wirtschaft + weiterbildung
10_2015
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Andere Zeiten, anderes Handwerk
„Handwerk hat goldenen Boden.“ Dieses vormals so wirk-
mächtige Sprichwort scheint in der jungen Generation nicht
mehr sehr populär zu sein: Die Ausbildungszahlen im Hand-
werk sind von 204.000 Neuverträgen für Azubistellen im
Jahr 2000 über 156.000 im Jahr 2010 auf nur 118.000
Neuverträge im vergangenen Jahr zurückgegangen.
Imagekampagne: mehr als der gute Ruf
Um junge Menschen wieder für eine Ausbildung zu interes-
sieren, hat das Handwerk eine Imagekampagne in Auftrag
gegeben. Etwa zehn Millionen Euro jährlich investiert der
Dachverband der 53 Handwerkskammern, der Deutsche
Handwerkskammertag (DHKT), seit 2010 in diese Kam-
pagne. Mit den klassischen Mitteln – etwa TV-Spots oder
Großwandplakate –, aber auch über die digitalen Kommu-
nikationskanäle soll Aufmerksamkeit generiert und die
Berufsbilder in ein neues Licht gerückt werden. Ein „Tag des
Handwerks“ wurde ausgerufen, und ein neuer Slogan („Das
Handwerk. Die Wirtschaftsmacht. Von nebenan.“) soll den
Jugendlichen den Wert der Handwerkskunst vor Augen füh-
ren. Das scheint zu funktionieren, wie die Ergebnisse einer
Forsa-Studie im Auftrag des Handwerks nahelegen: Aktuell
geben 60 Prozent der befragten 14- bis 24-Jährigen an, das
Handwerk sei bedeutend für die deutsche Wirtschaft, wäh-
rend 2008 nur 17 Prozent derselben Aussage zustimmten.
Lehrmittel: digitale Hilfe für Azubis
Das Feilen am Berufsbild ist aber nur eine der Strategien,
die verfolgt werden, um frei gebliebene Ausbildungsplätze
Ausbildung.
Im Handwerk fehlen die Azubis. Grund
dafür ist ein Berufsbild, das an Ansehen verloren hat.
Eine Imagekampagne sowie neue Ausbildungs- und
Lehrformen sollen die Trendwende bringen.
zu besetzen: Auch die Bildungswege werden reformiert. Die
Konzeption von Trialen Studiengängen ist ein Beispiel.
Ergänzend zur Neugestaltung der institutionellen Bildungsan-
gebote sollen aber auch die Inhalte der „klassischen“ Lehre
verbessert werden: „In Zeiten von Social Media muss Ler-
nen interaktiv und erweiterbar sein“, sagt Thorsten Hagen-
hofer vom Zentral-Fachausschuss Berufsbildung Druck und
Medien (ZFA). Innovative didaktische Konzepte sowie eine
Einbindung von aktuellen Kommunikationstechnologien
sollen das Lehrangebot attraktiver und effektiver machen.
Einige Beispiele: Der ZFA setzt auf „Augmented Reality“ – die
Erweiterung der Wahrnehmung durch technische Hilfsmittel.
Die Abläufe in einer Druckmaschine werden so auf dem Dis-
play eines mobilen Endgeräts sichtbar gemacht.
Wie sich Ausbildungsberufe durch Lernmethoden attrakti-
ver machen lassen, treibt auch Ausbilder in anderen Aus-
bildungsfachrichtungen um. Die Sächsische Bildungsge-
sellschaft für Umweltschutz und Chemieberufe Dresden
(SBG) bietet beispielsweise in Form einer Lernplattform
mit 28 Tools einen ganzen Fundus von digitalen Anwendun-
gen, mit denen sich der Lehrbetrieb interaktiver gestalten
lässt. Diese Anwendungen werden in verschiedenen Aus-
bildungsbetrieben erprobt und nach Rückmeldungen von
Ausbildern und Auszubildenden ständig verbessert.
Ob diese Konzepte Früchte tragen und mehr junge Leute zu
einer handwerklichen Ausbildung motivieren können, bleibt
ungewiss – wünschenswert wäre es, wie der Präsident des
Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans
Peter Wollseifer, zu verstehen gibt: „2014 haben erstmals
mehr Jugendliche ein Studium begonnen als eine Berufs-
ausbildung. Das gab es noch nie. Die Facharbeiter werden
uns in wenigen Jahren überall in der Wirtschaft fehlen.“
Benjamin Jeub
Ronny Willfahrt © VDMNO e.V. aufgenommen bei Ernst-Litfaß-Schule, Berlin
Didaktik.
Beim Lernen
mit „Augmented Rea-
lity“ können Azubis die
Abläufe im Inneren der
Druckmaschine nach-
verfolgen.
Image.
Mit einer
groß angelegten
Kampagne will das
Handwerk den Ruf
von Lehrberufen
verbessern (Bild:
Motiv zum Schuh-
macherberuf).