Wirtschaft und Weiterbildung 3/2019 - page 60

fachliteratur
60
wirtschaft + weiterbildung
03_2019
Das Buch ist keine Sofalektüre, aber es lohnt sich,
es gründlich durchzuarbeiten. Dazu sollte man am
besten das vorherige Buch der Autoren („Coaching,
Beratung und Gehirn“) bereits gelesen haben, weil
sich dann das „Neurobiologische“ leichter verdauen
lässt. Die dort dargelegten theoretischen Grundlagen
werden im aktuellen Buch („Coaching und Bera-
tung in der Praxis“) wie es der Titel verspricht für
die praktische Arbeit umsetzbar gemacht. Dadurch
entsteht ein integratives Coaching-Modell, welches
neurobiologisch abgesicherte Analysen und Interven-
tionen ermöglicht.
Zuerst geht es im neuen Buch um die durch die
Hirnforschung bestätigten Grundlagen wirksamer
Veränderung und um das Unbewusste im Coaching.
Danach werden diverse Coaching-Ansätze neutral
beschrieben (Zürcher Ressourcen Modell, Psychody-
namik, Hypnotherapie, Generatives Coaching, Ver-
haltenstherapie, Schema-Coaching, humanistische
Ansätze wie die Transaktionsanalyse, emotionsfo-
kussiertes Coaching, körperzentriertes Coaching,
systemische Ansätze und insbesondere die perso-
nenzentrierte Systemtheorie sowie das lösungsorien-
tierte Coaching). Nach der Darstellung werden die
unterschiedlichen psychologischen Richtungen und
Coaching-Methoden von Roth und Ryba kritisch be-
wertet.
Abgewatscht wird zum Beispiel die Verhaltensthe-
rapie (die klassische wie die kognitive), weil auf ko-
gnitiver Ebene keine Veränderungen des Verhaltens
erreicht werden können. Es müssen laut Roth noch
emotions- und bindungsbezogene Interventionen
dazukommen. Und die Aussage der Verhaltensthe-
rapie, dass „falsches“ Verhalten im Gehirn gelöscht
werden könne, stimmt offenbar auch nicht. Es könne
nur abgeschwächt werden. Roth: „Die Amygdala
vergisst nie!“. Als sehr nützlich wird dagegen zum
Beispiel die „Personenzentrierte Systemtheorie“ (Ver-
treter: Jürgen Kriz) gelobt, weil sie mit neurowissen-
schaftlichen Erkenntnissen gut vereinbar sei.
Auf den letzten 30 Seiten stellen die Autoren dann
ihr richtungsweisendes Modell eines gehirngerechten
Coaching-Ansatzes vor. Sie beschreiben den Weg
„von den Synapsen zur Psyche“ und präsentieren
ein„Vier-Ebenen-Modell“ von Psyche und Persön-
lichkeit. Außerdem definieren sie „sechs psychoneu-
rale Grundsysteme“. Zum Schluss gibt es noch einen
praxisnahen Überblick über erfolgsversprechende
Interventionsmöglichkeiten.
Gerhard Roth
ist Professor für Verhaltens-
physiologie und Entwicklungsneu-
robiologie am Institut für Hirnfor-
schung der Universität Bremen.
Er war langjähriger Präsident der „Studienstiftung des
deutschen Volkes“.
Alica Ryba
ist Diplom-Kauffrau und promovierte mit psychologisch-
neurowissenschaftlichem Schwerpunkt bei Gerhard Roth
zum Thema Coaching. Sie absolvierte eine systemische
Beraterausbildung am ISB in Wiesloch.
AUTOREN
Hirnforschung beurteilt Coaching
COACHING-ANSÄTZE UNTER DER LUPE – AUF DEM WEG ZUM „INTEGRATIONSMODELL“
Alica Ryba, Gerhard Roth:
Coaching und Beratung in der Praxis.
Ein neurowissenschaftlich fundiertes
Integrationsmodell.
Klett-Cotta, Stuttgart 2019, 521 Seiten,
44 Euro
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