundenanzahl gutgeschrieben
werden als Arbeitsschichten. Ausgehend
hiervon empfiehlt es sich, im Arbeitsver-
trag die konkrete Anzahl der Stunden zu
benennen, die für Urlaubsschichten, Be-
reitschaftsdienste et cetera dem Arbeits-
zeitkonto gutgeschrieben werden.
Geltendmachung durch Arbeitnehmer
Begehrt der Arbeitnehmer die Abgel-
tung eines Zeitguthabens, macht er den
Vergütungsanspruch für vorgeleistete
Arbeit geltend. Da dieses Zeitguthaben
nur in anderer Form den Vergütungs-
anspruch des Arbeitnehmers ausdrückt,
genügt für die Schlüssigkeit einer et-
waigen Klage, die auf Ausgleich des
Guthabens auf einem Arbeitszeitkonto
gerichtet ist, dass der Arbeitnehmer
Auch durch die Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns im ver-
gangenen Jahr haben sich Eigenheiten bei Arbeitszeitkonten ergeben.
Besonders zu prüfen ist, ob die Regelungen zur Führung von Arbeitszeitkonten noch
den Vorgaben des Mindestlohngesetzes (MiLoG) entsprechen. Nach § 2 Abs. 1 MiLoG
ist der Arbeitgeber verpflichtet, geleistete Arbeit innerhalb des auf die Arbeitsleistung
folgenden Monats mit dem Mindestlohn zu vergüten. Mit dem Ansparen von geleiste-
ter Arbeitszeit auf Arbeitszeitkonten ist diese Pflicht an sich nicht zu vereinbaren. Für
Arbeitszeitkonten bestimmt § 2 Abs. 2 MiLoG sodann, dass dem Arbeitnehmer über die
vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehende Arbeit auf ein schriftlich vereinbartes
Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden kann. Dies gilt allerdings nur, wenn dieses
innerhalb von zwölf Monaten nach der monatlichen Erfassung der Arbeitszeit ausge-
glichen wird. Die Gutschriften dürfen zudem nicht mehr als maximal 50 Prozent der
vertraglich vereinbarten Arbeitszeit betragen. Nach der Beendigung des Arbeitsverhält-
nisses hat der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf
die Beendigung folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die zeitliche Beschränkung
der Einstellung von Arbeitszeit auf Arbeitszeitkonten, die keine Wertguthaben sind, gilt
gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 MiLoG nur, soweit der Anspruch auf Mindestlohn für die geleis-
teten Arbeitsstunden nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt
ist. Für Langzeit- oder Lebensarbeitszeitkonten gelten die Regelungen im Übrigen nicht.
Zeitliche Grenze beachten
MINDESTLOHN
Zeitkonto ist nicht gleich Zeitkonto. Vom Gleitzeit- ist etwa das Langzeitarbeitszeit-
konto zu unterscheiden. Vor allem bei den Voraussetzungen sind sie verschieden.
Von den im Haupttext dargestellten üblichen Flexi- oder Gleitzeitkonten zum (kurzfris-
tigen) Ausgleich von Beschäftigungsschwankungen sind insbesondere Langzeit- oder
Lebensarbeitszeitkonten zu unterscheiden. Mithilfe von Langzeit- oder Lebensarbeits-
zeitkonten kann für die Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnet werden, während ihres
aktiven Arbeitslebens Freistellungsphasen anzusparen, die etwa für die Inanspruchnah-
me von Sabbaticals, die Pflege naher Angehöriger oder einen vorzeitigen Ruhestand
genutzt werden können. Zu beachten sind hierbei nicht nur die Sicherstellung eines
(kostenintensiven) Insolvenzschutzes nach § 7e SGB IV („Flexi II“) sowie die Berücksich-
tigung der sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben des § 7b SGV IV, sondern auch die
Fortgeltung von Zusatzleistungen während der Freistellungsphase et cetera.
Flexi- oder Langzeitkonto?
BEGRIFFE
Vertragsbedingung über ein Arbeitszeit-
konto, die weder eine Obergrenze für
den Freizeitausgleich von Plusstunden
noch einen feststehenden Ausgleichs-
zeitraum regelt und eine Vergütung erst
mit Beendigung des Arbeitsverhältnis-
ses vorsieht, wegen Verstoßes gegen §
308 Nr. 1 BGB unwirksam. Rechtsfolge