Wirtschaft und Weiterbildung 3/2019 - page 62

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wirtschaft + weiterbildung
03_2019
Stefanie Hornung
hot from the US
Francesca Gino, Professorin an der Harvard Busi-
ness School, hat mit „Rebel Talent” die Zusam-
menhänge von Rebellentum und Innovation unter
die Lupe genommen. Große Erfindungen basieren
laut der italienisch-amerikanischen Verhaltens-
forscherin fast immer darauf, dass Querdenker
vorgeschriebene Regeln missachten. Damit tritt die
Autorin dem schlechten Ruf entgegen, der Regel­
brechern vorauseilt. Oft nerven sie uns: Die Kolle-
gen, Freunde und Familienmitglieder, die scheinbar
einfache Entscheidungen verkomplizieren. Deshalb
setzen die meisten Menschen lieber auf Anpassung
– von der Schule bis ins Berufsleben. Verhalten,
Kleidung, Weltanschauung: Um anerkannt zu wer-
den und uns als Teil einer Gruppe zu fühlen, beugen
wir uns sozialem Druck, meint Gino.
Die Einhaltung von formellen und informellen
Regeln ist für jede Organisation erforderlich. Doch
extremer Konformismus birgt laut der Autorin
diverse Gefahren:
Die Konformität steht oft im Widerspruch zu
unseren wahren Vorlieben und Überzeugungen
und lässt Beschäftigte daher unwohl und nicht
authentisch fühlen.
Wer sich im Status quo zu sehr einrichtet, beruft
sich nur auf Traditionen. Dies verringert das Enga-
gement und hemmt eine hohe Innovations- oder
Leistungsfähigkeit.
Konformität führt auf Dauer zu voreingenom-
menen Entscheidungen! Neue Informationen
prüfen Entscheider in sehr konformistischen Sys-
temen nicht kritisch und neutral, sondern akzep-
tieren sie nur dann, wenn sie genau den Regeln
des Systems entsprechen.
Umgekehrt hat Francesca Gino in ihrer
Forschung herausgefunden: Nichtkon-
formität verbessert die Leistung und das
Ansehen einer Person. Wer sich aus der
Masse abhebt, hat das Gefühl, einzigartig
zu sein – und kurbelt damit die eigene Kreativität
zusätzlich an. „Unternehmen brauchen Rebellen“,
diesen Satz untermauert Gino mit Geschichten
von Rebellen in verschiedensten Organisationen
– etwa einem Drei-Sterne-Restaurant, einer Fast-
Food-Kette, einem Computeranimationsstudio oder
einem Call Center im ländlichen Indien. Anschaulich
schildert sie, wie bei diesen Unternehmen Regelver-
stöße meistens mehr helfen als schaden, zu wirt-
schaftlichem Erfolg und/oder zu einer hohen Zufrie-
denheit der Mitarbeiter führen. Dabei greift sie auch
auf historische Vorbilder zurück – auf Rebellen-
persönlichkeiten wie Napoleon, Houdini oder den
berüchtigten Piraten Blackbeard, der seine Crew in
einer Art „revolutionärer Demokratie“ führte.
Wer verwertbare Ratschläge für das eigene
Rebellentum sucht, wird im Abschlusskapitel „Beco-
ming a Rebel Leader“ fündig. Darin stellt Gino acht
Prinzipien vor - zum Beispiel, dass Rebellen aus
Fehlern echte Innovationen machen. Das Buch ist
für die persönliche Inspiration eine Bereicherung –
ganz nach dem Motto: Ich rebelliere, also bin ich.
Innovationen
Ich rebelliere, also bin ich
Die freie Journalistin/Reporterin Stefanie Hornung hat sich auf die Themen New Work, Personalmanagement und Diversity spezialisiert. Sie gehörte viele Jahre
als Pressesprecherin zum Team der größten deutschen Personalfachmessen „Zukunft Personal“, „Personal Nord“ und „Personal Süd“. Außerdem war sie Chef­
redakteurin des Onlineportals „HRM.de“. Mail:
Foto: Ines Meier
Francesca Gino:
„Rebel Talent“,
Macmillan, London 2018,
304 Seiten, 20 Euro
Regelverstöße helfen oftmals mehr
als sie schaden.
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