personalmagazin 5/2015 - page 20

20
TITEL
_MODELLE FÜR ÄLTERE
personalmagazin 05/15
Doch nicht jeder berufserfahrene
Mitarbeiter eignet sich als Trainer oder
Coach. Denn dies setzt Einfühlungsver-
mögen und die Bereitschaft voraus, sich
intensiv mit anderen auseinanderzuset-
zen – was nur bis zu einem gewissen
Grad „antrainiert“ werden kann. Zudem
ist festzuhalten, dass nicht alles an Er-
fahrungswissen bewahrungswürdig ist.
Optionen für Ältere eröffnen sich auch
im Ideenmanagement, wo es darauf an-
kommt, Erfahrung imUnternehmen und
Netzwerke sinnvoll zu nutzen. Ein wei-
terer Ansatz ist die Gründung interner
oder externer Beratungsgesellschaften,
in denen Ältere bis zur Rente und da-
rüber hinaus arbeiten können. Gerade
Führungskräfte können so ihr Wissen
in Projekte einbringen und gleichzeitig
vom Tagesgeschäft entlastet werden.
Grundsätzlich gilt, dass sich in Firmen,
in denen alternative Laufbahnmodel-
le wie Spezialisten- oder Projektlauf-
bahnen etabliert und akzeptiert sind,
auch für Beschäftigte, die nicht länger
Führungsverantwortung tragen möch-
ten, attraktive Alternativen bieten – so-
lange Entgelt und Status in etwa gleich
bleiben. Auch hierfür zeigt die zitierte
Studie hohe Zustimmungswerte.
Modelle für Leistungsgewandelte
Insbesondere in Handwerk und Produk-
tion gilt es, Alternativen für leistungs-
gewandelte Mitarbeiter zu finden – etwa
die Beschäftigung in vormals ausgeglie-
derten Dienstleistungsbereichen, wie
Fahr-Services, Werkssicherheit oder
Hausmeistertätigkeiten, die wieder im
Unternehmen geleistet werden, bis hin
zu Produktionslinien, für die besondere
Bedingungen geschaffen werden, zum
Beispiel durch Arbeitsabläufe mit größe-
rer Aufgabenvielfalt und Abwechslung.
Einige Firmen setzen darauf, Mitarbei-
ter zwar auf spezifischen Arbeitsplätzen,
jedoch im Verbund mit ihrer Gruppe
einzusetzen, um das soziale Gefüge zu
fördern. Andere Unternehmen bilden da-
gegen spezifische Arbeitsgruppen. Dies
bietet sich für Mitarbeiter an, die nicht
mehr auf ihrem angestammten Arbeits-
platz arbeiten können, jedoch laut ärzt-
licher Prognose nach unterstützenden
Maßnahmen wieder dorthin zurück
können. Diese können Unternehmen vo-
rübergehend auf weniger belastende Tä-
tigkeiten umsetzen und sie gleichzeitig
bei Wiederaufbau ihrer Leistungsfähig-
keit unterstützen. Dabei werden Mitar-
beiter, die ähnliche Bedürfnisse haben, in
einer Gruppe zusammengefasst. Wichtig
dabei ist zu verhindern, dass Führungs-
kräfte Mitarbeiter „abschieben“. Daher
empfiehlt es sich, Beschäftigte nur mit
positiver Gesundheitsprognose und nach
Zustimmung eines Aufsichtsgremiums
in eine solche Gruppe aufzunehmen.
Dieses Modell wurde in den John-Deere-
Werken Mannheim entwickelt und wird
erfolgreich umgesetzt.
Für sanfte Übergänge sorgen
Es wird deutlich, dass es nicht „das eine
Modell“ für die Zukunft gibt. Vielmehr
wird es zahlreiche Arbeitszeitmodelle
und neue Beschäftigungsformen geben,
und jedes Unternehmen muss individuell
danach handeln, wie seine Belegschaft
aufgestellt ist und wie sich die betriebli-
chen Belange mit den Bedürfnissen der
Beschäftigten in Einklang bringen las-
sen. Dafür ist es notwendig, die Art der
Arbeitsplätze im Unternehmen und die
damit zusammenhängenden physischen
und psychischen Belastungen zu doku-
mentieren. Dies kann eine Planungs-
grundlage dafür liefern, systematisch
und dauerhaft Arbeitsplätze zu finden,
die auch Beschäftigte mit Beeinträchti-
gungen ausüben können.
Erfolg versprechen hierbei vor allem
solche Modelle, die die Mitarbeiter als
Individuen anerkennen, sie in die Ge-
staltung einbeziehen und den altersbe-
dingten Veränderungen ebenso wie den
vielfältigen Übergangsmöglichkeiten
Rechnung tragen. Wichtig ist auch, dass
Beschäftigungsmodelle für Ältere nicht
die Jüngeren im Betrieb stärker belasten,
etwa durch bloße Umverteilung von Tä-
tigkeiten. Eine weitere mögliche Hürde,
gerade bei Führungskräften in einer
neuen Tätigkeit, ist das Thema „Status-
verlust“, mit dem sensibel umzugehen ist.
Hier gilt es – wie bei allen Verände-
rungen imBeschäftigungsmodell – sanfte
Übergänge zu schaffen. Gerade, wenn die
Mitarbeiter im fortgeschrittenen Alter
und Veränderungen nicht gewöhnt sind,
erfordert dieser Prozess einige Zeit. Dazu
braucht es auch ein Lernumfeld, das den
Bedürfnissen gerecht wird und adäquat
mit Ängsten und Hemmnissen umgeht.
Unabdinglich ist zudem eine Unterneh-
mens- und Führungskultur, die ältere
Beschäftigte wertschätzt und Stereo-
typen sowie Stigmatisierung vorbeugt.
Dass hier noch Handlungsbedarf be-
steht, bestätigt die genannte Studie:
Denn an vielen Stellen lässt sich dort
eine deutliche Divergenz zwischen der
antizipierten Realisierbarkeit und den
Wünschen für eine flexible Gestaltung
der Beschäftigung im fortgeschrittenen
Alter erkennen. Ein Erkenntnisproblem
besteht hier in den Unternehmen meist
nicht, häufig jedoch ein Umsetzungspro-
blem. Nicht selten muss zunächst die
Komfortzone durchbrochen werden, bis
sich Systeme verändern.
PROF. DR. JUTTA RUMP
ist
Direktorin des Instituts für
Beschäftigung und Employa-
bility, Ludwigshafen.
SILKE EILERS
ist Wissen-
schaftliche Mitarbeiterin am
Institut für Beschäftigung und
Employability, Ludwigshafen.
Unabdinglich ist eine
Unternehmens- und
Führungskultur, die
ältere Mitarbeiter wert-
schätzt und Stereotypen
sowie Stigmatisierung
vorbeugt.
1...,10,11,12,13,14,15,16,17,18,19 21,22,23,24,25,26,27,28,29,30,...84
Powered by FlippingBook